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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

20. 10. 2010 - 16:45

Kennzeichen gecheckt

Auf den Autobahnen Niederösterreichs werden neue Kamerasysteme getestet. Sie sollen die Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge registrieren und überprüfen, ob es gestohlen wurde. Initiator Erwin Pröll ist dafür für einen Big Brother Award nominiert.

Big Brother Awards 2010

  • Big Brother is watching you!: Wenn die Realität die Dystopie überholt: Das Projekt INDECT strebt eine ständige und automatisierte Überwachung der Gesellschaft an.
  • Dein Drucker dein Spion: Lexmark bietet dir einen schönen Tausch: Fünf Jahre Garantie auf den neuen Drucker für deine Daten.
  • Kennzeichen gecheckt: In Niederösterreich werden neue Kamerasysteme getestet, die Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge registrieren und überprüfen.

Die Big Brother Awards 2010 werden am 25. Oktober im Rahmen einer Gala im Wiener Rabenhof vergeben.

Zum Wohle der Sicherheit hatte Erwin Pröll Anfang des Jahres einen kühnen Plan: Warum nicht die Überwachungsvideos, die die ASFINAG auf der Autobahn anfertigt, für die Verbrechensbekämpfung verwenden? Gesagt, getan. Die Politiker auf der ÖVP-Klausur waren sich schnell einig und auch Infrastrukturministerin Doris Bures von der SPÖ war grundsätzlich mit dem Vorschlag einverstanden. Nur die ASFINAG stellte sich etwas quer: Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfe sie die Daten nicht weitergeben. Außerdem wäre die Qualität der Videos zu gering, Kennzeichen könnten mit den bisherigen Kameras nicht korrekt erfasst werden.

Doch davon lässt sich Erwin Pröll nicht abhalten. Gemeinsam mit Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) startet er einen Pilotversuch auf niederösterreichischen Autobahnen. Kamerasysteme des Innenministeriums werden hierbei auf Überkopftafeln der ASFINAG montiert. Seit Anfang dieses Monats sind an zwei Autobahnabschnitten hochauflösende Kameras aufgestellt, die an das EKIS, das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem des Innenministeriums, angeschlossen sind. Automatisch werden die Kennzeichen aller vorbeifahrenden Fahrzeuge erfasst und mit den Datenbanken der Polizei abgeglichen. Sollte nach einem Kennzeichen gefahndet werden, da es zum Beispiel gestohlen wurde, wird das registrierte Kennzeichen gespeichert und an die nächste Landesleitzentrale weitergeleitet und die Verfolgung durch den Streifendienst aufgenommen. Die genauen Standorte der Kamerasysteme bleiben geheim - aus kriminaltaktischen Gründen.

Erwin Pröll und Maria Fekter

APA/HERBERT NEUBAUER

"Hier wird ein sehr effektives Überwachungssystem installiert"

Peter Purgathofer ist Professor an der TU Wien und Mitglied der Big Brother Awards Jury. Er meint, dass die neuen Kameras nicht praxistauglich sind und die erhobenen Daten zum Missbrauch einladen. Für die Autodiebe ist es leicht, die Kamerasysteme zu umgehen: Einerseits dauert es oft Stunden, bis gestohlene Fahrzeuge im EKIS registriert werden. Die meisten Autodiebstähle geschehen in der Nacht, erst am nächsten Morgen bringen die Besitzer den Diebstahl zur Anzeige. Bis dahin sind die flüchtenden Autodiebe längst durch Niederösterreich durchgefahren und haben das Land verlassen. Andererseits können Autodiebe die Registrierung durch die Kameras ganz einfach umgehen, indem sie zum Beispiel das Nummerntaferl wechseln, oder nicht auf der Autobahn, sondern beispielsweise auf der Bundesstraße durch Niederösterreich fahren.

Rudolf Gollia, Pressesprecher des Innenministeriums, weiß, dass man die Kamerasysteme leicht umgehen kann. Dennoch hält er sie für eine geeignete zusätzliche Möglichkeit, die Kriminalität zu bekämpfen und Autodiebe schneller zu verfolgen. Da Autodiebe mit dem gestohlenen Fahrzeug möglichst schnell ins Ausland wollen, konzentriere man sich zunächst auf die Autobahnen. Anfang November werden die Testergebnisse des einmonatigen Pilotversuchs veröffentlicht. Sollten die kennzeichenregistrierenden Kameras positiv abschneiden, könnte das System bald auf ganz Österreich ausgeweitet werden.

Die Kamerasysteme entsprechen laut Rudolf Gollia den datenschutzrechtlichen Vorgaben. Nur die Kennzeichen, die einen positiven Treffer in den polizeilichen Datenbanken hervorrufen, würden gespeichert und weitergeleitet.

Peter Purgathofer warnt dennoch davor, leichtfertig die Daten zu erheben. "Es ist eine sehr gefährliche Angelegenheit, von Millionen von Autos den Aufenthaltsort festzustellen [...] Hier wird ein sehr effektives Überwachungssystem installiert, wo Daten entstehen, nach denen sich alle die Finger abschlecken, zum Beispiel Versicherungen, weil sie nach Autos suchen, deren Versicherungsprämie nicht bezahlt sind, und hier muss man sich natürlich die Frage stellen, ob es Aufgabe des Staates ist, Systeme bereitzustellen, die genau dazu in der Lage sind. [...] Sind die Daten erst einmal da, steht einer weiteren Verwertung nichts mehr im Wege, außer der Aussage des Innenministeriums, dass sie ausschließlich zur Kriminalitätsbekämpfung verwendet werden."