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Barbara Köppel

Durch den Dschungel auf die Bühne des Lebens.

29. 6. 2010 - 13:22

Unschuldiges Öl?

T-Shirts oder Weintrauben verraten ihre Herkunft am Etikett. Benzin- und Dieselzapfhahn haben keins. Doch aus welchen Quellen fließt Öl nach Österreich? Ist heimisches Erdöl umweltverträglicher?

Gibt es überhaupt so etwas wie unschuldiges Öl? Nein. Erdöl ist immer problematisch - bei Förderung, Transport und Verbrauch. Bohrunfälle - je nachdem, ob unter Wasser oder an Land - verschmutzen Ozeane, Küsten oder umgebendes Erdreich, bei Transporten laufen immer wieder Tanker oder Pipelines aus, und zuletzt wird das Erdöl verheizt oder im Straßenverkehr verfahren. Dabei entsteht tonnenweise CO2, das buchstäblich Öl ins Feuer der globalen Erwärmung gießt.
Erdöl zählt daher gemeinsam mit anderen fossilen Rohstoffen wie Erdgas oder Kohle zu den klimaschädlichsten Energiequellen.

Das sind bekannte Fakten, unbestritten selbst von den großen Ölkonzernen. Weshalb sonst bemühen sich Unternehmen wie BP oder die heimische OMV mit millionenschweren Kampagnen um ein naturgrünes Image? Sie wissen, dass Öl keine Zukunft hat. Keine lange und keine saubere.
Gegenwärtig läuft das Geschäft allerdings noch wie geschmiert. Warum? Weil wir die schwarzverklebten Möwen und Pelikane im Fernsehen zwar bedauern, die emotionale Brücke aber nicht zur Billigflugreise übers Wochenende schlagen. Weil wir die knappen Ölressourcen intellektuell zwar problematisieren, letztlich aber doch den hohen Benzinpreis zahlen. Weil wir so wohlstandsverwöhnt und bequem sind, dass BP, Shell & Co beinahe glauben müssen, einen Dienst an der Menschheit zu tun, wenn sie ihre diamantbesetzten Bohrköpfe nun auch in die verwundbarsten Stellen dieser Erde rammen.

Öl aus Meer, Eis und Sand

Über die nach wie vor ungeklärten ökologischen Auswirkungen von Tiefseebohrungen braucht man angesichts der Katastrophe im Golf von Mexiko keine Worte mehr verlieren.

Das von der Deepwater Horizon angezapfte Ölfeld hätte den Weltverbrauch für nur zwölf Stunden gedeckt. Die Vorkommen in der Arktis reichen angeblich drei Jahre.

Pläne, Offshore-Bohrungen auch in arktische Gewässer auszuweiten, überschreiten jedoch alle Dimensionen der Verantwortungslosigkeit. Man weiß schon nicht, innerhalb wie vieler Jahre oder Jahrzehnte sich der relative warme Golf von Mexiko von der Ölpest erholt. Ökosysteme in kalten Regionen brauchen dafür wesentlich länger. Aufräumarbeiten wären dort nahezu undurchführbar. Als ob Probebohrungen, Leitungsverlegung und Förderbetrieb am Nordpol nicht schon genug Eingriff in die Natur wären.

Ölbohrturm in der russischen Arktis

AP / http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-33611-4.html

Klimawandel sei dank, wird das dicke Eis rasch schmelzen, dann läuft das mit der Ölförderung wie geschmiert.

Ein weiteres Beispiel für das, was im Namen der grenzenlosen Mobilität, Kunststoff-, Waschmittel-, Kosmetikerzeugung etc. passiert, ist die Ölsandförderung in Kanada und Venezuela.

Venezuela war 2008 der fünftgrößte Öllieferant Österreichs, und liegt nach wie vor unter den Top Ten.

Um ein paar Tropfen Öl aus Tonnen an Schlamm zu quetschen, werden gigantische Apparaturen in Gang gesetzt, für die zuvor oft Wälder abgeholzt und Bodenschichten abgetragen werden. Mit chemischen Lösungen werden Öl und Sand getrennt, die Abwässer fließen anschließend zurück in die Flüsse.
In Fort Chipewyan, einer kleinen Gemeinde in der kanadischen Provinz Alberta sind bereits fünf Menschen an Gallengangskrebs gestorben. Schuld daran ist verseuchter Fisch aus dem Athabasca, vermutet das Pembina Institute. Sonst trifft Gallengangkrebs nur einen unter Hunderttausend.

