Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Öl - schwarz und blutig"

Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

29. 6. 2010 - 18:51

Öl - schwarz und blutig

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ist nur ein Nebenschauplatz. Was unsere Abhängigkeit vom Öl alles auslöst, das beleuchten zwei Bücher zum Thema.

Etwas Gutes hat die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: Jetzt sprechen alle über Öl. Mit einer Emotionalität, die sonst nur französische Atombombentests oder zu hohe Benzinpreise auslösen können. Allerdings ist die öffentliche Debatte, leider, nicht sehr fundiert. Macht man BP zum bösen Buben, so wie man vor Jahren Shell zum bösen Buben gemacht hat, schreit man hilflos ein Symptom an und ignoriert die Wurzeln des Problems.

Trading Floor an der International Petroleum Exchange in London, der zweitwichtigsten Ölbörse der Welt.

Thomas Seifert

Trading Floor an der International Petroleum Exchange in London, der zweitwichtigsten Ölbörse der Welt. Mittlerweile hat die IPE auf elektronischen Handel umgestellt.

Die Umweltschäden, die der ganz normale Öl-Förder-Betrieb im Niger-Delta, im Amazonas-Regenwald und in Sibirien verursacht, gehen in der Berichterstattung unter. Die Strukturen, die die Öl- und Gasindustrie zu einem der mächtigsten Industriezweige (wenn nicht dem mächtigsten) weltweit machen, werden nur am Rande thematisiert.

Dabei gäbe es genug Lesestoff, der offenlegt, wie die Vernetzungen und Abhängigkeiten im System Ölwirtschaft verlaufen.

Schwarzbuch Öl

Presse-Journalist Thomas Seifert ist derzeit ein gefragter Mann. Seifert hat bereits 2005 mit Klaus Werner-Lobo das Schwarzbuch Öl herausgegeben. Eine Geschichte von Gier, Krieg, Macht und Geld heißt es im Untertitel. Hier schildern die Journalisten, wie die Weltwirtschaft am Öltropf hängt, wie die Lobbyisten der Ölwirtschaft diese Abhängigkeit aufrecht zu erhalten versuchen, wie die Sucht nach Öl die Politik dominiert und Kriege auslöst - oder, in den Worten Seiferts: wie die Ölindustrie sich Kriege wie den Irakkrieg bestellen kann.

Das hat nichts mit Verschwörungstheorien zu tun. Es geht vielmehr um Einfluss, um Interessen und Abhängigkeiten. Einfluss, der nachvollziehbar ist, Interessen, die logisch und Abhängigkeiten, die nachweisbar sind.

Öltanks in der Wüste, davor brennt etwas, starker, schwarzer Rauch

Thomas Seifert

Das Ölfeld Rumailah im Irak, 2002

Seifert und Werner beschreiben Netzwerke und den Einfluss von Lobbyisten, sie beschreiben, wie sehr dieWirtschaft in unserem Öl- und Plastikzeitalter von diesem einen Rohstoff abhängig ist - und wie wenig andere Interessen zählen, zum Beispiel die der einheimischen Bevölkerung oder die der Umwelt. Im Kapitel über die Ölförderung im Regenwald schreiben sie:

Cover "Schwarzbuch Öl"

Deuticke

Das Schwarzbuch Öl von Thomas Seifert und Klaus Werner-Lobo, erhältlich bei Deuticke und bei Ullstein

Der 47-jährige Guillermo Maldonado sieht aus wie sechzig. "Wir alle hier haben Kopf- und Bauchschmerzen, und so sieht unsere Haut auch aus", erzählt er, während er seine Hemdsärmel hinaufrollt und die Eiterbeulen auf seinem Arm zeigt. Maldonado arbeitet für die staatliche Ölfirma Petroecuador und lebt in einer Hütte im Dschungel ein paar Kilometer außerhalb von Lago Agrio, Ecuadors größter Ölstadt. Maldonado geht von seiner Holzhütte, in der er mit zwölf Famuilienmitgliedern wohnt, zu einer Abwassergrube, die schon vor Jahren von Texaco gegraben wurde und immer noch von Petroecuador genutzt wird. In der Nähe wird Gas abgefackelt, "die Abgase benebeln die Sinne und verursachen ein flaues Gefühl im Magen", schreibt Matthew Yeomans, Autor des Buches "Oil - Anatomy of an Industry", der die Dörfer im Oriente besucht hat. "Die Abwassergrube ist mit schwarzem, schlammigem Wasser gefüllt und nur mit einer Plastikplane abgedichtet. Die Plane ist längst löchrig geworden und das Abwasser sickert in den Boden und fließt in den nahe gelegenen Fluss - die Trinkwasserquelle der Siedlung."

