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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

25. 9. 2010 - 12:58

"Schaut, dass ich keine vierte Karriere beginnen muss"

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPÖ und ÖVP bei den Landtagswahlen in der Steiermark: Wenige Tage vor der Wahl versucht Landeshauptmann Franz Voves letzte Stimmen in der 1400-Seelen-Gemeinde Tieschen zu sammeln.

Steiermarkwahl 2010
Am 26. September wird in der Steiermark ein neuer Landtag gewählt. FM4 berichtet vor Ort von den Wahlkampfveranstaltungen der jeweiligen Parteien und beleuchtet das Viertel, in dem die Wahlkampfveranstaltungen stattfinden.

Knapp eine Woche vor der Steiermarkwahl macht SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves Wahlkampf in Tieschen, einer kleinen Gemeinde im Südosten der Steiermark. Weniger als 1400 EinwohnerInnen zählt das beschauliche Örtchen. Trotzdem zieht die SPÖ hier alle Register des kleinen Wahlkampf-Einmaleins. Am frisch sanierten Marktplatz wird eine Bühne aufgebaut, drei Kameras sollen das Getummel filmen und auf die große Vidiwall bringen. Kleine Kinder lassen sich schminken und fahren digitale Autorennen in nachgebauten Gocarts. Die jungen Paldauer spielen eigens komponierte SPÖ-Wahlkampfsongs wie "Gemeinsam weiter für die Steiermark. Gemeinsam weiter mit Franz Voves".

Als Wahlgeschenk gibt es eine eigene SPÖ-Styria-Version des Brettspiels Activity und für 3,50 Euro kann scheinbar jeder einen Teil des Landeshauptmanns zu sich nehmen. SPÖ-Eucharistie durch den saftigen FranzBurger.

Alex Wagner, FM4

Alex Wagner, FM4

Die jungen Paldauer geben musikalische Wahlkampfhilfe

Bei geschätzt 200 bis 300 BesucherInnen, die sich das SPÖ-Treiben in Tieschen nicht entgehen lassen wollten, stellt sich die Frage, ob Franz Voves nicht eher an einem belebteren Ort hätte Wahlkampf machen sollen. "Der persönliche Kontakt zum Wähler ist wichtig, weil abgehobene Politiker haben wir ja genug, die irgendwo im goldenen Tempel sitzen. Die brauchen wir nicht", meint einer der anwesenden SPÖ-Sympathisanten. Und doch: Die Ortsgemeinde Tieschen ist nicht zufällig ausgewählt worden, ist sie doch eine der wenigen roten Gemeinden im tiefschwarzen Bezirk Bad Radkersburg. "Es ist schwer hier, ganz schwer", seufzt ein SPÖ-Regionalpolitiker vor Ort. In Tieschen regiert seit längerem SPÖ-Bürgermeister Martin Weber, der nun selbst darum kämpft, erstmals in den Landtag einzuziehen. Voves gibt Weber Flügelhilfe.

Tieschens SPÖ Bürgermeister Martin Weber

FM4 / Alex Wagner

Bürgermeister Martin Weber freut sich, für uns arbeiten zu können - mit eigener Autogrammkarte

Gut so. Weiter so.

Als Franz Voves die Bühne betritt, ist die Stimmung ausgelassen. Voves ist in Tieschen gern gesehen. Minutenlang referiert er, welche Entwicklungen er für die Steiermark gebracht hat. Kurz zusammengefasst: Er habe nichts versprochen, was er nicht auch gehalten habe und so solle es die nächsten fünf Jahre auch weitergehen. Um den Haushalt zu konsolidieren und die Schulden aufzufangen, die im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden sind, will er eine Reichensteuer einführen.

"Wer sind die wirklichen Sozialschmarotzer? Das sind Investmentbanker, das sind Spekulanten und das sind multinationale Konzerne [...]. Es sind Milliarden von volkswirtschaftlichen Vermögen vernichtet worden. Und Millionen von Menschen sind weltweit arbeitslos geworden. Und wenn's jetzt darum geht, wie wir unseren Haushalt und unsere Schulden konsolidieren, dann sollen verdammt noch mal die brennen, die uns das eingebrockt haben und nicht die, die nichts dafür können.", meint Voves volksnah. "Es ist eine unglaubliche Schieflage. Zehn Prozent der Österreicherinnen und Österreicher halten sechzig Prozent vom Finanz- und Immobilienvermögen in Österreich. Und ich glaub', jetzt ist der Solidaritätsbeitrag endgültig mal verlangt von denen, die superreich und supervermögend sind."

Dass zwischen Franz Voves und dem Spitzenkandidaten der ÖVP, Hermann Schützenhöfer, eine offene Fehde herrscht, ist nicht erst seit den ORF-Konfrontationen von vergangenem Mittwoch bekannt. Schützenhöfer hat bei diesem TV-Duell als beste Eigenschaft, die er an Franz Voves schätzt, die Handschlagqualität genannt, die Voves früher hatte. Daraufhin erwiderte Franz Voves, Hermann Schützenhöfer würde seinen Bürgermeistern 75 Millionen Euro schriftlich versprochen haben, die Schützenhöfer gar nicht habe. Die Stimmung zwischen den beiden Großparteien war schon einmal besser. Gegenseitig werfen sie sich vor, im Landtag wichtige Entscheidungen zu blockieren.

Dank des Proporzsystems hätte die SPÖ aber auch nicht allein abstimmen können. Rund 95 % aller Beschlüsse sind gemeinsam mit der ÖVP getroffen worden.

