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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 7. 2009 - 21:00

Fußball-Journal '09-60.

Vorschau-Check.

Der Meisterschaftsstart der österreichischen Bundesliga hat einen ersten Einblick in die Realitäten gewährt, auf die man in den diversen Saison-Previews nur per Kristallkugel lugen konnte.

Deshalb heute hier: Meine vorlauten Vorab-Ahnungs-Duseleien, die rund ums letzte Wochenende, von den OÖN beauftragt, erschienen - querkommentiert mit den Erkenntnissen aus dem 1. Spieltag.

SC Magna Wr. Neustadt

Wolf bleibt nun doch.
Ansonsten ist dem nichts hinzuzufügen.

Stronachs Neo-Neustädter haben recht dezent eingekauft – und das ist gleich die erste dicke Überraschung, denn natürlich hatte man mit angeberischem Getöse gerechnet, das Renommier-Auftritte von Magna sonst begleitet. Dies hat wohl mit dem Abgang von Stronach-Statthalter Svetits und dem letztlich unerwarteten Verbleib von Trainer Kraft zu tun. Der hat seine Mannschaft nur punktuell und sehr gezielt (Gercaliu, Ramsebner, Viana…) verstärkt und nur Supertalent Magreitter verloren (obwohl auch Hauser, Erbek und Gerüchten zufolge Wolf abgehen werden).

Die Mannschaft wird von den Buchmachern hinter den vier EC-Startern auf Platz 5 gewettet und ist das klassische Dark Horse dieser Meisterschaft. Und natürlich wird es, um hier gleich einen Running Gag einzuführen, vom Saisonstart abhängen, ob man noch nachrüstet. Allerdings sei dran erinnert, dass Magna den Fehlstart in die letzte Saison auch vergleichsweise unhysterisch hinter sich brachte. Mit dieser Ruhe ist für das mit viel Talent gespickte Team Einiges möglich.

SV Mattersburg

Dass sich der SVM so schnell und so scheinbar widerstandslos in die Untiefen begibt, in denen ihn nicht nur ich heuer treiben sehen, damit war nicht zu rechnen.

Lustig, dass mit Hamouz einer der erwähnten Neuen schon nach 35 Minuten wegen Überforderung herausgenommen werden musste. Traurig, wie es vier Mann nicht schaffen, eine echte Viererkette zu spielen. Bitter, dass nun auch Sedloski auslässt.

Es gibt eine Lebensweisheit, die besagt, dass die Menschen Niederlagen brauchen würden, um draus zu lernen. Nun ist der SV Mattersburg kein Mensch, sondern ein Fußballverein, aber einer, der sehr menschlich geführt wird, weswegen es mich auch so sehr verwundert, dass genau das mit dem Lernen aus den Fehlern nicht funktioniert, das zum dritten Mal innerhalb der letzten 12 Monate in der Transfer-Periode Spieler aus den Nachbarregionen verpflichtet werden, die wohl auch wieder sang- und klanglos abgehen werden. Die neuen Kovrigs, Ujciks und Velickys heißen Hamouz, Sedlak und Waltner. Dass der SVM mit Mravac, Jancker und Ilco Naumoski seine wildesten Hunde verliert, ist für ein Team, das von seiner Emotion lebt, auch nicht gerade günstig.

Nachdem sich auch im technisch-taktischen Bereich nichts ändern wird, weil sich auch Trainer Franz Lederer nicht mehr ändern wird, sind die Optionen nach oben nicht vorhanden. Und: Letzte Saison war man Vorletzter – Luft nach unten gibt es also keine mehr.

SV Kapfenberg

Yes, but no, but yes, but no, but yes...
Tatsächlich ist das Spiel der Gregoritsch-Truppe auf Heinz zugeschnitten, und das geht auch gut. Eigentlich, denn der KSV war das bessere Team, zumindest über die ersten 75 Minuten, dann verflachte das Spiel, weil Heinz die Luft ausging. Mal sehen, wie diese hochinteressante Beziehung weitergeht.

Na bumm, Marek Heinz im Franz-Fekete-Stadion! Das ist toll, denn dieser Wandervogel ist eine Schau, im besten Sinn, ein echter unberechenbarer Star – aber er ist auch jemand, der das seit Jahrzehnten beschaulich arrangierte Gefüge beim KSV sprengt.