Thomas Seifert und Klaus Werner-Lobo versuchen auch, Wege aus der Öl-Sackgasse zu weisen. Es sind die üblichen Wege, aber man kann sie nicht oft genug wiederholen: vom Energiesparen über den Umstieg auf alternative Energieformen bis hin zu einer Landschafts- und Siedlungsplanung, die das Auto überflüssig statt notwendig macht.

Windpark Parndorf II in der Nähe von Wien, der Ökostrom an die Ökostrom AG und an Greenpeace Energy liefert.

Thomas Seifert

Windpark Parndorf II in der Nähe von Wien, der Ökostrom an die Ökostrom AG und an Greenpeace Energy liefert.

Öl - das blutige Geschäft

Der amerikanische Journalist Peter Maass war als Berichterstatter beim Einmarsch der US-Armee im Irak dabei, seine Reportage beginnt auch im Irak. Auch er beschreibt die internationalen Netzwerke: in Südamerika, auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, im Nigerdelta. Peter Maass' Buch enthält weniger Zahlen, Daten und Fakten als das Schwarzbuch Öl, es ist, in amerikanischer Tradition, eine Reportagensammlung, ohne Grafiken und Statistiken, dafür spannend aufgebaut und gut lesbar.

Buchcover "Öl - Das blutige Geschäft"

Droemer Verlag

Frisch erschienen und bei Droemer Knaur erhältlich.

Auch Peter Maass beschreibt unter anderem, dass ein Ölfund für ein Land, das nicht über eine stabile Gesellschaft und ein stabiles politisches System verfügt, alles andere als ein Segen ist - dass er im Gegenteil der Wirtschaft eines Landes erheblichen Schaden zufügen kann. Hier am Beispiel Äquatorialguineas:

Selbst wenn Mutter Theresa Präsidentin von Äquatorialguinea wäre, stünden ihre Chancen sehr schlecht, dass ihre Untertanen durch die Bodenschätze des Landes reich würden. Denn nicht allein die Diebstähle von Regierungsfunktionären erschweren es den Durchschnittsbürgern, von dem Ölboom zu profitieren. Die Globalisierung des Arbeitsmarktes und die geringe Zahl von Arbeitskräften, die bei kapitalintensiven Ölprojekten erforderlich sind, sorgten dafür, dass die meisten Äquatorialguineer zusehen mussten, wie sich andere an dem Boom gesundstießen.
...
Bei unserer Rundfahrt stellte ich fest, dass fast alle Arbeiter Südasiaten und die Führungskräfte Amerikaner oder Europäer waren. Ich wusste, dass der Arbeitsmarkt von Äquatorialguinea nur wenige Akademiker bereitstellte, doch es mangelte keineswegs an jungen Männern, die Nägel klopfen konnten. Wieso arbeiteten sie nicht hier? Paces erklärte mir, dass die Inder und Filipinos bereits auf ähnlichen Großprojekten gearbeitet hätten und nicht erst geschult und eingewiesen werden mussten. Sie wussten, mit Schweißbrennern umzugehen und Unfälle an den schweren Maschinen zu vermeiden. Und man konnte sich darauf verlassen, dass sie Zwölf-Stunden-Schichten absolvierten, ohne sich zu beklagen. ... Die wenigen Ortsansässigen, die in dem Werk arbeiteten, waren wegen einer Quotenregelung eingestellt worden, die in dem Vertrag mit der Regierung festgeschrieben war.