Bei der Wahlkampfveranstaltung in Tieschen ist Franz Voves nur am Rande auf die schlechte Beziehung zu Schützenhöfer eingegangen: "Irgendwer hat dem lieben Herrmann Schützenhöfer eingeredet, dass die ÖVP nur dann 2010 wieder den Landeshauptmann bekommt, wenn ich schlecht aussehe. Jetzt sag ich euch was: Die haben nicht blockiert. Sondern sie haben nur die drei Wochen, die in der Regierung möglich sind, bis ein Beschluss gefasst werden muss, mit den Medien genutzt, zuerst die Sachen schlecht zu machen und dann zuzustimmen. Alles, was ich euch aufgezählt habe, von der Infrastruktur über die Forschung über die Bildung, die neue Mittelschule, Wohnbeihilfe neu bis zum neuen Gratiskindergarten, wir haben alles letztlich gemeinsam und einstimmig beschlossen. Aber das Bild sollte herumkommen, dass nix weiter geht. Es ist aber viel weitergegangen."

Alex Wagner, FM4

Quereinsteiger Voves

Bevor Franz Voves in die Politik gegangen ist, hatte er bereits eine Karriere als Eishockeyspieler in der österreichischen Nationalmannschaft hinter sich. Er wurde mit dem ATSE Graz österreichischer Eishockeymeister und nahm an sieben Weltmeisterschaften und an den Olympischen Winterspielen teil. Außerdem studierte Franz Voves Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als Manager in der Merkur-Versicherung. Doch seine Wurzeln hat er nicht vergessen, wie Voves in Tieschen beteuert: "I bin a Arbeiterbua, ich kum aus Zimmakuchl zu fünft. Klo, Wasser, am Gang draußen. Es war nicht immer leicht. Und der Vater hat an zwei Stellen als Dreher 33 Jahre gearbeitet, damit alle drei Buam zumindest studiern konnten. [...] Ich hab unglaubliches Glück gehabt, ich bin Manager worden. Viele Freunde sagen heute noch zu mir: Sag amal, hast an Vogel? Wieso bist du aus der Superhackn in die Politik gegangen? [...] Ich möchte heute was zurückgeben dorthin, wo ich hergekommen bin."

Nach knapp einer Stunde - in der man sich wie bei einem Frontalunterricht in der Schule vorgekommen ist - wollte Franz Voves inhaltlich doch nicht mehr auf die zwölf Maßnahmenpunkte eingehen, die in großen Lettern links und rechts der Bühne zu lesen waren. Das würden wir sowieso in den nächsten Tagen noch in der Zeitung erfahren, wo wir doch schon so lange aushalten mussten, bei dem schlechten Wetter. Im Anschluss an Voves Rede stehen die BesucherInnen auf und klatschen Beifall. Bürgermeister Martin Weber übergibt Voves ein rosa Marzipanschwein, das solle ihm Glück bringen. Und zum Abschluss greift Franz Voves selbst zur Gitarre und trällert - in Verstärkung der jungen Paldauer - zwei steirische Volkslieder, ehe er jeden Tisch besucht, Hände schüttelt und ein Foto schießen lässt. Voves weiß, wie er in Tieschen gut ankommt. "Er ist so ein richtiger Volksmensch. Er hat unsere steirische Sprache, die wir hier sprechen. Er hat 'Tierschen' gesagt, das ist ortsüblich. Tieschen wird’s nur geschrieben.", meint ein älterer Herr, der nach Hause geht, als Voves Rede zu Ende ist.

Alex Wagner, FM4

Franz Voves mit Gitarre auf der Vidiwall in Tieschen

FM4 / Alex Wagner

Wer in Tieschen geboren wurde, will auch hier sterben

Die BürgerInnen schätzen Voves, weil er sich schon öfter für die Bedürfnisse der Tieschener eingesetzt hat. Eine Frau erzählt, dass Franz Voves gemeinsam mit dem Bürgermeister Martin Weber einen Arbeitsplatz für ihre Tochter gesucht und gefunden hat. "Das hat super geklappt. Und ich freue mich für die Tochter, dass sie den Job gekriegt hat, weil sie ist Lehrerin, hat lange keinen Job bekommen, und jetzt ist sie angestellt als Volksschullehrerin, und des find ich schon supertoll und ist mir richtig ans Herz gegangen."

In der kleinen Ortsgemeinde Tieschen kennt jeder jeden. Man hilft sich gegenseitig bei der Kürbisernte oder wenn der Nachbar ein Haus baut. Selbst die Jugendlichen wollen später nicht wegziehen. Zwei Beachvolleyballplätze, Tennisplätze, ein Kinderspielplatz, ein Freibad, eine Tankstelle und das neu errichtete Jugendgästehaus halten sie davor ab, in eine Großstadt abzuwandern. "Ich kann mir nicht vorstellen, was es in Tieschen nicht gibt.", meint eine Anrainerin. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

Alex Wagner, FM4

Steiermarkwahl 2010

Die Steiermarkwahlen auf FM4
FM4 berichtet am 26. September 2010 den ganzen Tag in verlängerten Nachrichtensendungen von der Landtagswahl in der Steiermark.

60 Jahre hat die ÖVP in der Steiermark regiert. Bis 2005 die SPÖ zum ersten Mal vorbeiziehen konnte. Bisherige Prognosen bei der Steiermarkwahl 2010 zeigen, dass die SPÖ mit der ÖVP in etwa gleichauf liegt. Es wird also spannend, wer am Sonntag die Wahl gewinnen wird. Und ob Franz Voves mit seinem Wahlkampfauftritt in Tieschen die nötigen Wählerstimmen einfahren konnte, um der ÖVP eine Nasenspitze voran zu sein. Sollte er am 26. September nicht wiedergewählt werden, hat Voves bereits seinen Rückzug aus der Politik bekanntgegeben. "Schaut, dass ich keine vierte Karriere beginnen muss", witzelt Voves zum Abschluss. Ganz so unbegründet ist diese Befürchtung aber nicht.