Trainer Gregoritsch traute sich wohl nur deshalb über diesen Coup, weil er mit Fukal und Siegl zwei andere tschechische Korsettstangen in sein Team eingezogen hat und hofft, dass diese Bezugspersonen dem WM-Teilnehmer und Brückner-Schüler ein Gefühl von Heimat geben.

Ich glaube, dass von der Integration von Heinz vieles, wenn nicht alles abhängen wird. Entweder er trägt oder stützt die Mannschaft, oder er zieht sich mit schwachen Auftritten den Missmut der Kollegen zu, entweder er kitzelt durch seltsame Aktionen den Ehrgeiz oder die Wurschtigkeit seiner Mitspieler raus.

Ansonsten hat der KSV Liendl verloren, seinen aufgeblähten Kader ein wenig durchgeputzt – um ihn dann mit ein paar seltsamen Neuverpflichtungen (Scharrer?) wieder aufzupumpen, und bleibt auch im "schwierigen 2. Jahr" uneinschätzbar.

SK Austria Kärnten

Leider verhindert das leider allzu oft aufblitzende Schinkelsche Kasperltheater eine sinnvolle Auseinandersetzung mit der Leistungsfähigkeit seines Teams; und seiner.

Die Innenverteidigung etwa, meine Herren... Hinum als Flügelstürmer, ich weiß nicht... Schembri, hm...

Kommt Mair, kommt Schoppitsch, geht Jagne?
Sehr unklare Lage.

Nein, eine Katastrophe wie sie die lokalpolitische Begleitmusik in der letzten Saison verursacht hat, werde es diesmal nicht mehr geben, versichern mir (selber davon angenervte) Insider. Ich bin geneigt, ihnen zu glauben, aber: Hat sich das zuständige Personal geändert? Nein. Dem Umfeld des „Retorten-Vereins“ (Zitat Schinkels) Austria Kärnten ist also weiter alles zuzutrauen. Die miserable Vertragsgestaltung stellt den Coach eh schon vor ein riesenhaftes Problem: Er hat mit Weber, Junuzovic, Ortlechner, Bukva etc. seine Leistungsträger verloren, und muss zum xtenmal mit Neuen von unten beginnen. Dazu kommen diesmal ein paar erfahrene Ex-Austrianer und wieder einmal anderswo Gescheiterte, für deren Aufpäppeln der kleine Holländer ja ein Händchen hat.

Letztlich macht Schinkels genau das, was ein Mittelklasse-Verein in einer Ausbildungsliga tun sollte: Ausbilden. Was immer genau solange gutgeht, solange keine Abstiegs-Gefahr droht. Kommt Kärnten wieder in diesen Strudel rein, wird es eng. Wenn nicht, ist eine Herbstsaison wie die vorige möglich.

SK Sturm Graz

Komisch.
In der ersten europäischen Hälfte gegen Siroki Brijeg klappt alles. In der zweiten dann nichts. Wie geht das?

Gut, der Gegner hat sich erst einspielen müssen, aber Sturm Graz eben nicht. Die Neuen blieben ja draußen.

Ehrlich: Keine Ahnung, was da war; und da das der einzige Blick auf Sturm war, bleib' ich einmal bei der nebenstehenden Einschätzung.

Sturm ist, seit man sich dort endgültig vom Kartnig-Fluch befreit hat, ein Vorzugsschüler: Man macht keine Fehler. Gute (Weber, Buvka) und richtige (Lukse, Ehrenreich) Einkäufe, um den Stamm zu stärken, im Gegenzug wird das Amateur-Team auf die Reise geschickt – hier nimmt jemand den Terminus des Ausbildungsvereins ernst und ist trotzdem imstande, um internationale Startplätze mitzuspielen.

Das rockt.

Ich kann kein Haar in der Suppe finden, deshalb schmeiß' ich drei Wimpern rein: Bislang war es das Team gewohnt, jedes halbe Jahr ein paar Leistungsträger zu verlieren. Dieses Ritual bleibt diesen Sommer aus – vielleicht verunsichert der ungewohnte Kampf ums Leiberl jemanden. Ein Stürmer wäre noch nötig. Und: Co-Trainer Thomas Gerstner hinterlässt eine Lücke.

