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Roland Gratzer

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22. 9. 2010 - 11:22

"Es wird knapp, sehr knapp."

Mit einem bombastischen Volksfest will die steirische ÖVP nach fünfjähriger Abstinenz wieder die Nummer eins werden. Maria Fekter und die Stoakogler inklusive.

"Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein sehr umgänglicher Typ bin". Großes Gelächter, johlender Applaus. Maria Fekter hat das mit rund eintausend Leuten vollgestopfte Kulturzentrum in Feldbach fest im Griff. Auch Lokalkolorit darf nicht fehlen: "Ich bin sehr gern in Feldbach. Wisst ihr warum? Weil Feldbach in Sicherheitsfragen der beste Bezirk in der ganzen Steiermark ist!" Mit der Faust hämmert sie auf den kleinen Stehtisch und löst damit den nächsten Beifallssturm aus. Die zwanzigminütige Doppel-Conference mit dem recht bekannten Fernsehmoderator Peter Rapp ist als Ouvertüre eines regelrechten Volksfestes inszeniert. Noch einmal schnell an einem Preisrad gedreht, das damit gewonnene ÖVP-Goodie eingesteckt, um schnell die Bühne für den wichtigsten Redner der Wahlkampfveranstaltung zu räumen.

Peter Rapp und Maria Fekter

ÖVP Steiermark

Ein bekannter TV-Moderator, eine lustige Innenministerin und buntes Goodie-Glücksrad.

Steiermarkwahl 2010
Am 26. September wird in der Steiermark ein neuer Landtag gewählt. FM4 berichtet vor Ort von den Wahlkampfveranstaltungen der jeweiligen Parteien und beleuchtet das Viertel, in dem die Wahlkampfveranstaltungen stattfinden.

Die Halle erhebt sich und erhöht das Spieltempo der heimischen Blaskapelle mit rhythmischem Klatschen. Hermann Schützenhöfer betritt die Halle und schüttelt jede Hand, die es in sein Blickfeld schafftt. Auf der gänzlich in grün-weiß gehalteten Bühne noch schnell die einstudierten Gags mit dem Moderator abgespult, dann verwandelt sich die gute Stimmung in erwartungsvolles Schweigen. "Mach jetzt deine politische Rede", sagt Rapp bei seinem Abgang und Schützenhöfer stemmt sich mit beiden Händen auf das Rednerpult: "Es wird knapp, meine lieben Freunde, ganz knapp."

Kopf-an-Kopf Richtung Wahlzielgerade

Damit hat Schützenhöfer recht. Eine Woche vor der Wahl können sich die Demoskopen auf beiden Seiten der ideologischen Meinungsforschung nicht einigen, wer am 26. September die politerfahrene Nase vorne haben wird. Schafft es Franz Voves von der SPÖ wirklich, seinen angeblichen, hauchdünnen Vorsprung über die Wahlziellinie zu tragen oder holt Schützenhöfer nach fünf Jahren den Landeshauptmannposten wieder zurück in den Schoß der steirischen Volkspartei?

ÖVP Wahlkampf Feldbach

ÖVP Steiermark

Rund 1000 ÖVP-Sympathisanten aus dem Bezirk Feldbach lauschen ihrem Spitzenkandidaten.

Die "historische Wahlniederlage 2005" ist noch fest ins Gedächtnis der ÖVP gebrannt. Nach 60 Jahren war die Steiermark erstmals nicht mehr schwarz geprägt. Der Sieg der SPÖ war aber mehr eine Niederlage der damaligen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic. Interne Streitereien mit den beiden Landesräten Herbert Paierl und Gerhard Hirschmann (der vor fünf Jahren sogar mit eigener Liste angetreten ist), seltsame Vorgänge im landeseigenen Energiekonzern ESTAG und die etwas zu sehr zur Schau gestellte Freundschaft mit der in Finanzierungsfragen etwas kreativen Tierpark-Besitzerin Andrea Herberstein versetzte die ÖVP im Oktober 2005 in Schockstarre. Unter Tränen übergab Klasnic an Schützenhöfer, der es wieder richten sollte.

"Wir haben damals bemerkt, dass es rutscht. Und wenn's rutscht, dann rutschst. Wir haben verloren." Mit kaum hörbarer Stimme und begleitet von betroffenem Kopfnicken der versammelten Sympathisantenschar erinnert der, den die eigene Partei gerne "Schützi" nennt, gleich zu Beginn an den in vielen Parteiaugen als "Ausrutscher" gesehenen Wahlausgang.

Hermann Schützenhöfer

ÖVP Steiermark

Grün ist die Hoffnung auf das Umdrehen einer "historischen Niederlage".

In der Steiermark hat sich die Kronenzeitung übrigens auf der Seite der ÖVP positioniert und in einem der seltenen Leitaritkel von Chefredakteur Christoph Biro sogar eine de facto Wahlempfehlung für Schützenhöfer abgegeben.

Dieses Mal könnten die Vorzeichen nicht umgekehrter sein. Voves hat mit großen Streitereien in der eigenen Fraktion zu tun, die sogar zur quasi Auflösung der Grazer Stadtpartei geführt haben.

Seinen jahrelangen Mitstreiter Kurt Flecker hat er erst zum Landtagspräsidenten degradiert, bei der kommenden Wahl darf er nicht einmal mehr auf einer Liste stehen. Seit Monaten kritisiert die ÖVP seltsame Vorgänge in einer SPÖ-Stiftung. In der roten Gemeinde Zeltweg ist von einer Million Euro die Rede, die die Bediensteten dort veruntreut haben sollen. Bei aller Unschuldsvermutung, die hierzulande ja für jeden gilt: Bei all diesen Baustellen müsste Schützenhöfer eigentlich nur zusehen, wie sich sein Koalitionspartner und aktueller Hauptgegner selbst zerfleischt.

