Erstellt am: 23. 12. 2010 - 20:24 Uhr
Fußball-Journal '10-69.
Meisterschaft und Cup, das europäische Geschäft, das Nationalteam, der Nachwuchs, aber vor allem auch das hiesige Medienverhalten und die Wahnsinnigkeiten im Umfeld: das Fußball-Journal '10 begleitet die Saison ungeschönt.
Aktuell mit einer kleinen Feiertags-Reihe, die - trotz ruhenden Spielbetriebs - wichtige oder windige Geschichten nachklingen lässt.
Teil1 dieser antizyklischen Jahresausklangs-Schnipsel zum Fußball, "die Fußballer-des-Jahres-Liste, ihr Sittenbild und warum sie mich doch zum Lächeln bringt" ist hier nachzulesen.
Demnächst in dieser Reihe: die Opfer des Projekts 12, der begrabene Wettskandal, Scharner in the Sky with Diamonds oder die neuen Transfer-Transparenzen.
Martin Stranzl ist auf Heimaturlaub, wie viele österreichische Fußballer, die im Ausland aktiv sind. Stranzl ist trotzdem Heimaturlaub-Rekordhalter. Der 30jährige Burgenländer ist der einzige Aktive von einigermaßen Bedeutung, der nie im heimischen Profi-Kick tätig war bzw (im Gegensatz zu Alaba/Arnautovic) niemals im Blickfeld war: als 17jähriger kam er von den Amateuren (SV Güssing) nach München, von 1860 zum VfB nach Stuttgart und dann zu Spartak nach Moskau, wo er (nicht so sehr der Verein, Spartak wurde Vierter und spielt 10/11 wieder international) in dieser Saison zwar einige Probleme hatte, sein Team aber auch als Kapitän aufs Spielfeld in der Champions League führte.
Stranzl gilt in Moskau als verlässlich und versatil, in der Abwehr innen aber auch links einsetzbar, Coach Karpin rechnet mit ihm für die neue Saison, die Lock-Angebote aus Wien (Rapid) und Salzburg (Red Bull) sind laut, der Akteur aber womöglich zu teuer. Salzburg hat an seiner Statt bereits den etwas billigeren Douglas da Silva (von Hapoel Tel Aviv) als Ersatz für den abwandernden Rafiu Afolabi geholt.
Stranzl ist in jedem Fall im Land und auch Teil der Gerüchtebörse. Und deshalb wird ein Besuch von ihm in einer Nachwuchs-Akademie dann auch zu einer kleinen Geschichte im Lokalteil der Kleinen Zeitung.
Ebendort sagt Stranzl dann auf die Frage nach einem etwaigen Interesse an einem Comeback im Nationalteam folgendes: "Das ist ausgeschlossen. Auch unter einem anderen Teamchef. Der ÖFB ist nicht eingeschritten, als Didi Constantini seine Meinung über manche Spieler in der Öffentlichkeit kundtat. Das war nicht ehrlich."
Flashback in den November 2009: Martin Stranzl erklärt seinen Team-Rücktritt (hier wieder im Spiegel der Kleinen verlinkt.
Die Schuldhaftigkeit der ÖFB-Führung
Grund damals war nicht so sehr das (wie auch in den Fällen Manninger, Ivanschitz, Ibertsberger, Garics, teilweise Dag und Scharner, zuletzt auch Korkmaz) subtile Mobbing des Teamchefs (der Stranzl davor, trotz mit ihm abgesprochener Nicht-Teilnahme an einem Länderspiel, als illoyal diffamierte) sondern die inexistente Rückendeckung durch den ÖFB.
Deshalb die wichtige Formulierung "auch unter keinem anderen Teamchef." Das unterscheidet Stanzl von Garics, das würde auch einen Unterschied im Fall Ivanschitz machen.
Martin Stranzl sieht den Kern des Problems. Wohl weil er ein wenig älter und weiser ist; wohl auch, weil er als Defacto-Kapitän hinter dem (vom schlechtesten Trainer aller Zeiten) viel zu jung ins Amt geworfenen Ivanschitz agiert hat und deshalb die ÖFB-Interna allzu gut kennt.
Damals, November 09, hat Stranzl das noch nicht so konkret geäußert wie jetzt, wo er ganz genau die Schuldhaftigkeit einer Verbandsleitung anführt, die die Verhaltensauffälligkeiten ihres populistisch agierenden Vorzeige-Strahlers ebenso toleriert (und damit eine Grenzverschiebung zulässt, die unumkehrbar ist, die alle Kommunikations-Böden zerstört) wie ein Altkanzler das vor zehn Jahren in seiner gescheiterten Wende getan hat.
Cäsarenwahn
Constantini wird im aktuellen Best of Böse des Falter auf Platz 46 geführt. Zitat: "Seit er Nationaltrainer ist, wurde aus dem Sunnyboy ein paranoider Eigenbrötler. Renitente Spieler bestraft er hart wie Dschinghis Khan, kritische Journalisten behandelt er wie Staatsfeinde. Klarer Fall von Cäsarenwahn."
Gut gebrüllt - bloß ist jeder Little Cesar nur so stark, wie seine Vorgesetzten schwach sind. Und im ÖFB (dessen heurige Krisen hier und hier dargelegt sind) mit seinem Frühstücks-Direktorium liegt eben einiges im Argen. Ohne Besserung. Was der ehemalige Kapitän durch seine Wiederholung und Präzisierung des vor Jahresfrist Gesagten bestätigt.
Ein paar Tage später die Bestätigung: Stranzl wechselt nicht nach Österreich, sondern zurück nach Deutschland, in die Bundesliga zu Gladbach.
Martin Stranzls Standfestigkeit würde es im Übrigen, so meine ich, durchaus gut tun, wenn er auch weiterhin einen Bogen um Österreichs Fußball macht. Für jemanden, der Geradlinigkeit und Handschlag-Qualitäten über Kleinkariertheit und Denunziantentum stellt, wäre das die bessere Option.