Erstellt am: 11. 11. 2010 - 15:18 Uhr
Keine Kinder ins Gefängnis
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Vor knapp einem Jahr wurde in Muthmannsdorf ein zehnjähriger Bub samt seiner Familie von der Fremdenpolizei abgeholt und ins Gefängnis gesteckt. Einen Tag später war die gut integrierte Familie abgeschoben in den Kosovo. Im Herbst erregte dann der Vorfall rund um die erst neunjährigen Komani-Zwillinge Aufsehen: Auch die beiden Mädchen wurden zusammen mit ihrem Vater zuerst ins Gefängnis gesteckt und dann abgeschoben - dies alles sogar während die Mutter im Krankenhaus lag. Einzelfälle sind das nicht. Tausende gut integrierter Familien in Österreich sind aufgrund des verschärften Fremdenrechts von der Abschiebung bedroht.
Gegen die Praxis, auch Kinder in Schubhaft zu nehmen, hat sich aber seit einigen Wochen breiter Widerstand formiert. Über 110.000 Unterschriften hat die Plattform Gegen Unrecht in nur wenigen Wochen gesammelt. Heute wurde die Petition für eine Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung an die Präsidentin des Nationalrats, Barbara Prammer, übergeben.
Vor dem Parlament versammelten sich etwa einhundert Menschen. Sie hatten sich auf der Website der Petition eingetragen, um heute ins Gebäude eingelassen zu werden. Aber die Polizei kürzte die Teilnehmerliste für die Unterschriftenübergabe, nicht alle Aktivisten durften hinein. In der prunkvollen Säulenhalle des Parlaments hielten jene, die es geschafft haben, dann Schautafeln in die Höhe: Auf den Tafeln die 110.415 Namen derer, die "Gegen Unrecht" unterzeichnet haben.
Christoph Weiss
Als ich die Menschen auf ihre Motivation, heute hierherzukommen anspreche, bemerke ich, wie ernst, ja wütend die Stimmung über die Abschiebepraxis ist: "In dem Moment wo man Kinder in Schubhaft nimmt", sagt ein Mann, "in dem Moment wo die Polizei ganz einfach in eine Schule kommt und verlangt, sogar den Direktor nötigt, ein Kind auszuliefern, damit es von der Klasse aus verhaftet werden kann – da ist klar, dass es so nicht mehr geht." Eine Frau daneben nickt ernst. "Kinder gehören nicht ins Gefängnis" steht auf einer Tafel, die sie hält.
Christoph Weiss
Schließlich werden die Unterschriften an Nationalratspräsidentin Barbara Prammer überreicht, von Vertretern der NGOs wie Caritas, Diakonie und SOS-Kinderdörfer. Große Freude über die breite Solidarität zeigt Amnesty International Chef Heinz Patzelt. "Der Asyl- und Bleiberechtsirrsinn läuft seit Jahren und wird jedes Jahr ärger. Das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Als ich die Bilder von Polizisten mit großer Stahlramme und Sturmgewehr gesehen habe, die kleine Kinder abholen, war für mich der Punkt erreicht wo ich gesagt habe: Das kann's nicht sein, wenden wir uns noch einmal an die österreichische Bevölkerung - denn die Stimme der NGOs ist nicht stark genug. Herausgekommen ist jetzt eine ganz tolle Bewegung, die mich sehr hoffnungsvoll macht für die Zukunft."
Christoph Weiss
Auch BZÖ-Mandatar Peter Westenthaler ist gekommen. Für viele überraschend gratuliert er den AktivistInnen und bekennt sich zu einer Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung. Seine und die Ansprache des ÖVP-Klubchefs Karlheinz Kopf werden allerdings von "Pfui" und anderen Zwischenrufen gestört. Der ÖVP-Politiker bekennt sich grundsätzlich zum bestehenden Fremdenrecht, nur Härtefälle müsse man vermeiden: "Ich gehe persönlich davon aus, dass unsere Fremdenrechts- und Asylgesetze menschenrechtskonform sind (Zwischenrufe). Wir haben aber in der jüngsten Vergangenheit Fälle erleben müssen, in der Anwendung der Gesetze, die mit Menschlichkeit nichts zu tun haben."
APA/ANDREAS PESSENLEHNER
Die FPÖ war als einzige Parlamentspartei bei der Unterschriftenübergabe nicht vertreten. Für die Grünen forderte Bundesobfrau Eva Glawischnig eine sofortige Aufnahme der UN-Kinderrechtskonvention in die Verfassung: "Das mindeste, was jetzt alle parlamentarischen Fraktionen ihnen allen schuldig sind, ist Tempo." Und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer erklärte, was mit den an sie übergebenen Unterschriften jetzt passiert: "Die gehen in den Petitionsausschuss. Aus dem Petitionsausschuss müssen ja Vorschläge entwickelt werden, die dann auch im Plenum diskutiert werden."
Ob und wann die UN-Kinderrechtskonvention tatsächlich in der Verfassung verankert wird, liegt aber bei der Regierung, die Petition alleine hat keine rechtsverbindliche Wirkung und der Petitionsausschuss kann nur Vorschläge bereiten. Die Unterschriftenpetition "Gegen Unrecht" bleibt online und allein heute Vormittag sind schon wieder 500 neue Unterschriften dazugekommen.