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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

17. 10. 2010 - 15:27

Big Brother is watching you!

Wenn die Realität die Dystopie überholt: Das Projekt INDECT strebt eine ständige und automatisierte Überwachung der Gesellschaft an.

INDECT ist ein Akronym für Intelligent Information System supporting Observation, searching and detection of citizens in urban environment

Selten hat ein Projekt, das für die Big-Brother-Awards nominiert wurde, so stark an den Überwachungsstaat aus George Orwells "1984" erinnert, wie das Projekt INDECT. Das aus EU-Geldern finanzierte Projekt arbeitet nämlich an einem universellen Überwachungsinstrument, das alle bereits bestehenden Überwachungsinstrumente miteinander verknüpfen soll: Videokameras, Datenbanken, spezialisierte Internet-Suchmaschinen, biometrische Gesichtserkennung, Drohnen und Sensorsysteme.

Big Brother Awards 2010

  • Big Brother is watching you!: Wenn die Realität die Dystopie überholt: Das Projekt INDECT strebt eine ständige und automatisierte Überwachung der Gesellschaft an.
  • Dein Drucker dein Spion: Lexmark bietet dir einen schönen Tausch: Fünf Jahre Garantie auf den neuen Drucker für deine Daten.
  • Kennzeichen gecheckt: In Niederösterreich werden neue Kamerasysteme getestet, die Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge registrieren und überprüfen.

Die Big Brother Awards 2010 werden am 25. Oktober im Rahmen einer Gala im Wiener Rabenhof vergeben.

Indect soll die Sicherheit der EU-BürgerInnen erhöhen, wie es auf der offiziellen Website heißt:

INDECT aims at developing tools for enhancing security of citizens and protecting confidentiality of recorded and stored information. INDECT targets crimes both in virtual (e.g. Internet child pornography, promotion of totalitarian symbols, trafficking in human organs,spread of botnets, viruses, malware) and real environments (e.g. terrorism, hooliganism, thievery). Furthermore, INDECT targets also threat detection (e.g. fire, artificial crowd, abandoned luggage, and people on rails).

Wie Indect einmal funktionieren soll, sei an zwei Beispielen verdeutlicht:

  • Jemand postet ein Drohvideo im Web. Die Person wird durch das Verknüpfen von Datenbanken identifiziert. Ihr Aussehen kennt man von Ausweisfotos. Mit Hilfe von Überwachungskameras wird sie gesucht und PolizistInnen können sie mit tragbaren Geräten verfolgen.
  • Oder wie im polnischen Werbevideo zu Indect, das zeigt, wie Kameras einen Kriminellen erfassen, sein Gesicht scannen und es mit Datenbanken aus dem Internet abgleichen. Fast in Echtzeit liefert ein Computer Name, Alter, Fingerabdrücke und weiter persönliche Informationen des Täters. Die Polizei kann ihn schnell fassen.

Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit haben in letzter Zeit oft Einschnitte in die Privatsphäre mit sich gebracht. Beim Projekt Indect ist dies nicht anders. Indect läuft auf verschiedenen Ebenen ab. Computerprogramme suchen das Netz nach auffälligem Verhalten ab und intelligente Kamerasysteme sollen potentielle Gefahren im öffentlichen Raum erkennen.

Wand, auf der "one nation under CCTV" steht

public domain

An letzterem arbeitet auch das Institut Electronic Engineering der FH-Technikum Wien. Studiengangsleiter Christian Kollmitzer wurde in der Kategorie Behörden und Verwaltung für den Big-Brother-Award nominiert. Sie wollen Kamerasystemen beibringen, Objekte in Bildern und in späterer Folge gefährliche und lebensbedrohliche Situationen zu erkennen. Wenn sie eine Gefahr ausgemacht haben, würden sie die Sicherheitsbehörden alarmieren. Als Beispiel nennt Kollmitzer den Sturz einer Person auf Bahngleise.

Diese Furcht versuchen die Projektleiter zu entkräften: "INDECT is a research project. The list of objectives DOES NOT include ANY kind of global monitoring of ANY society."

Bürgerrechtsorganisationen sehen allerdings ein großes Missbrauchspotential in Indect. Denn mit Indect wird praktisch die ganze Bevölkerung beobachtet und als potentiell verdächtig eingestuft. Indect ist nicht nur ein Instrument zur Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung, sondern auch ein Mittel zu deren Prävention. Es dient der Gefahrenabwehr. Doch wer definiert, was eine gefährliche Situation ist und was nicht? Wer könne schlussendlich garantieren, dass Indect nicht auch gegen unbequeme DemonstrantInnen eingesetz wird, wie etwa die deutsche Piratenpartei in einem Video befürchtet.

Plakat mit Überwachungskamera

public domain

Ein Ethikrat soll verhindern, dass Indect in Konflikt mit europäischen Datenschutzgesetzten gerät, aber die Besetzung dieses Ethikrats ist mehr als fragwürdig. Die meisten seiner Angehörigen sind direkt am Projekt beteiligt, entweder als potentielle Endnutzer (Polizisten) oder Hersteller (Sicherheits- und Mulitmediaindustrie). So wundert es nicht, dass sich der Ethikrat mehr um PR-Angelegenheiten, als um die ethischen Fragen des Projekts kümmert.

Christian Kollmitzer rechtfertigt die Teilnahme der FH Technikum Wien an Indect übrigens auch damit, dass das Projekt auf den Grundrechten basiert und vom Ethikrat überwacht wird: "Das Institut Electronic Engineering nimmt an einem EU-Forschungsprojekt teil, das bereits im Genehmigungsverfahren eingehend im Hinblick auf Datenschutz untersucht wurde und laufend von einer Ethik-Kommission begleitet wird."

Falls er am 25. Juli im Wiener Rabenhof-Theater mit dem Big-Brother-Award ausgezeichnet werden würde, müsste er sich wohl noch einmal Gedanken zur ethischen Dimension des Projektes machen.