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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 7. 2009 - 18:07

Fußball-Journal '09-58.

Hoffentlich-Nicht-Rechtbehalten im Fall von Salzburg.

Siehe dazu auch Red Bull Salzburg und das Ende von Irrglauben an den Glamour-Faktor.

Das Fußball-Journal 09 erscheint regelmäßig, immer aus gegebenem Anlass.

Ich habe ja eigentlich eher lieber nicht recht. Vor allem, was meine Einschätzungen zum österreichischen Fußball betrifft. Nicht nur, weil man aus Irrtümern mehr lernen kann als aus richtigen Analysen, die einen oft in trügerischer Sicherheit wiegen, während jeder Fehler Anlass gibt, das Bezugssystem zu überdenken. Und davon lebt zb auch dieses Fußball-Journal hier.
Nein, ich behalte vor allem dort ungern recht, wo ich instinktiv Unheil wittere, das alles noch tiefer runterziehen kann - woran niemand ein seriöses Interesse haben kann; und das rein destruktive Denken der Fraktion leichtlebiger und fluchtdenkender Fatalisten und Verschwörungstheorie-Süchtler ist ja nicht nur das meine nicht, sondern vielmehr ein absolutes Feindbild.

Wirklich tief runterziehen kann den österreichischen Fußball-Sport nämlich ein Ausscheiden des FC Salzburg (im Europacup darf er ja nur so, nicht Red Bull, heißen, die Auflagen in der echten Welt sind strenger als im sich gern ausverkaufenden heimischen Keller) in der aktuellen Champions-League-Qualifikations-Runde. Dann wären die Mateschitz-Burschen nämlich weg, raus, für die ganze Saison. Der Aufstieg hingegen garantiert zumindest eine Europa-League-Quali-Teilnahme.

Salzburg an der Kippe

Und das würde nicht nur die einzige Mission, die Salzburg heuer hat, nämlich endlich die CL-Gruppenphase zu erreichen, zerstören und Huub Stevens Gastspiel nach drei Pflichtspielen auch schon wieder de facto beenden (das alles kann ja Außenstehenden wurscht sein), sondern auch die Mission der dringend zu erzielenden EC-Punkte, die einen Rückfall in die Untiefen des UEFA-Rankings verhindern soll, gefährden.
Und das trifft dann alle - im Übrigen auch Salzburg selber, die ja auch deswegen so früh und so schlecht gesetzt antreten müssen, weil ihre letztjährigen Auftritte so mies waren.

In der letzten vergleichbaren Situation, vor genau drei Jahren, ging es der damaligen Trap-Mannschaft gegen den FC Zürich ähnlich schlecht. Man hatte sich (wie auch heuer) dem Gegner zu klar überlegen gefühlt, spielte zweimal verheerend und kam nur mit Glück weiter - was zwar zum Out gegen Valencia, aber wenigstens zu ein paar internationalen Spielen führte.
Diesmal war das Stevens-Team immerhin zumindest die bessere Mannschaft - das macht Hoffnung für Dublin.

Denn die sind alles Mögliche, aber kein Anorthosis Famagusta. Denn, ja, und das wird ja gern in der allgemeinen PR-Verblendung mit der sich die Fußball-Öffentlichkeit hierzulande über Realitäten hinwegtäuscht, übersehen: im Vorjahr verschwand der heimische Vertreter nach nur einer Runde bereits auf Nimmerwiedersehn.
Das darf keine Serie werden.

Stevens stumpfe Strategie

Zurück zum Rechtbehalten: ich hab Salzburg nur ein Spiel lang gesehen und dazu noch ein paar Infos über andere Tests und die dort verwendeten Systeme/Spieler gehabt. Insofern war es scheinbar riskant, in einem Journal am Samstag nicht nur die stumpfe Strategie von Stevens zu kritisieren, sondern auch die von Publikum und Spielern gemeinsam getragene Apathie, im Wissen, dass es keine wie immer geartete Glamour-Zukunft (wie in der ebenfalls Red Bull-gesponserten Formel 1) geben würde.

Scheinbar.
Denn Stevens ist ausrechenbar hoch drei. Sein einziger wirklich verändernder Wechsel (Jezek für Opdam, wobei Svento dann einen offensiven Linksverteidiger spielt) kam sogar in der praktisch selben Minute wie im Bayern-Spiel. Alles andere blieb im System.
Und das ist eine katatonische Katastrophe.

