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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

3. 7. 2009 - 08:33

Gay Pride von Ost bis West

Sichtbarkeit, rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen variieren in Europa gewaltig und geben unterschiedliche Agenden für die Bewegungen vor.

FM4 zu 40 Jahre Stonewall

In Wien ist am 16. Mai 2009 mit dem Lifeball ein groß angelegtes AIDS-Charity-Event über die Bühne gegangen, das von Promis und Politik gleichermaßen akzeptiert und umschwärmt ist. Gleichzeitig gehen am Rande des in Moskau stattfindenden Song-Contests Bilder um die Welt, die zeigen, wie die Moskauer Polizei eine Demonstration queerer AktivistInnen gewaltsam auflöst und Dutzende Menschen festgenommen werden. Dieses Beispiel zeigt, wie sehr Gleichstellung und Akzeptanz von Homosexuellen in den unterschiedlichsten Ländern variieren.

lifeball und gay riots in moskau

apa (HANS KLAUS TECHT) bzw homovision

Lifeball in Wien vs. Demo für mehr Rechte inklusive Polizeieinsatz in Moskau.

Die Stonewall Riots von 1969 werden als der Beginn der politischen Lesben- und Schwulen-Bewegung gesehen. Diese Bewegung kämpfte für mehr Rechte von Schwulen, Lesben und Transgender Personen, aber auch für Sichtbarkeit und Akzeptanz in der Gesellschaft. Und dafür, dass Homosexualität nicht mit einem Schamgefühl verbunden sein muss, sondern mit einem gewissen Stolz nach außen getragen werden soll. In diesem Zusammenhang entstanden auch die Pride Parades, die in den meisten Ländern rund um das Datum der Stonewall Riots abgehalten wurden.

In den letzten vierzig Jahren seit Stonewall ist im Bezug auf die Gleichstellung und Sichtbarkeit von Homosexuellen viel geschehen. In vielen europäischen Ländern wurde beispielsweise seit den 90er Jahren die rechtliche Gleichstellung von homosexuellen PartnerInnenschaften realisiert. Gesellschaftliche Akzeptanz und Rechte von Lesben und Schwulen variieren in den meisten Ländern Europas aber gewaltig und geben so unterschiedliche Agenden für die jeweiligen politischen Bewegungen vor.

Sich an die AktivistInnen erinnern

Ulrika Dahl

södertörns högskola

Ulrika Dahl

Schweden war eines der ersten Länder Europas, das eingetragene Partnerschaften ermöglichte, nämlich bereits 1995. Daher hat man dort im Sinne von rechtlicher Gleichstellung und Sichtbarkeit schon einiges erreicht, sagt Ulrika Dahl, schwedische Queer-Aktivistin und Forscherin an der Universität Södertörn in Stockholm: "Sweden is a bit of a paradise in some ways, because we not only have registered Partnerships since 1995, but since May of this year we also have same-sex marriage. Queer families are recognized in a variety of ways and so on. So I think in an overall sense maybe the gay movement in Sweden is having a bit of a crisis in terms of what its issues should be."

Dehnt man aber die Anliegen der queeren Bewegungen auf andere Bereiche sozialer Ungleichheit aus, gibt es auch in Schweden noch immer viel zu tun: "You will see that we have a lot of work to do in particular around issues of migration and issues of racism, Issues of ageing. Now that a large part of that community, that built the movement, in other words all those stonewall people are getting older. And queer movements tend to be really focused on youth, partying, invention, newness, squatting, what have you. And I think that we need to not only remember our history, but also need to care for and remember those, who have been working really hard, to make the world a better place for us today."

Ein lautes Zeichen

In Österreich ist man von der schwedischen Situation noch weit entfernt. Seit Jahren wird beispielsweise die rechtliche Gleichstellung homosexueller PartnerInnenschaften hinausgezögert, auch mit der Sichtbarkeit von Lesben und Schwulen – etwa in der Politik – ist man bei uns noch längst nicht so weit wie in anderen Teilen Westeuropas.

regenbogenparade 2008

CHRISTIAN MUELLER/apa

Die Regenbogenparade am Wiener Ring.

