Erstellt am: 21. 12. 2010 - 16:01 Uhr
Fußball-Journal '10-68.
Meisterschaft und Cup, das europäische Geschäft, das Nationalteam, der Nachwuchs, aber vor allem auch das hiesige Medienverhalten und die Wahnsinnigkeiten im Umfeld: das Fußball-Journal '10 begleitet die Saison ungeschönt.
Heute mit dem Beginn einer kleinen Feiertags-Reihe, die - trotz ruhenden Spielbetriebs - wichtige oder windige Geschichten nachklingen lässt.
Demnächst in dieser Reihe: Stranzls Standfestigkeit, die Opfer des Projekts 12, der begrabene Wettskandal, Scharner in the Sky with Diamonds oder die neuen Transfer-Transparenzen.
Zlatko Junuzovic ist der Spieler des Jahres.
Oder besser: einer von mehreren. Die Kronen Zeitung wählt einen, immer über die Weihnachtsfeiertage. Die Fußballer-Gewerkschaft verleiht einen Bruno in dessen Hauptkategorie Steffen Hofmann gewann. Und dann gibt es sicher auch noch andere Trophäen von mehr oder minderer Bedeutung.
Der "Fußballer des Jahres" wird von den zehn Trainern der Bundesliga gewählt und von der Austria Presse Agentur organisiert. Die APA ist die österreichische Nachrichten-Agentur, die omnipräsente Beobachterin von allem, was in Österreich passiert - wenn sonst niemand dort war, die APA war dabei. Was die Genossenschafter (bis auf die Kronen Zeitung alle Tageszeitungen sowie der ORF) dann auch gern nützen, indem sie APA-Meldungen per Copypaste zu "ihren" Geschichten machen; dazu ist das ja auch gedacht. Im Sport, vor allem im Fußball-Bereich verlässt man sich vielerorts derart auf die APA, dass man die Eigenrecherche quasi völlig verlernt hat.
Die APA-Sportredaktion leistet hervorragende und unverzichtbare Grundlagenarbeit - auch weil sie eben bei allen Spielen, bis in die 2. Liga, dabei ist.
Aber traditionell muss ich mich einmal im Jahr über die APA ärgern.
Oder besser: musste.
Die erstmals unverzerrte Wahl
Das war immer genau jetzt, bei ihrer Wahl zum Fußballer des Jahres. Wenn international, von Mailand bis Lubumbashi, von Porto Alegre bis Seongnam solche Wahlen stattfinden, dann ist klar, dass die benannten Experten/Coaches nicht Akteure der von ihnen betreuten/verantworteten Teams nominieren. Weltweit, sonnenklar. Nur in Österreich klappt das nicht. Und so wurde die "Fußballer des Jahres"-Wahl der APA Jahr für Jahr quälend und peinlich verzerrt. Durch Coaches, die ihre Nominierungen aus rein teamtaktischen Gründen an die eigenen Leute vergaben, um sie zu würdigen, motivieren, sonst wie zu beeinflussen. Mit tatsächlichem Leistungsvermögen hatte das nie viel zu tun - es spiegelte vielmehr die Verhaberungs-Struktur im Land wider; und zwar wenig elegant.
Ich weiß nicht mehr wie lange ich schon gegen diesen Schwachsinn anschreibe (hier ein Fundstück aus 2009). Und ich kann mich auch nicht mehr an die erste Reaktion aus der APA erinnern, mit der mich eine Art Oppositions-Gruppe wissen ließ, dass auch sie das für unhaltbar und unsinnig hielte, aber gegen die Altvorderen nicht durchzusetzen vermochten. Ich weiß nur, dass ich im Vorjahr nicht mehr gewütet, sondern nur noch mit einem zynischen Schlenker reagiert habe.
Heuer nun ist folgender Regel-Satz neu aufgetaucht: "Zur Wahl standen alle Bundesliga-Spieler und ÖFB-Legionäre. Die Trainer durften allerdings keine Spieler des eigenen Vereins wählen."