Authentische Aufsteigergeschichte ohne Showtalent

Dass das trotzdem nicht passiert, basiert auf der Persönlichkeitsstruktur der beiden Kontrahenten. "Der Voves ist halt ein sportlicher und jugendlicher Typ", beklagt ein JVPler in Feldbach. In der Tat hat Voves' große Showqualitäten. Er greift auf der Bühne zur Klampfe, stimmt ein paar Lieder an und hat kulturgeschichtlich einprägsame Sage wie "Nimm' da a Cola und schleich' di!" im Repertoire. Schützenhöfer will auch so sein, scheitert aber am eigenen Naturell. Seine Reden sind gut geschrieben, ihm versagt in den richtigen Momenten die Stimme und seine Aufsteigergeschichte aus armem Haus ist und wirkt auch authentisch. Aber die Gabe, in den richtigen Momenten den richtigen Gag mit der richtigen politischen Botschaft zu machen, die fehlt ihm.

Hermann Schützenhöfer

ÖVP Steiermark

Schützenhöfer hat laut eigenen Angaben "nie vergessen, wo er herkommt."

Bei fast jeder Gelegenheit erzählt Schützenhöfer die Geschichte von seinem Vater. Dieser war arbeitslos, weil er sich geweigert hatte, der sozialistischen Gerwerkschaft beizutreten.

Dieses Manko versucht das ÖVP-Management durch eine bombastische Sause auszugleichen. Neben der Blasmusik hat auch eine gewisse Band namens Steirerstoark ihren Auftritt. "Ihr kennt mich sicher aus Starmania", sagt einer der Sänger. "Ich bin die, die bei Kommissar Rex die Titelmelodie gesungen hat", erklärt seine Nachbarin und erntet erstaunte Gesichter im Publikum. Das Design der Wahlparty könnte auch für jede andere Partei passen. Die steirischen Landesfarben sind omnipräsent, dezidierte Parteilogos muss man extra suchen. Das jahrzehntelange Copyright auf Insignien wie den steirischen Wappenpanther scheint sich die ÖVP trotz zweitem Platz nicht nehmen zu lassen.

Best of Parteiprogramme

Auch thematisch will Schützenhöfer "die Vielfalt der Steiermark" ansprechen. Wie die Grünen will er in die nach wie vor ominösen Green Jobs investieren und energieautark werden. Wie die SPÖ will der Arbeitersohn Schützenhofer Jobsicherheit und Lehrlingshilfen. Und wie die FPÖ meint er, "dass der, der zu uns kommt, deutsch lernen und sich den demokratischen Gesetzen und kulturellen Gegebenheiten unterordnen muss". Klassische ÖVP-Zutaten in der Themensuppe sind der steuerliche Schutz des Mittelstandes und die Kausalkette "Wirtschaft gut - Alles gut".

Worauf nicht oft genug hingewiesen werden kann: Aufgrund des steirischen Proporz-Systemes sind die beiden Großparteien ohnehin zur Zusammenarbeit verdammt. Wer die Zwangsregierung allerdings als Landeshauptmann anführt, könnte die FPÖ entscheiden. Deshalb haben weder Voves noch Schützenhöfer diese Variante bisher abgelehnt.

Bei einigen Themen bricht spontaner Jubel in der Halle aus. Feldbach ist nicht nur Schützenhöfers Heimatbezirk, sondern seit Erfindung der Demokratie auch ÖVP-Homebase. Der oststeirische Bezirk ist landwirtschaftlich geprägt, akute Probleme der Region wollen den Anwesenden partout nicht einfallen. "Der Autobahnzubringer müsste halt endlich kommen. Aber sonst haben wir hier eigentlich keine Probleme", bringt es eine schon etwas ältere Stammwählerin auf den Punkt. Der ÖAABler Schützenhöfer vergisst natürlich nicht, die Bauern vor den "Angriffen der SPÖ" in Schutz zu nehmen, spricht aber lieber vom Milieu des kleinen Mannes, aus dem er selbst kommt und den er "nicht vergessen hat."

ÖVP Wahlkampf in Feldbach

ÖVP Steiermark

Parteifreunde dürfen "Schützi" sagen.

Ein Hendl mit harmonischem Klange

Nach vierzig Minuten hat der Spitzenkandidat die Themenpalette und den mehrmaligen Aufruf, am Sonntag auch wirklich zur Wahl zu gehen, fast hinter sich gebracht. Vor dem Grillhendlstand versammeln sich die ersten Hungrigen. Die Grillmeister müssen die Menge, die mit etlichen einen Euro teuren Essensgutscheinen ausgestattet sind, noch ein wenig zurückhalten: "Bevor die Rede aus ist, gibt's nix zum Essen."

Schützenhöfer erklärt zum Schluss noch einmal, worum es ihm eigentlich geht: "Wenn wir den Menschen sagen, dass es uns ums Land geht, sind wir dort, wo eine Partei hingehört. In der Heimat, im Hausverstand und in der Wirtschaft. Wer da vorne ist, hat die Nase bei den Menschen vorne." Das in solchen ideologischen Kreisen etwas deplatziert wirkende "Glück auf" geht im Jubel der versammelten Menge unter.

Aus der kommen zu guter Letzt noch die "Überraschung", die Rapp versprochen hat. Für drei Superhits haben sich die Stoakogler aus der Gasen angesagt. Das Mitklatschen wird zusehens schwerer. Aber so ein Hendl macht halt auch wirklich fettige Finger.

Stoakogler
ÖVP Wahlkampf
Feldbach

ÖVP Steiermark

Die Stoakogler sind so berühmt, die können sogar ganz ohne Mikros spielen.