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Pia Reiser

Filmflimmern

22. 6. 2010 - 07:30

So, mehr Kino: Sommerkino

Fritz Lang lässt's thrillern, Hitchcock walzern, Bogart filmnoirt, Dean rebelliert und Faye Dunaway spielt Schach mit Steve McQueen.

Noch ist das Sommerkino ein bisschen ein Schwindel, was aber am Sommer und nicht am Kino liegt. Die österreichischen Sommerkinos klotzen statt kleckern, filmisch kann man sich die nächsten Monate durch ein reichhaltiges Menü schlemmen. Da aber die Verfügbarkeit von Film durch diverse Medien es einem einfach macht, zum autarken Selbstversorger zu werden, überraschen die Sommerkinoprogramme erfreulicherweise mit selten Gezeigtem, nicht auf DVD erschienenen und auch nicht durch die TV-Rotationsmühle gurkenden Filmperlen. Und es muss ja nicht immer ein Verlängerter sein:

Espressofilm zum Beispiel widmet sich bereits zum dritten Jahr dem Kurzfilm, zeigt Filme von Nina Kusturica und Marie Kreutzer und eröffnet mit dem Animationsfilm "One Night in a City". Ich biete euch weitere 7 nights in the city an, hier sind meine weiteren Empfehlungen für die Sommerkino-Saison 2010.

Thriller

Joan Bennett weilt gerade in Mexiko, als ihr ein Fremder (Michael Redgrave) folgenden Satz vors Antlitz knallt "There's something in your face that I saw once - in South Dakota. Wheat country. Cyclone weather, it was." Nun, wer wäre da nicht hin und weg. Es wird geheiratet und die New Yorker Societydame zieht zu ihrem Architekten und merkt allmählich, dass der einige Leichen im Keller hat, wahrscheinlich nicht nur sprichwörtliche. Fritz Langs "Secret Beyond the Door" ist freud'scher Thriller, Verarbeitung des Blaubart-Themas und räumt - wie Hitchcock in "Rebecca" - einem Gebäude Platz ein, das Geheimnisse hat und zu erschrecken weiß. Ein Film Noir, in den sich mehrmals der deutsche Expressionismus reinschlängelt und sich mit Märchenhaftem und gothic novel Inspiriertem melangiert. Wer den Sommer zum Beginn einer Beschäftigung mit Fritz Lang machen will, kann außerdem im Rahmen der österreichischen Sommerkinos sich noch "M" und "Metropolis" auf den Augen zergehen lassen.

Joan Bennent in Fritz Langs "Secret Beyond the Door"

http://mubi.com

"Secret beyond the Door"

Walzer

Hitchcock-Komplettisten können sich die Hände reiben, denn der Film, der wohl am wenigsten mit dem Rest des Suspense-Master-Oevres zu tun hat und nur schwer auf DVD erhältlich ist, macht seine Aufwartung: "Waltzes from Vienna" aus dem Jahr 1933 ist eine musikalische Romanze, die sich um Johann Strauß rankt. Der nämlich muss - so will es Papa Strauß - in der Bäckerei arbeiten, Filius Strauß wird aber soviel lieber komponieren. Als ihn eine Baronin um eine Walzerkomposition bittet, wird aber die Johann Sohns-Resi fast narrisch vor Eifersucht. "Waltzes from Vienna" ist aufgekratzt und albern und zieht seinen Reiz aus dem Umstand, dass dies ein Film von Hitchcock, aber kein Hitchcock-Film ist. Passt trotzdem perfekt ins Programm vom diesjährigen Kino unter Sternen, das sich Wien im Film annimmt.

Szenenbild aus "Waltzes from Vienna"

mubi.com

"Waltzes from Vienna"

Film Noir und Tinseltown

Wir bleiben schwarz-weiß: "The Bogart Suspense Picture with the Surprise Ending" schreit das Filmplakat zu "In a lonely Place" vom Regie-Tausendsassa Nicholas Ray. Hier filmnoirt sich ein wie immer grandios lakonischer Humphrey Bogart als Drehbuchschreiber durch Tinseltown und gerät unter Mordverdacht: Gloria Grahame - Rays Ehefrau zum Zeitpunkt der Dreharbeiten - gibt Bogie zwar ein Alibi, doch beginnt sie irgendwann an der Unschuld des Drehbuchschreibers Dix zu zweifeln. Bogart hat sowieso mehr Film Noir im kleinen Finger als manch andere an beiden Händen, Grahame ist ebenfalls Grande Dame des dunklen Genres und durch die Schulen des Fritz Lang ("The Big Heat") und Edward Dmytryk ("Crossfire") gegangen. Ein düsterer Film, der auch nebenei ein wenig mit Hollywood, seiner Moral und Eitelkeiten abrechnet.

