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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 7. 2009 - 17:14

Fußball-Journal '09-59.

Die Knopfaufgeherei im Hanappi-Stadion und andere Europacup-Sachen.

Das Fußball-Journal 09 erscheint regelmäßig, aus gegebenem Anlass.
Heute: Anmerkungen zu Rapid-Shkoder und Sturm-Siroki Brijeg.

Wenn die österreichischen Klubs die aktuelle Runde überstehen, werden sie im Übrigen auf cypriotische Vereine treffen: Rapid auf den mittelklassigen Zufalls-Cupsieger APOP Kinyras Peyias, Sturm auf die sattsam bekannten Kollegen von Anorthosis Famagusta (die sich wohl gegen Petrovac aus Montenegro durchsetzen werden).

RB Salzburg, das nur als Weiterführung des gestrigen Journals über deren Blamage, trifft, wenn sie die Bohemians aus Dublin überleben, wieder auf einen der stärkstmöglichen Gegner, der in der Verlosung war, Dinamo Zagreb. In der aktuellen Salzburg-Form sind die klar eine Nummer zu groß...

Manchmal ist alles recht einfach.
Aber nur wenn alles zusammenkommt.
Wenn etwa ein Gegner sehr besiegbar aussieht, wenn das eigene überlegene Team trotzdem nichts ausrichtet und wenn dann ein an sich mutloser Coach über seinen Schatten springt und sich dann traut die Formation auf's Feld zu bringen, mit der seine Mannschaft bekanntermaßen am besten funktioniert, die er sonst aber - aus Furcht - scheut.
Dann geht alles recht einfach: Druck aufbauen, echtes Flügelspiel, Gefährlichkeit aus der Zentrale, Nimmermüdigkeit im Anrennen.

So geschehen gestern abend im Hanappi-Stadion bei Rapid Wiens Europacup-Einstieg gegen Vllaznia Skhoder aus Albanien.
Knappe 30 Minuten lang ging mit Pacults klassischem Vorsichts-4-4-2, mit dem er gegen Schalke begonnen hatte, nichts. Nach stürmischen Anfangs-Minuten verlor sich Rapid zunehmend in Harmlosigkeit.
Das hat mit der Fehlkonstruktion dieser Grundaufstellung zu tun. Regisseur Steffen "Fußballgott" Hofmann ist rechts ebenso fehlbesetzt wie Veli Kavlak links. Und sich auch gegen spielerisch unterlegene Gegner mit zwei Sechsern zu wappnen, ist nicht nur ein wenig mutlos, sondern auch überflüssig. Vor allem, wenn man dann Spieler dort einsetzen kann, wo sie ihr Können auch ausspielen können.

Beseitigung der Fehler in der Grund-Konstruktion

Hofmann etwa in der offensiven Mittelfeld-Zentrale. Der Chef lässt sich ohnehin oft genug fallen, und kann auch defensiv arbeiten.
Oder: Kavlak recht offensiv. Dort kann er seinen guten rechten Fuß benutzen, was über links nicht geht.
Oder: Christopher Drazan, den die Insider in einem Ausbund von Kreativität Fritz nennen, nach seinem Vater, links. Dort geht der nämlich an die Grundlinie wie der wieselige Ümit Korkmaz, und jeder seiner Vorstöße tut dem Gegner weh.

Da ist dann auch wurscht, dass der neue Abwehr-Stabilisator Milan Jovanovic (wegen Transfer-Papier-Problemen) fehlt und wieder die Zitter-Partie Eder-Patocka für gruselige Momente sorgt.

Oder: Andreas Dober, der Rechtsverteidiger. Der hat dann nämlich endlich einen Mann vor sich, einen Partner für die Angriffe - solange Hofmann nominell vor ihm spielt, aber praktisch dauernd den gesamten Platz durchpflügt, ohne sich um die rechte Seite zu kümmern, ist er da allein.
Oder: Christopher Trimmel, die Entdeckung der Stunde, rechts offensiv. Der Bursche ist da, auch schon gegen Schalke, derzeit die bessere Wahl.