Ein 4-2-3-1 lässt sich auf dutzende verschiedene Arten interpretieren - so wie es Stevens, der Sicherheits-Fanatiker, seine Jungs spielen heißt, hat es aber keinerlei offensive Ambitionen. Nach etwa 30 Minuten hielt das Spiel bei 50/50-Ballbesitz - ein Armutszeugnis für eine Heimmannschaft, die ein Spiel in die Hand nehmen will.
Stevens hat die Truppe ideologisch komplett gehirngewaschen. Wo Adriaanse alle Spieler, bis hin in die Innenverteidigung, zum offensiven Denken veranlasst hat, steht bei Stevens deutlich spürbar die Defensive im Vordergrund. So spielt der steife Opdam Linksverteidiger, nicht der versatile Ulmer, Star der letzten Saison. Bestes Synonym: das Comeback von Milan Dudic, einem Abwehrspieler der ganz alten Schule.

Pfiffe gegen die Apathie

Diese Defensiv-Denke ist natürlich Absicht und auch nicht per se falsch: in einer Champions-League-Gruppenphase etwa kann das tolle Wirkung haben. In der Quali allerdings droht damit Ungemacht und auch in der Meisterschaft ist das ein Spielverderber.

Denn natürlich werden Kapfenberg und Ried gegen Salzburg nicht das Spiel machen, sondern einmal abwarten und - wie die Bohemians aus Dublin - dagegenhalten. Das kann schlimme und üble Matches nach sich ziehen, die die Serie der Zuschauer-Pfiffe (nach dem ausverkauften Bayern-Spiel, nach dem schon schwach besuchten Dublin-Spiel) prolongieren wird.

Und sich - bei Überstehen des Rückspiels - von einen vergleichsweise hochwertiger besetzten Gegner in der nächsten Runde dann womöglich reindrängen zu lassen, ist vor allem aus einem Grund hochgefährlich: Salzburg ist nicht eingespielt. Cziommer oder Ilic haben Probleme, Svento ist noch isoliert, die zwei 6er wissen noch nicht so recht, was und wie sie sollen, die einzige Spitze ist (zu) oft extrem auf sich allein gestellt.

Außerdem wird die Starrheit des Stevens-Systems noch Probleme nach sich ziehen. Man muss es ja nicht, wie Adriaanse in der letzten Saison mit immer neuen Experimenten, übertreiben. Aber die Flexibilität, die gestern nach der 60. Minute dringend nötig gewesen wäre, hat gefehlt: und zwar strategisch und individuell.

Positiva

Allerdings ist nur dann an ein Weiterkommen zu denken, wenn die Salzburger die Hausaufgaben ihre Gegenspieler richtig einzuschätzen, ernstnehmen und deren jetzt erlebte technische und körperliche Fertigkeiten mittels Visualisierung zu ihrem eigenen Vorteil umzudrehen verstehen.

Wenn Salzburg sich am Sonntag im ersten Meisterschaftsspiel gegen die Austria irgendwie zurechtfindet und erstmals keine Pfiffe einfährt, dann ist ein Erfolg im Dublin-Rückspiel möglich.

Daran kann Christian Schwegler, seine gute Performance rechts (tolle Einwürfe!) großen Anteil haben. Franz Schiemer könnte einer nicht sicheren Abwehr (Gegentor!) stabilisieren. Ulmer muss hinten links spielen. Svento ist links offensiv ein Gewinn, und Leitgeb braucht das Pouvoir für die Chefrolle.

Da hat Stevens schon viel verschissen, indem er (völlig überflüssig) den Tormann zum Kapitän gemacht hat. Die Schleife kann Leitgeb die zusätzlichen 10% geben, die er für wirkliche internationale Klasse noch braucht. Ein wirklich kluger Coach hätte für die Kapitänsentscheidung ein paar Bewerbspiele abgewartet.

Denn erstmals in der schon jetzt endlosen und lähmenden Red Bull vs Champions League-Historie kann sich die Führung nicht auf die Unterlegenheit im Spielermaterial ausreden (wie das bei Valencia, Donezk, aber auch bei Blackburn, AEK Athen oder Sevilla der Fall war) - diesmal steht das gesamte System Red Bull Salzburg in der Verantwortung.

Morgen hier: Rapid im ersten Elchtest, gegen Vllaznia Schkodra im Hanappi-Stadion.

Im Übrigen hoffe ich, dass ich diesmal (mit der Vorrausage eines Aufstiegs trotz schlechter Lage) doch recht habe. Weil sich aus einer Katastrophe wie dem Ausscheiden ohne Backup-Chance nicht so viel lernen ließe.