Sie merken, LeserIn, das sind krampfhafte Versuche, Probleme zu finden, die kaum welche sind. Vom spielerischen Potential und der Coaching-Qualität her ist Sturm wieder bereit, vorne mitzuspielen. Aber selbst, wenn das - durch Pech oder Unvermögen - nicht klappen sollte, wird niemand die Nerven verlieren.

Das rockt auch.

Red Bull / FC Salzburg

Tschimbumkrach.
In Salzburg explodiert sofort alles gleichzeitig in alle Richtungen. Anstatt wie erwartet in Europa die breite Brust zu kriegen und daheim zu schwächeln, ist es genau umgekehrt.

Irgendwie hat Sportchef Hochhauser die Argumentation, dass ein geringer Spieleraustausch der Leistung förderlich ist, übernommen. Aber auch nur, um von der 180 Grad-Kehrtwende bei System/Philosophie abzulenken.

Auch ein Zeichen dafür, dass diese Problemzone alle mehr belastet, als nach außen zugegeben wird.

Der Meister.
Womöglich aber nicht der Herbst/Wintermeister.

Wenn sich Mateschitz‘ Spielzeug endlich, im xten Anlauf in das Projekt Champions League verbeißt, dann könnte die Liga-Performance drunter leiden. Und die Chance für einen CL-Auftritt ist durch die von Platinis UEFA entworfene Neu-Konzeption der europäischen Bewerbe so groß wie nie zuvor.

Da ist meiner Einschätzung nach sogar der wieder zutiefst unvorsichtige Komplett-Austausch von Philosophie (im Wechsel des offensiven Co zum kontrollierten Huub) und die überflüssige Durchmischung des Spielermaterials kein Hinderungsgrund.

Dass die Neuankömmlinge im Hangar 7 nominell eher nur gebrauchte Flieger sind, hängt wohl mit der Krise und/oder Sparkurs zusammen. Ich sehe auch die Abgänge von Bodnar und (optional) Mahop, Vonlanthen und (sehr optional) Janko nicht kompensiert.

Das ist ungewohnt und überraschend, aber nicht zwingend schlecht (schließlich schadet es nichts, einmal mit einer Mehrzahl der Vorjahrsspieler in die Saison zu gehen) – siehe auch die neuen Liga-Politik bei Magna.

SK Rapid Wien

Vorab-Lob bestätigt.
Und die kleine Knopfaufgeherei vom Donnerstag macht sogar mehr möglich.

Allerdings hat sich Pacult leider nicht zurückhalten können: Er musste seinen Kritiker Maierhofer 5 Minuten nach Halbzeit-Pfiff runternehmen, um ihn zu demütigen, er konnte nicht anders. Spiel mit dem Feuer, unforced...

Der Vize-Meister hat sich klug zurückgehalten und so verstärkt, dass in wirklich jeder Formation Ausgewogenheit herrscht – und das ist keinesfalls eine Bundesliga-Selbstverständlichkeit. Man hat nicht nur mit Königshofer oder Schößwendter hoffnungsfrohes Talent nach Hütteldorf geholt, sondern auch die eigenen Leih- (Schrammel) und Amateur-Kapazitäten (Ildiz) ausgeschöpft.

Warum sich Trainer Peter Pacult dann mit dem Rauswurf seiner Co-Trainer einen komplett überflüssigen internen Wickel ins Haus holt, sich mit den (mächtigen) Fan-Gruppen anlegt und murrende Spieler beruhigt werden müssen, ist mit dem Psycho-Schmäh „Unsicherheit und Unruhe spornen zu Leistung an“ nur unzureichend erklärt.

Sollte die ausgewogenste Rapid-Elf seit langem in den ersten paar Spielen schlecht abschneiden (was ich mir nicht vorstellen kann, aber Fußball ist das Spiel der grenzenlosen Möglichkeiten), ist bis zu einer Palastrevolution alles möglich. Denn die Kommunikatoren, die das abfangen könnten (Barisic und Zajicek) sind ja jetzt weg…

FK Austria Wien

Ja, Acimovic ist nicht mehr die einzige kreative Anspielstelle.
Ja, es fehlt immer noch eine dritte echte Spitze.
Und ja, es ist trotz dem eigentlich enttäuschenden Spiel gegen Salzburg, wo man nur reagierte, einiges möglich.

