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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

31. 12. 2009 - 21:16

Journal '09: 31.12.

Durchdringende Momente eines namenlosen Jahrzehnts, Teil 8. Heute: Vom Medienwandel und der g'fickten Jugend bis zum Joker Audimaxismus.

Durchdringende Momente eines namenlosen Jahrzehnts. Eine Serie zu den ausrinnenden Nullern.

Teil 1. Die messianische Erscheinung von Tricky.

Teil 2: New York Stories.

Teil 3: Repolitisierung. Attwenger. Kaklakariada.

Teil 4: Das beste Konzert aller Zeiten

Teil 5: Die Zukunft der Musik..

Teil 6: Blog as blog can.

Teil 7: So Berlin.

Teil 8: Vom Medienwandel und der g'fickten Jugend bis zum Joker Audimaxismus.

Wie sich der drastische Wechsel unseres Kommunikations-Verhaltens auf mich als Person (wahrscheinlich in gleichem Maße wie alle anderen auch) und auf meine ganz konkrete Arbeit ausgewirkt hat, steht eh schon hier in Teil 6 dieser kleinen losen Reihe rum.

Das Thema des Medienwandels hab ich dort aber, ebenso wie in Teil 5 (wo der komplette Umbruch des Musik-Biz als Modellfall für das Medienwesen herhalten durfte) nur gestreift.

Die Angelegenheit braucht aber deshalb ein eigenes Kapitelchen (oder dient dem zumindest als Intro), weil es da auch um einen anderen, sehr prinzipiellen Punkt geht, der weder was mit mir als Person, noch mit der veränderten Technologie, und auch nicht dem vertrottelt defensiven Wegleugne-Verhalten, dass die "old media" an den Tag legen, zu tun hat.

Es geht um einen ganz prinzipiellen Ansatz im österreichischen Medienwesen/Journalismus, der wie ein grauer Schleier über der Branche liegt: die Betonung der bewussten, meist politisch motivierten Zurückhaltung der Mitspieler, die das, was die eigentliche Aufgabe der 4. Kraft ist (Anwaltschaft für den Bürger, Kontrolle der Mächtigen etc.), verhindert. Stichwort: Herrschaftswissen.

Auslöser Stimeder

Schuld am forcierten Nachdenken über all das und auch an seiner Veröffentlichung (die bis zur ersten Hälfte des Jahrzehnts für mich eigentlich kein Thema war; bis dahin kam mir das zu selbstbezogen vor, hielt ich es - wie die Branche großteils und fälschlicherweise heute noch - für ein Tabuthema) ist die Zeitschrift Datum. Nicht so sehr deren Inhalt, sondern der fortwährende Austausch mit Klaus Stimeder, seinem Erschaffer.

So ein Gespräch hat mich im Juni 05 dazu gebracht, zunächst einmal diesen Mythos der gut geschriebenen G'schicht, der mich, seit ich in der Lehrredaktion der Presse eingeschult wurde, verfolgt. Und in weiterer Folge zu einer anderen Definition dessen, was ich mir von Journalismus wünsche (kurz: das alte Woody Guthrie-Ideal), getrieben.

Und eine Weile später, als mir klar wurde, dass das noch so laute Anjammern von Tatsachen dann nichts bewirken kann, wenn es sich an bereits fertig geformte (also beratungsresistente) Menschen richtet, hab ich diese Kritik ausgebaut und speziell an die gerichtet, die da noch was machen können: die Jungen.

Veröffentlichungen wie diese haben mir ganz schnell den Ruf des Krokodils eingebracht, der die armen Kinder, die zarte Behandlung und Bestätigung (am besten die des Status Quo) brauchen, ganz böse schreckt.

Dialog mit den Jungen

Ein belustigend undurchdachter Vorwurf - nicht nur, weil das Gegenteil der Fall ist, sondern auch, weil nur der drastische Hinweis überhaupt wahrgenommen wird. Vor allem von einer Generation, die in ihrer medialen Sozialisation vordringlich auf kurz gesetzte Reize reagiert (vergleiche dazu auch die Album-Debatte, die gerade wieder einmal abgeht).