Szenenbild aus "In a lonely Place"

Sony Pictures

"In a lonely place"

Rebellen in Technicolor

Ich schwöre, wir haben es uns nicht ausgemacht: In der aktuellen DVD-Kolumne empfiehlt auch Markus Keuschnigg "Rebel without a cause"

Kriegen wir jetzt dann auch mal was in Farbe?", hör ich euch murmeln. Nun denn, bleiben wir bei Nicholas Ray und wechseln ins schrille Technicolor von "Rebel without a cause": James Dean als rotbejackter Rebell wider Willen zwischen Vorstadt-Zwangsjacke, teenage kicks und teenage angst. 1955, als man den Teenager schon langsam als dankbare Marionette im Tanz der kapitalistischen Freuden der 50er Jahre entdeckte, setzte Ray mit "Rebel without a cause" dieser Figur ein Denkmal. Tragik, Alltagsflucht, Freundschaft, Gewalt und das kurze Schaffen einer eskapistischen Fantasiewelt. Großes Drama, große Gesten und Dennis Hopper in einer kleinen Rolle. "Rebel without a cause" läuft zwar ab und zu im TV, dem sollte man aber mal die Wucht der mächtigen Dame namens Großleinwand zugestehen.

James Dean

Warner

Like the monkey with the miniature cymbals: "Rebel without a cause"

Krimi und Cownboy

Jetzt wollen wir aber mal wissen, wie dieser Nicholas Ray aussieht, hör ich auch unken. Auch dafür bietet das Sommerkino Gelegenheit. In Wim Wenders "Der amerikansche Freund" spielt Ray mit - genauso wie sein Regiekollege Sam Fuller. Mein Verhältnis zu Wenders Adaption von Patricia Highsmiths Roman "Ripley's Game" ist zwiespältig, weil ich als Highsmith-Verehrerin mit Wenders Abänderungen Plot und Schauplätze betreffend Schwierigigkeiten habe. Den Glamour, der Tom Ripley umgibt, hat Wenders abgekratzt, statt Frankreich befinden wir uns im Hamburg der 1970er Jahren. Das Wetter ist schlecht und Ripleys Laune auch: Er soll zwei Menschen umbringen und kommt auf die Idee, dafür einen schwerkranken Mann zu engagieren, dem er einen Batzen Geld verspricht. Es geht wie so oft bei Highsmith um die Korruption der eigenen Moral. Bruno Ganz gibt beschnurrbartet, wie es sich für die 70er Jahre gehört, den kranken Jonathan Zimmermann, Dennis Hopper den Ripley in Jeansjacke und Cowboyhut. Mehr Dennis Hopper gibt es beim "Kino wie noch nie", wo u.a. auch "Red Rock West", "Blue Velvet" und Hoppers Regiearbeit "Colors" zu sehen ist.

Szenenbild aus "Der amerikanische Freund"

Kinowelt GmbH

Bruno ist ganz Ohr: "Der amerikanische Freund"

Paranoia

Bleiben wir bei den Antihelden. So einen gab ein tatsächlich bis auf die Knochen abgemagerter Christian Bale mauloffen in Brad Andersons "The Machinist". Schlaflosigkeit quält den Maschinenarbeiter Trevor Reznik. Verstörende Post-Its finden sich in seiner Wohnung, Paranoia greift nach ihm und wer ist Ivan, der immer wieder auftaucht, den aber sonst niemand zu kennen scheint? Onkel Freud klopft schließlich auch noch an die Tür des kalten, düsteren Thrillers.

Szenenbild aus dem Film "The Machinist"

3L Film GmbH & Co. KG

"The Machinist"

Gaunereien

Und zum Ausgleich zur Kühle und Distanz von "The Machinist" empfehle ich noch Norman Jewinsons glamouröses und strahlendes heist movie "The Thomas Crown Affair". Steve McQueen, ein Millionending und Faye Dunaway. Ein Verbrechen aus Langeweile, erzählt in einem 60er Jahre Farbrausch und mit exzellenten Split Screens. Ein Kuss, der 55 Sekunden dauert und damals die Gemüter erhitzte. Auch Anhänger der gängigen Meinung, dass Schach keinesfalls sexy sein kann, können sich hier vom Gegenteil überzeugen. Lasst uns mit Dünenbuggys in den Sonnenuntergang rauschen.

Szenenbild aus "The Thomas Crown Affair"

MGM

If you're fond of sand dunes and salty air: "The Thomas Crowm Affair"

Und das war natürlich noch längst nicht alles, hier gibt es eine Übersicht über die österreichischen Sommerkino-Angebote.