ölsandförderung am athabasca river in kanada

David Dodge, The Pembina Institute

Ölsandförderung am Athabasca River in Altberta, Kanada

Erdöl aus Österreich

Kann man angesichts dieses Irrsinns nicht einfach auf Öl aus heimischen Quellen umsteigen, fragt sich der/die bewusste KonsumentIn jetzt vielleicht? Immerhin befindet sich im niederösterreichischen Marchfeld das Matzen-Feld, das größte zusammenhängende Erdöl- und Erdgasvorkommen Mitteleuropas. Aus dieser und den anderen Lagerstätten in Salzburg und Oberösterreich pumpen die heimischen Tiefpumpen jährlich fast eine Million Tonnen Öl an die Erdoberfläche. 2009 waren es 998.451 Tonnen.

Ölvorkommen in Österreich

Fachverband der Mineralölindustrie, WKO, 2008

Öl- und Gasvorkommen in Österreich. Die winzigen schlammgrünen Flecken markieren Ölfelder, die roten Gasfelder. Die OMV kümmert sich hauptsächlich um die Fördergebiete im Wiener Becken, die RAG um die in Oberösterreich und Salzburg.

Bislang hat sich die heimische Erdölindustrie keine groben Umweltverschmutzungen geleistet, kann die Versorgung unabhängig von politischen Konflikten garantieren, und profitiert von vergleichsweise kurzen Transportwegen. Sie kann sich dafür ein grünes Mascherl umhängen, wenn sie möchte, wird damit aber im riesigen schwarzen Sumpf der internationalen Ölfördermengen untergehen.

Die weltweiten Reserven reichen laut dem letzten Mineralölbericht noch 46 Jahre.

Denn die österreichischen Reserven decken nur rund 10 Prozent unseres Jahresbedarfs, und das voraussichtlich auch bloß für die kommenden 12 Jahre. Plusminus ein paar Monate oder Jahre, je nachdem inwieweit der Verbrauch steigt, sich die Technologie entwickelt, oder neue Vorkommen erschlossen werden.

Österreich importiert daher jedes Jahr sieben bis acht Millionen Tonnen Rohöl zusätzlich, aus 16 verschiedenen Ländern. 2009 kam der Großteil davon aus Kasachstan, dem Irak, Libyen und Nigeria.

Aus Ländern also, in denen zum Teil Kriege um genau jenes Öl toben, das in der Schwechater Raffinerie zu Benzin, Diesel und Heizöl verarbeitet wird, und später durch österreichische Auspuffe verpufft. Außerdem richten veraltete Fördermethoden und Einsparungen bei Sicherheitsmaßnahmen grobe Umweltschäden an. In Kasachstan zum Beispiel, das weltweit eines der größten Uranvorkommen birgt, sind weite Landstriche mit radioaktivem Abfall verseucht, weil Öl und Bohrklein - wie der Fachjargon die bei der Bohrung mitgerissenen Erd- und Gesteinsbrocken liebevoll nennt - natürliches radioaktives Material an die Oberfläche befördern. Radium 226 zum Beispiel kann schon in kleinsten Mengen Knochenkrebs verursachen, wird aber nicht sachgerecht entsorgt, sondern bleibt einfach liegen.

Was tun?

Leider gibt es keine „Ja-natürlich-Tankstellen“, wie Greenpeace-Energieexperte Jurrien Westerhof im Interview ironisch bemerkt. Das strahlende kasachische Öl fließt wahrscheinlich durch dieselben Leitungen wie das Marchfelder Öl. Welcher Treibstoff aus welcher Quelle kommt, bleibt für die KonsumentInnen völlig unklar.

Der einzige Ausweg aus dem Öldesaster ist der Umstieg auf Bahn, Fahrrad, Elektroauto und erneuerbare Energien. Wenn es aber sein muss, rät Westerhof, wenigstens gut zu überlegen, bei welchem Unternehmen man tankt. Derzeit, so der Energieexperte, kann das keinesfalls BP sein.