Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Im Namen der Verfassung: Die Familie Zogaj muss das Land verlassen"

Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

14. 6. 2010 - 18:50

Im Namen der Verfassung: Die Familie Zogaj muss das Land verlassen

Ein Rückblick auf die rechtliche, gesellschaftliche und politische Odyssee der Familie Zogaj.

Heute hat der Verfassungsgerichtshof bestätigt, dass die Familie Zogaj ausgewiesen werden darf. Die politischen Reaktionen reichen von einer erfreuten Innenministerin, die ihre harte Linie bestätigt sieht, bis zur NGO Asyl in Not, die den Verfassungsgerichtshof für unfähig erklärt, die Menschenrechte zu schützen. Ein Rückblick auf die rechtliche und gesellschaftliche Odyssee der Familie Zogaj .

Familie Zogaj

APA / Manfred Fesl

Acht Jahre in Österreich

Noch 1999 gibt Österreich tausenden Kriegsflüchtlingen aus dem Kosovo Asyl. Zwei Jahre später reist der Kosovare Xhevat Zogaj illegal nach Österreich ein. 2002 flüchten auch seine Frau Nurje und die fünf Kinder nach Österreich. Die Asylanträge der Familie durchlaufen die Instanzen. Alles verläuft negativ inklusive Neuanträgen und Gnadengesuchen ans Innenministerium (Ansuchen um humanitären Aufenthalt). Die Zogaj Eltern arbeiten mittlerweile in Österreich und ein Teil der Kinder geht zur Schule.

Eskalation ums Bleiberecht

Plattform Bleiberecht

Bleiberechtdemonstration

In den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangt die Familie Zogaj im Herbst 2007. Die Fremdenpolizei holt den Vater und vier Kinder zu Hause und schiebt sie in den Kosovo ab, also zu einem Zeitpunkt, als sich die Familie bereits 5 Jahre lang in Österreich integriert hatte. Arigona taucht über eine Woche lang unter, droht per Video mit Selbstmord. Aufgrund ihres psychischen Zustandes werden Mutter und Tochter vorläufig bis Jahresende nicht abgeschoben. Bei Demonstrationen in mehreren österreichischen Städten wird ein Bleiberecht für die Zogajs und andere seit Jahren in Österreich lebende AsylwerberInnen gefordert. Das Thema Asyl und Integration bekommt in Österreich mit Arigona ein mediengerechtes Gesicht. Die wechselnden InnenministerInnen pochen seit damals darauf, dass das Gesetz einzuhalten sei und dass sich der Rechtsstaat nicht erpressen lassen dürfe. Bald schlägt die Stimmung in den Boulevarmedien und in weiten Teilen der österreichischen Bevölkerung um. Statt Mitgefühl kursierenVerleumdungen um die Familie Zogaj, nicht nur im oberösterreichischen Frankenburg. Aufgrund eines Entscheides des Verfassungsgerichtshofes muss die Regierung jedenfalls ein neues Bleiberecht ausarbeiten.

Ausweisung nach 8 Jahren Spießroutenlauf

Seit heute ist klar, dass die Zogajs in Österreich kein Recht bekommen, um hier zu bleiben. Heute hat der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass es verfassungskonform ist, die Zogajs des Landes zu verweisen. Er bestätigt als österreichische Höchstinstanz, was der Asylgerichtshof vorher entschieden hat. Dem Asylgerichtshof seien keine groben Verfahrensfehler unterlaufen. Im Falle einer Rückkehr in den Kosovo könne außerdem nicht davon ausgegangen werden, dass der Familie die Existenzgrundlagen enzogen seien.

Der VfGH gesteht Arigona zwar ein "hohes Maß an Integration" zu‚ aber nur weil sie sich "im Jahr 2004 einer von ihr nicht bekämpften und daher rechtskräftigen Ausweisung widersetzt hat." Daraus dürfe keine Rechtsanspruch entstehen. "Sie musste wissen, dass sie möglicherweise in Österreich nicht bleiben kann." 2004 war Arigona 12 Jahre alt.

Die Zogajs werden nun als nächstes von der Bezirkshauptmannschaft aufgefordert, das Land freiwillig zu verlassen. Rechtlich ist es nicht mehr zu verhindern, faktisch aber etwa durch eine plötzliche schwere Erkrankung. Innenministerin Maria Fekter hat heute gleich klar gemacht: "Wer nicht selbständig ausreist, wird von der Fremdenpolizei abgeschoben." Die Familie kann noch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Dieses Verfahren müssen die Zogajs aber vom Ausland aus führen.

Reaktionen

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Maria Fekter

Innenministerin Maria Fekter gibt sich erfreut, dass die Asylbehörden in ihrem Urteil bestätigt wurden. Der Bundeskanzler ließ verlautbaren, dass er sich zu Urteilen der Höchstrichter grundsätzlich nicht äußere. Bundespräsident Fischer, der wiederholt für den Verbleib von Arigona Zogaj plädiert hat, schweigt zum heutigen Urteil. FPÖ und BZÖ fordern die sofortige Abschiebung der Zogajs. Die Grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun ist enttäuscht und verlangt nach wie vor eine Lösung für den Verbleib der Familie in Österreich. Unisono mit NGOs wie Asyl in Not ist die Reaktion des steirischen Landeshauptmannes Franz Voves. Er spricht vom heutigen Richterspruch als eines der "menschenunwürdigsten und inhumansten Signale". Für Asyl in Not zeigt der Verfassungsgerichtshof einmal mehr, dass "er weder imstande noch willens ist, die Menschenrechte zu schützen."