Denn da geht die dümmste Schere auf, mit der ich es im abgelaufenen Jahrzehnt zu tun hatte: einerseits nicht zu heftig mit den Jungen reden (Diktum 1), andererseits dann das inexistente rebellische Potential anjammern (Diktum 2).

Diese beiden Züge (Mühle auf, Mühle zu) kann man endlos spielen, und so geschah es auch, in zahllosen klagenden Diskussionen. Auch deswegen ohne Probleme, weil die Old Media keine jungen Nachrücker, die sowas anders sehen hätten können, zulässt. Die wanderten großflächig in die neuen (allerdings schlecht/unbezahlten) Neuen Medien ab.

Ich habe, neben der Dauer-Provokation des journalistischen Nachwuchses, laufend gegen diese bösartige Politik angeschrieben, auch unter Verwendung von schlimmen Worten, und mit Unterstützung von Pete Doherty.

G'fickt für immer

Das Thema hat sich bis tief ins heurige Jahr durchgezogen und gipfelten in einer Zusammenführung der beiden Gebiete. Wie soll die allseits als hilf- und wehrlose Generation Praktikum aus der Sackgasse kommen, wenn ihre jungen Medienvertreter die ärgsten laschen Luschen sind? Und wie soll über die Gefahr der Verödung von Jugendkulturwelten diskutiert werden, wenn es nicht einmal ein Problembewusstsein gibt?
Gut, die Diskussion gab es dann - zumindest im Qualitäts-Segment zwischen Falter-Standard-Gap-FM4-etc.

Nur um dann Ende Oktober mit einer - nicht damit zusammenhängenden und auch nicht davon ausgelösten, aber eben nicht ganz zufällig zeitlich so gelegenen - Uni-Protest-Aktion dem allen ein Ende zu bereiten.

Insofern ist der Audimaxismus ein fantastischer Joker, mit dem man ab sofort jeden Kulturjammerer, der die Nichtsnutzigkeit der Jugend begreint, ausstechen kann.
Die Qualitäten, die er mit sich führt (unideologische Herangehensweise, Praxis-Orientierung, ohne Visionen aus dem Auge zu verlieren, cleverer Kompromiss zwischen Basis-Demokratie und Flexibilität, Durchbrechen des Star-Prinzips...) sind unerhört und für die Vorgängergenerationen ein echtes Aha-Erlebnis, ein beschämendes noch dazu.

Der Audiomaxismus als bestechender Joker

Zudem haben die Audimaxisten auch ihre Lehre aus dem Nichtvorkommen ihrer Interessen und Lebenswelten in den alten Medien gezogen: sie haben sich über die neuen Medien mitgeteilt und die Öffentlichkeit durch die Schnelligkeit ihres Denkens und Handelns gezwungen, sich damit zu beschäftigen.

Der Audimaxismus hat mehr für die Akzeptanz der Social Platforms und der Web-Medien getan, als die ohnmächtige Koalition aus Nerds und Vordenkern davor. Und sie haben härteste Old Media-Knochen in die Knie des Nachdenken-Müssens über neue Ausspielwege und Ausdrucksformen gezwungen.

Damit haben sie sich vom Jahrzehntefluch der g'fickten Jugend verabschiedet. Auch wenn sie immer noch ein schwaches Glied in der Gesellschaft bleiben (die österreichische Demographie unterstützt das) - das Selbstbewusstsein der Generation UnsereUni ist so groß wie noch keines einer anderen Generation zuvor.

Jetzt fehlen nur noch die jungen Proponenten, die sich auch im Rahmen der Mainstream-Medien daranmachen, deren eigentliche Aufgaben zu übernehmen und den Mief der Verhaberung sowie die Hochnäsigkeit des Herrschaftswissens im österreichschen Journalismus, der sich als Player im Spiel der Mächte fehlbegreift, wegzuwischen und die Medien als das, was sie sein sollten (Anwalt und Kontrollierer) neu zu positionieren. Wer, wenn nicht sie (die einzigen, die die Freiheit und Klarheit des Denkens besitzen), sollte diesen dringend nötigen Job übernehmen?