Mit diesem tatsächlich und nicht nur nominell offensivem System(das mehr ein 4-1-3-2 ist als ein 4-4-2), bei dem die Seiten tatsächlich und nicht nur pro forma (Hofmann) besetzt sind, rollt das Werkl.
Leider traute sich Pacult da bisher nicht drüber. Beim ersten Rückschlag, beim ersten Gegentor zuckte er zurück und baute wieder auf seine Doppel-6, und auf den Phantom-Hofmann rechts, konservativ wie der Bauer, der bekanntlich nix frisst, was er nicht kennt.

Knopfaufgeherei und Unerklärlichkeit

Wie immer, wenn man ein Spiel im Weststadion sieht, fällt auf: der enge altmodische 70er-Bau, seine Akustik und vor allem die lauten Fans sind eine Macht.
In der Pause erzählte ein Salzburger vom Abend davor, einem Schnösel-Publikum, das schon im Spiel die eigene Mannschaft auspfeift. Nachher, okay, sagt er, aber zwischendrin, das geht nicht!
Und hat damit natürlich recht. Sowas könnte im Hanappi nicht passieren. Dort brüllt eine entfesselte Meute dann auch einen Elfer, der eher keiner war, herbei. Und das, diese Stimmung, diese Hütte, ist ein unbezahlbarer Wert. Auch wenn er, wenn sie internationalen Ansprüchen längst nicht mehr genügt.

Deswegen lässt sich noch nicht einschätzen, ob diese Knopfaufgeherei länger als nur dieses Spiel vorhalten wird. Im Jubiläumsspiel gegen Liverpool am Sonntag wird sicher wieder die 4-4-2-Vorsicht auflaufen, in diesem Fall dann wohl auch zurecht. Aber nächste Woche, in Mattersburg dann?
Ich bin gespannt.

Was in Graz vorgefallen ist, warum sich Sturm in der 2. Halbzeit gegen die bosnisch-kroatische Nachbarschafts-Mischung mit Brasilo-argentinischem Einschlag sowas von nicht durchsetzen konnte, war angesichts der Fern-Fernsehbilder nicht auszumachen.

Klar ist Siroki Brijeg eine Klasse stärker als Vllaznia Shkoder. Aber was ein doch recht unbekannter Gegner wirklich kann, das riecht man vor Ort, am Platz eher als vor dem TV-Schirm. Und der Duft der albanischen Grund-Harmlosigkeit stieg eben sogar Peter Pacult in die Nase.

Die Bosnier hingegen waren nach einer Halbzeit des Sich-Einspielens bereit für mehr. Und da zeigte sich dann, dass brasilianisches und argentinisches Selbstbewusstsein oft schon die halbe Miete ist.
Die Hereinnahme des langmähnigen Juan Manuel Varea brachte dem dann auftauenden Regisseur Wagner Lago einen Spielkameraden, und mit Hilfe der beiden Außen Silic und Ljubic lag plötzlich eine stechende Gefahr über dem stickigen Abend.

Bedrohliche Aussichten

Das erklärt wie gesagt die gute bosnische Leistung der 2. Halbzeit. Warum aber Fodas Sturm so schwach war, ist ein Rätsel.
Interessanterweise hatte der sich für das Vorjahresteam ganz ohne Neue entschieden, auch um einem frisch zusammengewürfelten Gegner eine eingespielte Truppe entgegenzusetzen - also alles richtig gemacht.

Captain von Novi Sad ist im übrigen ein gebürtiger Österreicher, Aleksandar Popovic. Der 25jährige Mittelfeldspieler wurde in Klagenfurt geboren, legte aber die österreichische Staatsbürgerschaft irgendwann zurück. Wäre interessant, ihn zu fragen, wie es dazu kam...

So bringt dieses gefühlte Remis Sturm im Rückspiel ordentlich unter Druck, sehr überflüssigerweise, wie ich meine.
Was die Rute im Fenster noch bedrohlicher macht, als es durch das mittwöchige Auslassen der Salzburger schon schien: Denn auch der heute zugeloste, erste Gegner der Austria Wien ist mit Vojvodina Novi Sad, dem serbischen Traditionsverein, mehr als nur unangenehm zu spielen.
Und so droht bis auf den Knopfaufgehern von Rapid allen anderen Teilnehmern einiges an Ungemach. Und es ist leider großteils selbst verschuldet.