Erstellt am: 15. 8. 2009 - 17:59 Uhr
40 Jahre Woodstock: Yasgur's Farm
40 Jahre Woodstock auf fm4.orf.at
- 40 Jahre Woodstock: Yasgur's Farm: Der 15. August 1969
- Das haben sich die Jugendlichen selbst aufgebaut: Ein Dokumentarfilm, der Geschichte schrieb
- Zwischen Gegenkultur und Kommerz: Ein Gespräch mit Woodstock-Erfinder und Co-Organisator Michael Lang
- Hippie Traces: Der Sommer in NYC
Three Days
Am 16. August 1969 schufen die beiden Musikmanager Michael Lang und Artie Kornfeld, mit Hilfe zweier aufgeschlossener Vorfinanziers auf einem Ausweichgelände in dem Städchen Bethel den ultimativen Hippietraum, ein "Gathering", ein "Happening", einen Beweis für eine friedliche Versammlung Gleichgesinnter. Wie es seit 14 Tagen durch alle Kultursender schallt, war das Woodstock Festival auch ein Unternehmen, eine Möglichkeit, mit der Musik der Gegenkultur Geld zu verdienen. Es war ein völliges ökomnomisches und organisatorisches Disaster, das vom Hungertod nur durch Spenden von 30.000 Sandwiches durch die örtliche jüdische Frauengruppe von Bethel gerettet wurde. Und durch massenhaft Milch und Käse, die der Pächter Max Yasgur zur Verfügung gestellt hatte, auf dessen Grundstück sich binnen ein paar Stunden eine hungrige junge Kleinstadt eingefunden hatte.
Derek Redmond and Paul Campbell
Die Namensgebende Stadt Woodstock hatte die Aufführung untersagt. Dabei wohnte dort einer der wichtigsten Männer der Bewegung, Bob Dylan. Der war über den Ort des Festivals nicht glücklich und lieber in England beim Isle Of Wright Festival.
of Peace
In Woodstock, das sich selbst als "friedliche Nation" innerhalb einer Krieg führenden Nation verstand, hatten die Besucher vor allem eins gemeinsam: Die in dieser Intensität noch nicht dagewesene massive pazifistische Opposition gegen die Einmischung der USA in Vietnam und den zu diesem Zeitpunkt bereits 13 jahre währenden Krieg in Fernost.
Country Joe MacDonald, dessen "Fish Cheer" ("gimme an F! -What's that spell" - F.U.C.K.) neben Hendrix' Hymne zu so etwas wie dem Markenzeichen der Woodstock Alben geworden war, bezeichnet das Publikum als "Draft Resistance Revolution" und diese als einzige Bewegung in Amerika die "no Enemies" habe.
dpa/A0001 UPI
Unter dem Gesichtspunkt, dass eine nicht kleine Menge der Männer im Publikum bereits ihre Draft Card in der Tasche hatten und später vielleicht zu den 11,616 amerikanischer Kriegsopfer des Jahres 1969 gehören würden, sehen Hendrix Hymne oder der "Fixin to Die Rag", oder der "Truck Store Truck Drivin' Man" ganz anders und eigentlich irgendwie unvorstellbar aus. Letzterer war für mich jungen Hippie in den 80ern im Übrigen die erste Erwähnung von Ronald Reagan, damals noch Gouverneur von Kalifornien und somit noch vor Nixon und Bush der Hauptfeind emanzipatorischer Bewegungen und Gegenkulturen in den USA. Die Art wie Country Joe im Intro seinen Namen ausspricht ("Reagun") porträtiert ihn, den späteren Führer der freien Welt, als vielleicht reaktionärsten Menschen seiner Zeit.
and Music
Musikalisch sollte ein repräsentativer Querschnitt durch die Vorlieben der Hippie Bewegung geboten werden: Folk Rock, Blues, Ethno, Psychedelia, Soul, von allem das Größte, angeführt von der größten Hippie Band, den Grateful Dead, deren Konzert so schlecht gewesen sein muss, dass sie es ablehnten, auf dem Soundtrack vertreten zu sein - Phil Lesh soll später oft gesagt haben, die Grateful Dead seien die Band die nicht wegen, sondern trotz ihres Woodstock Auftritts groß geworden ist. Für Andere war der Woodstock Auftritt Höhepunkt oder Start von sehr unterschiedlichen Weltkarrieren: Joe Cocker war zu dieser Zeit noch nicht täglicher ungebetener Gast in 60 + Formatradios, sein Erfolg nährt sich nicht wenig von seinem Beatles Cover beim Festival. Crosby, Stills, Nash & Young lebten noch Jahre vom Woodstock Mythos - auch mitgetragen von ihrem Hit "Woodstock" von Joni Mitchell, die das Festival nur in den Nachrichten verfolgt hatte, weil ihr Manager ihr zu einem Fernsehauftritt am selben Tag geraten hatte.
Warner Bros.
Neil Young- Roll another Number for the Road (aus Tonight's the Night)
I'm not goin' back
to Woodstock for a while,
Though I long to hear
that lonesome hippie smile.
