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Roland Gratzer

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18. 9. 2010 - 17:07

Doch-nicht-Kandidaten und alte Schlachtrösser

Die steirischen Grünen besinnen sich auf ihren Ursprung und demonstrieren mit verärgerten Anrainern gegen die Wiederinbetriebnahme eines Kohlekraftwerks.

Steiermarkwahl 2010
Am 26. September wird in der Steiermark ein neuer Landtag gewählt. FM4 berichtet vor Ort von den Wahlkampfveranstaltungen der jeweiligen Parteien und beleuchtet das Viertel, in dem die Wahlkampfveranstaltungen stattfinden.

Stetig tropft der Dauerregen auf die weststeirische Bezirkshauptstadt Voitsberg nieder. Die Straßen sind leer, im Nebel erscheint die Silhouette der alten Burgruine und am Bahnhof tummeln sich die Jugendlichen, die mit der stündlichen S-Bahn ins nahe Graz fahren. Die Region hat alles, was eine zünftige Tourismusregion braucht: In Piber reifen die Lippizaner, in den Buschenschänken kommt der bereits gereifte Wein an den genussorientierten Kunden. Doch ein Monster-Bauwerk stört die weststeirische Idylle. "Die Gäste glauben, wir haben hier ein Atomkraftwerk", beschwert sich der Tourismus-Chef der Region. Auch wenn der Meiler so aussieht: In Wahrheit ist es ein 2006 stillgelegtes Dampfkraftwerk, das die Voitsberger aufregt. Der nicht ganz unbekannte Investor Mirko Kovats hat das Areal vor zwei Jahren gekauft und will es als Steinkohlekraftwerk wieder in Betrieb nehmen.

Das hat viele Protestorganisationen auf den Plan gerufen. Statt den verregneten Samstag gemütlich zu Hause zu genießen, stehen sie mit Gummistiefeln und Regenschirm bereit, um lautstark gegen die Inbetriebnahme zu protestieren, die laut Behörden nicht einmal eine Umweltverträglichkeitsprüfung braucht.

Protestplakat gegen Kraftwerk ÖDK III

Die Grünen Steiermark

Alle wollen auf die Bühne

Weil in einer Woche die Landtagswahl ansteht, wollen alle Parteien mit dabei sein. KPÖ und die Christenpartei haben sogar ihre Spitzenkandidatinnen geschickt, um auf der improvisierten Bühne, vulgo Traktoranhänger, zur durchnässten Menge zu sprechen. Ein kurzer Blick auf die Luftballons macht aber schnell klar, welche Partei hier ihr Heimspiel hat. Als Hauptredner klettert Werner Kogler auf den Anhänger und will klarmachen, welche Partei immer schon gegen dieses Kraftwerk war, nämlich die steirischen Grünen.

So wohl wie auf dieser Demonstration dürften sich die Grünen in den letzten Monaten aber nicht gefühlt haben. Erst kürten sie letzten September - für viele überraschend - den Kabarettisten Jörg Martin Willnauer zu ihrem Spitzenkandidaten. Der hat es aber nicht lange ausgehalten und nach wenigen Monaten erklärt, dass Kunst und Politik doch nicht das gleiche sind. Die Grazer Vize-Bürgermeisterin Lisa Rücker wollte den Job auch nicht machen, also blieb der Partei nichts anderes übrig, als ihr altgedientes Schlachtross Werner Kogler wieder von Wien in die Steiermark zu holen.

Werner Kogler

Die Grünen Steiermark

"I muaß ham über'n Semmering"

"Ich bin ein alter Wahlkämpfer", erklärt der mit der Demo zufriedene Spitzenkandidat. Sein Amt als zweiter Stellvertreter von Bundeschefin Eva Glawischnig würde er aber auch im Falle einer Regierungsbeteiligung in der Steiermark nicht aufgeben. "Die Bundespolitik von SPÖ und ÖVP ist für diesen Wahnsinn in Voitsberg verantwortlich. Hier herunten geben sie sich widerständig, aber die Bundespolitik macht diese Gesetze". Ein Mandat in Graz und eines in Wien birgt also keine zeitlichen Überschneidungen. Sein Angebot an SPÖ oder ÖVP (je nachdem, wer gewinnt), ist aber klar: Die Grünen wollen in die Landesregierung. Nicht zuletzt deshalb, damit es nicht die wiedererstarkte FPÖ wird. Die dafür nötige Expertise will sich die Partei in Oberösterreich und natürlich in Graz holen, wo die Grünen bereits seit Jahren mitregieren.

Dieses Vorhaben ist aber schwer zu erreichen. Zwar haben die Freiheitlichen in den letzten Wochen einiges in den Umfragen eingebüßt, der dritte Platz scheint aber sicher. Sollten sie es in die Proporz-Regierung schaffen, könnten sie sogar bestimmen, wer Landeshauptmann wird. Deshalb gab es in diesem Wahlkampf kaum böse Worte von ÖVP und SPÖ. Wenn schon alles so knapp ist, will man doch nicht den potentiellen Königsmacher verstimmen.

Protestkundgebung

Die Grünen Steiermark

Wenn alle Stricke reißen, hilft nur mehr ein Sit-In

Der überparteiliche Konsens auf der Kundgebung in Voitsberg ist überrachend. Die Grünen wollen sich die Bühne aber nicht nehmen lassen und erinnern daran, dass sie nach anfänglicher Eintracht schon oft von den Großparteien verraten worden seien: "Ich habe ja meine Erfahrungen. Ganz so unbegründet ist der Verdacht nicht", warnt Kogler daran zu glauben, dass im Fall ÖDK III tatsächlich parteiübergreifende Einigkeit herrscht. Kogler sichert den Anrainern jedenfalls zu, bis zum letzten Atemzug gegen das Kraftwerk zu kämpfen: "Am Schluss kommt es darauf an, dass wir soviel Zivilcourage haben, uns wirklich hierher zu setzen. Wir werden das auf uns nehmen, darin sind wir geschult, darin sind wir erprobt und darauf könnt ihr euch verlassen."

Schlot

Die Grünen Steiermark

Die Besucher stimmen ihm großteils zu. Hauptsächlich vertreten sind junge Familien und Senioren. Auch wenn sich derzeit alle Parteien mit Umweltschutz und der neuen Modephrase "Wir wollen Green Jobs" schmücken, die echte Umweltpartei seien immer noch die Grünen, lautet der allgemeine Konsens im Schatten des Kraftwerks.

Viel Zeit für persönlichen Kontakt und klassischen Wahlkampf bleibt aber nicht. Nach einer schnell aufgestellten Menschenkette für die anwesenden Fotografen ("Passt das den Medien so?") gehen die tapferen Demonstranten nach Hause und das grüne Wahlkampfteam fährt mit Autos nach Graz zurück. Die wiederum fahren natürlich mit Ökostrom.