Die Austria hat die Übertrittszeit gut genützt und präsentiert sich jetzt als toll besetztes österreichisches Spitzenteam – nicht nur, weil mit Ortlechner, Klein, Baumgartlinger, Liendl und Junuzovic gezielt heimische Qualität geholt wurde; aber auch deshalb.

Einzig im Angriff wird sich's mit Okotie und Jun alleine nicht ausgehen. Das ist ein veritables Déjà Vu – letzte Saison war’s genauso, und dann kam (wenig erfolgreich) Momo Diabang.

In Abwehr und Mittelfeld werden die guten Kräfte einander auf den Zehen stehen. Coaches lieben sowas, wegen des Konkurrenzkampfs, des Wettbewerbs. Ich bin da immer skeptisch: Ich halte das für eine große Falle, in der Potential und Talent vergeudet wird. Das führt dann zu Stagnation – siehe Krammer, siehe Emin Sulimani, siehe die misslungenen Hochholungen von Angreifern aus dem Amateur-Kader.

Wird all das vermieden, ist die Austria 09 ein potentieller Herbstmeister. Auch weil in dieser neuen, kompakten Besetzung nicht mehr so viel von der launischen Diva Acimovic abhängen wird.

SV Ried

Schau an, schon der erste Gegner hat sich auf Gludos 3-3-3-1 gut eingestellt. Ried ist nur mit Glück zu einem Sieg gekommen.
Also, umso dringender: Ried braucht einen neuen Trick für diese Saison.

Was die SV Ried braucht, ist ein Trainer, Funktionär oder Spieler, der jetzt aufsteht und laut raustrompetet, dass er diese Mannschaft sofort verlassen wird, weil sie nicht ligareif wäre. Dann wäre eine sensationelle Saison wie die letzte so gut wie geritzt.

Nein, im Ernst jetzt: Paul Gludovatz, aktuell der einzige österreichische Coach, den ich ein Genie nennen möchte, muss sich was Neues überlegen. Mittlerweile (eh mit gebührendem Respektsabstand) haben die anderen Teamführer (also alle bis auf Rapid natürlich) sein 3-3-3-1 nämlich übernasert und vermögen sich drauf einzustellen

Da Ried personell kaum umgestellt hat, wird es ein taktischer Trick sein müssen, mit dem das gemeinsam mit Sturm beste Vorjahresteam überraschen wird. Es ist zwar auch möglich, dass sich Gludovatz auf die Qualitäten einer mittlerweile noch besser eingestellten und aufeinander eingespielten Mannschaft verlässt – aber es wäre doch eine Vergeudung der (geistigen und spielerischen) Kapazitäten aller Rieder sich nicht was Unerwartetes zu überlegen.

LASK

Prophetischer Einstiegssatz.
Obwohl's gar nicht so gemeint war.
Der gloriose Auftaktsieg soll nicht drüber hinwegtäuschen, dass es eine Aufbau-Saison sein wird. Die angesprochenen Baustellen gibt's immer noch.
Und ob das "gefühlsmäßig richtige" für eine Saison reicht, ist auch nicht gesichert.

Die Linzer haben schon gewonnen.

Schlimmer als letzte Saison kann es nicht mehr kommen: Die Serien-Rekorde an nicht gewonnenen Spielen sind ebenso wenig zu unterbieten, wie die Platzierung in der Lindenberger-Tabelle; die Lame-Duck-Herrschaft der Oldies Baur und Vastic fällt ebenso weg wie die groteske Einkaufs-Überfüllung im Mittelfeld (naja, die nur fast…) oder die Sprunghaftigkeit des kurzen Krankl-Interregnums.

Der LASK 09/10 kann also nicht verlieren.

Zu viele Mannschaftsteile sind komplett neu: So ist etwa keiner aus der Vorjahres-Stammabwehr mehr dabei. Und jeder, auch der kritischste Fan, wird diesen Zwang zum Neuaufbau nachvollziehen.

Natürlich sind noch genügend Baustellen auszumachen: Zu wenige Stürmer, zu wenige Innenverteidiger, zu viele neue Außenspieler…

Aber Matthias Hamann, der Neue, den ich in seiner Spieler-Endphase beim LASK wegen seines Eisenfußes gehasst habe, wird, so rein gefühlsmäßig, eine Menge richtig machen. Selbst wenn der LASK nur Neunter werden sollte.