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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

14. 9. 2010 - 16:53

Die steirische KPÖ am Scheideweg

Landtagswahl in der Steiermark: Kann die neue KPÖ-Spitzenkandidatin Claudia Klimt-Weithaler in die Fußstapfen ihres Vorgängers Ernest Kaltenegger treten?

Steiermarkwahl 2010
Am 26. September wird in der Steiermark ein neuer Landtag gewählt. FM4 berichtet vor Ort von den Wahlkampfveranstaltungen der jeweiligen Parteien und beleuchtet das Viertel, in dem die Wahlkampfveranstaltungen stattfinden.

Am Samstag fand im Grazer Stadtbezirk Gries das alljährliche Volkshausfest der KPÖ statt. Unter roter Kommunistenflagge wurde es knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl in der Steiermark mehr denn je zur Wahlkampfveranstaltung. Bei der Tombola wurden Bücher, wie "90 Jahre KPÖ" oder Marx' "Kapital" ebenso verlost, wie Ferngläser oder Flat-Screen-TVs. Ein Hauch Kapitalismus bei den steirischen Kommunisten. Nebenbei wird um jede Stimme gekämpft. Die Preisverleihung übernimmt der ehemalige Spitzenkandidat Ernest Kaltenegger selbst und bittet die GewinnerInnen auf die Bühne.

Alt-KPÖ-Chef Ernest Kaltenegger und Stadträtin Elke Kahr

FM4 / Alex Wagner

Ernest Kaltenegger: "Mit diesem Fernglas kann man in die Zukunft sehen. Man sieht, wer sich ärgern wird, wenn er am 26. September das Kreuzchen an der falschen Stelle macht."
Rote Fahne mit Hammer und Sichel hängt neben dem Volkshaus

FM4 / Alex Wagner

Das Bier fließt, die Jause schmeckt und die Stimmung ist ausgesprochen gut. In einem Eck befindet sich das rote Antiquariat, in dem man Theorien von Marx und Engels und alte sozialistische Plakate erwerben kann. Junge bärtige Männer mit "Che Guevara" oder "Vota Comunista"-Leiberl rauchen Zigarillos und hören der serbischen Band zu; kleine Kinder und ein Mädchen, mit roter Blume im Haar, tanzen zur Musik. Nicht alle hier Anwesenden wählen die KPÖ oder sind gar selbst Funktionär in der Partei. Dennoch schwärmen sie für Ernest Kaltenegger. Der frühere Wohnbaustadtrat steht in Graz für sozialen Wohnbau. Er hat sich dafür eingesetzt, dass sanitäre Anlagen in Grazer Wohnhäusern verbessert werden. "Das sind zum Teil richtige Löcher", meint er. Werden ältere BürgerInnen im Zuge der Gentrifizierungswelle aus ihren Wohnungen geklagt, organisiert er ihnen Rechtsschutz. Und wenn jemand vorübergehend nicht seine Miete bezahlen kann, springt schonmal die KPÖ ein. "Das ist billiger als ein Umzug".

Kaltenegger Partei Österreich?

Kalteneggers Image ist von Graz auf die Steiermark übergesprungen. Gilt die KPÖ in anderen Bundesländern als chancenlos, hat sie bei der letzten Landtagswahl 2005 über sechs Prozent der WählerInnenstimmen erreicht. Mit vier Mandaten konnte die KPÖ so erstmals nach 35 Jahren wieder in einen österreichischen Landtag einziehen und war damit drittstärkste Kraft. Die damals frisch geschiedenen FPÖ und BZÖ schafften die fünf Prozent Hürde nicht.

Plakate von Claudia Klimt Weithaler

FM4 / Alex Wagner

Doch Ernest Kaltenegger kandidiert nicht mehr als KPÖ-Spitzenkandidat - aus gesundheitlichen Gründen. Die neue KPÖ-Hoffnung heißt Claudia Klimt-Weithaler und muss sich erst profilieren. Reichensteuer, Armutsbekämpfung und "Arbeit für alle, zu fairen Bedingungen", so heißen ihre großen Schlagworte. Am Volkshausfest darf Claudia Klimt-Weithaler zur Eröffnung kurz grüßen, durch den Rest der Veranstaltung führt der Ex-Chef. Das K in KPÖ scheint hier immer noch für Kaltenegger zu stehen. Er selbst ist "Headliner" beim Volkshausfest in Gries.

Vom Problembezirk zum Kulturboboville

Logo vom Happy End, dem ersten Swingerclub in Graz

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Der Grazer Stadtbezirk Gries gilt zusammen mit dem angrenzenden Stadtteil Lend als Problemviertel. Gerade hier aber hat die KPÖ einen relativ hohen Stimmenanteil. Billige Mietpreise haben dazu geführt, dass viele Migranten in Gries wohnen, wie in einem "Ghetto", wie eine Anrainerin beim Volkshausfest meint. Zugleich ist Gries ein Zentrum des Grazer Rotlicht-Milieus. Hier hat sich zum Beispiel auch der erste Grazer Swingerclub niedergelassen. Nicht unweit vom Volkshausfest liegt das städtische Männerwohnheim und die Justizanstalt Karlau inklusive Hochsicherheitstrakt, in dem ua Jack Unterweger und Udo Proksch beherbergt waren und in dem sich Franz Fuchs mit dem Kabel seines Rasierers erhängt hat. Die Stimmung in Gries ist nicht immer die beste.

Aber wie so viele "Problembezirke" macht Gries in den letzten Jahren einen sanften Image-Wechsel durch. Ausgehend vom Nachbarbezirk Lend (Kunsthaus, Lendwirbel, Bauernmarkt usw.) zieht es immer mehr Kreativ-Schaffende auch auf die linke Seite der Annenstraße.

Gries - Ein Bezirk lebt auf. Interkultureller Bildungsgarten

FM4 / Alex Wagner

In or Out?

Angesichts des Führungswechsels ist es fraglich, ob die KPÖ ihre vier Mandate im steirischen Landtag halten kann, oder ob sie vielleicht gar nicht mehr in den Landtag gewählt wird. Nach der Trennung von FPÖ und BZÖ bei der letzten Wahl, hat die KPÖ sämtliche Protestwählerstimmen für sich vereinnahmt. Doch die FPÖ hat sich seit 2005 in der Steiermark erholt. In knapp zwei Wochen wird man sehen, ob Claudia Klimt-Weithaler ihr schweres Erbe übernehmen und den steirischen KPÖ Erfolg prolongieren konnte.

Sowjetische Plakate im roten Antiquariat

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Das rote Antiquariat