Hinter Junuzovic lauert die Ignoranz
Was lange währt, wird also irgendwann gut.
Jetzt wisst ihr warum mich diese Wahl zum Lächeln bringt.
Sie hat den Anschluss an die internationale Klasse geschafft, immerhin formal.
Und auch der Sieger ist ein verdienter: Zlatko Junuzovic hat sich (Acimovicens Wehweh sei Dank) exzellent entwickelt, wird europaweit gescoutet, wird es wohl zu einem besseren Club ins Ausland schaffen.
Allerdings sagt das Resultat der Umfrage insgesamt weniger über die Stärke einzelner Spieler aus, als über ihre Ersteller, die heimischen Erstliga-Trainer; deren Sittenbild sie ist.
Neun der zehn Bundesliga-Vereine wurden von ihnen berücksichtigt (nur jemanden vom LASK traute sich dann doch niemand in seine Top 3 zu nominieren) - und nur ein Legionär (Christian Fuchs von Mainz, der zu Recht in der Kicker-Elf der Halbsaison stand, der eigentliche österreichische Spieler des Jahres).
Man findet also dass Akteure von Mattersburg oder Kapfenberg mehr hermachen als Pogatetz, Prödl, Arnautovic, Harnik, Garics, Scharner, Janko, Stranzl, Macho oder Markus Berger, um da ein paar Leistungsträger in Top-Ligen hervorzuheben. Ein interessanter Realitäts-Verlust.
Das Coachanski-Team
Die zehn BL-Trainer würden so spielen:
Im Tor Raphael Wolf (Pascal Grünwald).
In der Abwehr Patrick Wolf (in Ermangelung eines Verteidigers), Schildenfeld, Schiemer, Chr. Fuchs (Schrammel).
Kavlak (Hofmann), Carril, Junuzovic, Svento wären das etwas arg sorglos aufgestellte Mittelfeld.
Kienast sowie ein Hybrid aus Patrick Bürger, Jun und Hannes Aigner bilden den Angriff.
Wir ein echtes Team der Halbsaison aussehen könnte, wissen die Fans besser.
Interessant ist auch die Banalität des so entstandenen Schmieranski-, pardon Coachanski-Teams. Von den insgesamt 16 nominierten Spielern sind nur zwei in der defensiven Zentrale (incl. 6er) einsetzbar.
Defensiv-Künstler Huub Stevens nominierte ebenso drei Offensiv-Leute wie Gludovatz oder Kogler (bei denen es nachvollziehbar ist).
Dass Dani Alar nicht vorkommt, verwundert noch, dass Dragovic oder Baumgartlinger nicht ein Stimmlein bekommen hat, verblüfft hingegen wirklich; und stellt die Expertise der Herren Coaches kollektiv durchaus in Frage.
Vor allem im Vergleich mit den Klopps/Tuchels/Dutts beim großen Nachbarn sehen die Hiesigen sehr alt aus.
Karl Daxbacher etwa stellt mit seiner Wahl (drei schon saturiertere Herren) sein Jugend-Konzept indirekt in Frage. Stevens trauert mit der Erwähnung von Kienast und Patrick Wolf seiner verfehlten Lange-Kerls-Ideologie nach.
Und die meisten Dreier-Vorschläge wirken unüberlegt und selbstversunken, einer halbwegs bedeutenden Wahl irgendwie unwürdig.
Vielleicht haben die Coaches aber auch hier wieder nur strategisch gevotet, so wie früher, als sie eh nur ihre eigenen Hansln ausgezeichnet haben. Und Pacult, Lederer, Gludovatz und Kogler haben hier Transfer-Angeln für Raphael Wolf, Tomas Jun, Patrick Bürger und Hannes Aigner ausgelegt. Es würde dem Sittenbild, das diese kleine Umfrage offenbart, entsprechen.