Am Samstag, 4. Juli 2009, findet die Regenbogenparade in Wien statt.

Immerhin einmal im Jahr setzen Österreichs Lesben, Schwule und Transgender ein lautes und weithin sichtbares Zeichen: Die Regenbogenparade. Aber das war, wie sich Andreas Brunner im FM4-Studiointerview erinnert, vor der ersten Regenbogenparade 1996 noch ganz anders: "Das war für uns noch wirklich ein komplett anderer Akt, dorthin zu gehen. Damals bin ich hier in einem Studio gesessen und habe mit einem FM4-Redakteur gewettet, der gesagt hat: Da kommen keine 5.000 Leute hin. Und ich musste da natürlich dagegen wetten. Ich habe auch gewonnen, denn es waren dann 25.000, das hat sogar die Polizei zugegeben. Aber die Regenbogenparade war auch ein ganz wichtiger Schritt hier in der Stadt, die Menschen zu öffnen. Nicht nur die, die mitgehen, sind wichtig. Es sind ja auch die wichtig, die hinkommen und sich das Ganze anschauen und denken: Ja, eigentlich sind die eh ganz lustig. Das ist ein Faktor! Ein Sympathiefaktor, um das geht's doch."

Um Sichtbarkeit kämpfen

KritikerInnen meinen ja, die Regenbogenparade einmal im Jahr, das sei zu wenig und das Abfeiern auf der Straße zu unpolitisch. Wie politisch Pride Parades aber sein können, zeigt sich am Beispiel Osteuropa: Dort kämpfen AktivistInnen noch immer darum, Paraden durchführen zu dürfen oder überhaupt störungsfrei durchführen zu können.

Dazu meint die Queer-Aktivistin Sanja Kainic, die selbst Prides im Raum Ex-Jugoslawien mit organisiert und eine Dissertation über Queer Festivals schreibt: "Prides have been such a hot issue for the movements in this region. Starting from the first pride in Belgrade in 2001 and the first pride in Zagreb to this year, when Zagreb pride will be happening for the sixth time."

Sanja Kajiinic

FM4/Irmi Wutscher

Sanja Kajinic

Bei der von ihr angesprochenen Zagreb Pride ist es Mitte Juni 2009 erneut zu Übergriffen Rechtsextremer auf die Parade gekommen. Ein Umstand, der nicht neu ist: "When you walk and you see the reaction of the observers, I mean, there is a lot of support, more and more each year, but there is also the visible presence of skinheads, of football-hooligans, of people, who at the end of pride attack the participants." Was ihr selbst am meisten Angst einflößt, erzählt mir Sanja Kajinic, ist, dass die AktivistInnen von den GegnerInnen permanent fotografiert werden und dass niemand wisse, was die mit den Bildern eigentlich machen.

Die Paraden sind aber dennoch extrem wichtig, meint Sanja Kainic, denn sie sind momentan die einzigen, regelmäßigen Anlässe, bei denen Anliegen der Schwulen- und Lesbenbewegung öffentlich diskutiert werden: "The discussion in the public is mostly localised around Pride Parades, because that's when it becomes evident, that there are Gays and Lesbians in our societies. It is such a political issue, to be visible actually on the streets. That is still the most important thing." Und eben diese Sichtbarkeit ist es auch, die dazu führt, dass Rechte von Lesben und Schwulen als Menschenrechte wahrgenommen werden.

india gay pride

JAGADEESH NV

India Pride.

Am Freitag in FM4 Connected (ab 15 Uhr) zu Gast bei Robert Zikmund: Kurt Krickler von der HoSi

Regenbogenparade Wien am 4. Juli

Die Wiener Regenbogenparade findet heuer am 4. Juli statt. Ab 14 Uhr zieht die Parade vom Stadtpark aus "andersrum", das heißt gegen die übliche Fahrtrichtung, um den Ring, Die Abschlusskundgebung mit Valerie, Friek, gudrun, My Sister's Name is Frank und Lutricia McNeal.wird etwa ab 17 Uhr am Schwarzenbergplatz (nicht wie sonst am Heldenplatz) stattfinden.