I'm a million miles away
from that helicopter day
No, I don't believe
I'll be goin' back that way.
Neil Young - The Thrasher
How I lost my friends
I still don't understand.
They had the best selection,
They were poisoned with protection
There was nothing that they needed,
Nothing left to find
They were lost in rock formations
Or became park bench mutations
On the sidewalks
and in the stations
They were waiting, waiting.
So I got bored and left them there,
They were just deadweight to me
Better down the road
without that load
Ausnahme ist ihr "Zentrum" Neil Young, der sich zeitlebens gegen die Vereinnahmung durch die Nostalgisierung durch die Hippies gewehrt hat, so in seinen Songs "Roll another Number for the Road" und "The Thrasher", aber auch in "Hey, Hey, My, My", seiner Verbeugung vor Johnny Rotten als neuem King of Rock'n'Roll, dem vielleicht größten und fanatischstem Hippiehasser aller Zeiten. Canned Heat führen die Querflöte in ihrem Kurzauftritt mit einem von Herbie mann geklauten Lick zu einem würdevollen Auftritt, "Going up the Country" ist einer der Woodstock Songs, die ich mir gerne anhöre, auch weil sie - für uns Kinder immer lustig - auf elterlichen Hippie Parties nicht selten zum Tanz von ansonsten faulen Mitvierzigern geführt hatte.
Tim Hardin oder die Incredible String Band blieben trotz Woodstock-Auftritts Geheimtipps, ihr musikalisches Genie ist sozusagen vom Schlamm Woodstocks ungetastet, und sie werden vielleicht deshalb von hippieaffinen Bands seither immer freundlich rezipiert. Dass Keef Hartley, Mountain, Sweetwater oder eine gewisse Grease Band bei Woodstock aufgetreten sind, weiß heutzutage kein Mensch mehr und deren Karrieren sind auch - vom Post Woodstock Hype um Film und 3-fach Album unberührt und leise in die Vergessenheit verschwunden.
Joan Baez, damals eine der berühmstesten Frauen der Welt, hat als politische Aktivistin und Symbolfigur viel geleistet und viel Respekt verdient, ihr glaszersingendes Gezwitscher ist heute auch beim besten Willen und bei von lustigen Zigaretten noch so geschwächtem Urteilsvermögen keine 4 Takte zu ertragen.
Dasselbe gilt für das Angebergegniedel von Ten Years After, Johnny Winter oder Santana. Die - neben den Dead - stärksten Identifikationsfiguren, Janis Joplin und Jimi Hendrix, waren zur Zeit des Festivals bereits schwer auf Heroin (Joplins kolportiertes "200$ worth daily" zu den täglichen 2 Flaschen Southern Comfort) und ihre Karrieren sollten das Festival nur um knapp ein Jahr überdauern. Über ihre Musik traue ich mich auch nichts Rückblickendes sagen, da sie schon ihre Bedeutung haben werden, die sich aber bei beiden mir nie erschlossen hat, weshalb sich auch kein "Wiederhören" Effekt erzeugen lässt.
Sha- Na- Na waren als tanzende Rock'N'Roll Revival Band eine musikalische Ausnahme, ein Herausfallen aus dem Hippie Kanon und weisen in ihrer Rückwärtsgewandtheit am ehesten von allen Bands in die Zukunft der Siebziger, die in Glam, Punk und Pubrock noch viel Gutes aus der Kraft des Fifties Rock'n'Roll entdecken sollten, als sich die Hippies längst aus der Öffentlichkeit in TherapieWGs und selbstzerstörerische Diskutiergruppen zurück gezogen hatten. Für die Hippies hatte Rock'n'Roll jedenfalls ebenso wie Country immer als reaktionäre Macho Musik gegolten, noch bevor ihre Helden Jerry Garcia oder Gram Parsons den Country für sich entdecken und neu erfinden sollten, weshalb sich auch nur zwei richtige Rock Acts auf dem Panel finden, CCR und The Who.
Warner Bros.
Heute lässt sich nach dreimitütigem Nachdenken leicht feststellen, dass die wichtigsten Bands der Sixties nicht auf dem Festival vertreten waren. Nicht nur die Sonne, um die die Bewegung sich drehte, Bob Dylan, auch die großen Briten Beatles oder Stones, die Manson-Freunde der Beach Boys, oder die Doors fehlten, von wegweisenden Bands der Sixties mit künstlerischerem oder urbaneren Konzepten, Velvet Underground und Stooges, Zappa und Beefheart oder Red Krayola nicht zu reden.
Eine kleine unerträgliche Guilty Pleasure auf dem Woodstock Album: Die Schreikunst von Melanie Safka sollte man sich beizeiten ohne Woodstock und "Candles in the Rain" zu Gemüte führen, vor allem bei ihrem "Leftover Wine", um zu sehen, wie radikal sie in die Pausen ihrer Kinderlieder hineinbrüllt und so in vielen selbstbewussten Stimmen von später wiederhallt.