Erstellt am: 1. 7. 2009 - 12:11 Uhr
Wo sind Österreichs HomopolitikerInnen?
APA/Georg Hochmuth
Eine der Forderungen der Schwulen- und Lesbenbewegung ist auch die nach Sichtbarkeit und politischer Mitbestimmung. Seit Ulrike Lunacek von den Grünen ins EU-Parlament gewechselt ist, gibt es im österreichischen Nationalrat allerdings keine offen schwulen oder lesbischen PolitikerInnen mehr. Wo sind sie also, die sichtbaren VertreterInnen der SchwuLesBischen Community in der österreichischen Politik? Ich beschließe die fünf Parlamentsparteien durchzurufen und einmal nachzufragen.
Vorfeldorganisationen
Die Entscheidung, wen anrufen, fällt bei der SPÖ und bei den Grünen wenigstens leicht. Hier komme ich ziemlich schnell an die Sprecher von der "SoHo" (kurz für Homosexualität und Sozialdemokratie) und von den Grünen Andersrum.
Das Thema Homosexualität und Transgender ist in der SPÖ immerhin schon seit 1989 verankert. Und seit 1994 gibt es die eigene Organisation, die SoHo. Ihre Aufgabe ist, erklärt mir SoHo-Sprecher Peter Traschkowitsch "die Interessen der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender auf der politischen Ebene abzudecken". Dafür stelle die SPÖ auch ein eigenes Budget, Personal und Räumlichkeiten zu Verfügung. Auf meine Frage, wo aber dann die offen lesbischen und schwulen PolitikerInnen sind, räumt Traschkowitsch ein: "Das ist natürlich das einzige Manko in der SPÖ. Es gibt von unserer Seite noch keinen Landtagsabgeordneten und keinen Nationalratsabgeordneten. Was wir jedoch vorweisen, ist in den Landesorganisationen Gemeinderäte und Gemeinderätinnen und in Wien Bezirksräte und Bezirksrätinnen. Das Problem ist in der SPÖ: Wir sind sehr groß und haben sehr viele verschiedene Interessen abzudecken."
Bei den Grünen gibt bzw. gab es immerhin Abgeordnete im Nationalrat und in Landtagen. Das bestätigt auch Marco Schreuder von den Grünen Andersrum: "Soweit mir bekannt ist, sind wir die einzigen, die auch auf höherer Ebene LesBiSchwule PolitikerInnen haben. Mit Ulrike Lunacek haben wir soeben eine Spitzenkandidatin ins Europaparlament geschickt, die ja davor auch Nationalratsabgeordnete war. In zwei Landtagen sitzen wir, in Wien ich, in Tirol der Gebi Mair und auch in vielen Gemeinderäten Österreichs - auch in kleineren Gemeinden wie z.B. Fieberbrunn bei Kitzbühel, gibt es offen schwule oder lesbische GemeinderätInnen." Über die Grünen Andersrum meint er, dass diese - zumindest in Wien - in allen Gremien Sitz und Stimme haben und somit voll anerkannt sind in der Partei. Allerdings: "Aufklärung, Argumentationshilfen, Bewusstsein schaffen - das alles ist natürlich auch bei uns parteiintern immer wieder notwendig."
"Jaja, die gibt’s!"
Schwieriger ist es schon bei den anderen Parteien HomopolitikerInnen zu finden. Beziehungsweise jemanden zu finden, der/die überhaupt darüber sprechen will (oder kann oder darf oder muss). Es gibt nämlich niemanden in ÖVP, BZÖ oder FPÖ, der/die explizit für das Thema zuständig ist. Für mich beginnt ein eineinhalbtägiger Telefonmarathon. Bei der ÖVP werde ich mit meinem Anliegen schließlich an die Jugendsprecherin Silvia Fuhrmann verwiesen. Bei der FPÖ ist der Justizsprecher einen Tag lang nicht zu sprechen, bis ich dann nach erneuter Nachfrage bei der Pressestelle an die Gleichbehandlungsbeauftragte Heidemarie Unterreiner weitergeleitet werde. Und beim BZÖ rede ich mit Menschenrechtssprecher Gerald Grosz. Auf die Frage nach homosexuellen Parteimitgliedern, bekomme ich von allen drei mehr oder minder die gleiche Antwort:
"Das werde ich ihnen nicht beantworten können", meint Gerald Grosz "aus einem einfachen Grund: Ich glaube in der heutigen Zeit, im 21. Jahrhundert sollten Politiker, aber auch Menschen wie jeder andere, nicht nach sexueller Orientierung, nach Religion etc. beurteilt werden." In eine ähnliche Kerbe schlägt Heidemaire Unterreiner von der FPÖ: "Ich muss sagen, dass sehen wir als Privatsache an. Ich könnte ihnen da jetzt keine Namen nennen und würde das jetzt so geradeheraus gar nicht machen, weil ich nicht wüsste, ob das demjenigen oder derjenigen Recht ist." Auf meine Nachfrage, ob das in der FPÖ denn ein Problem wäre, meint sie: "Das wäre grundsätzlich kein Problem." Und auf den Hinweis, dass in Deutschland das Coming Out von BürgerInnen sehr geschätzt wird, weil das ja auch mit Ehrlichkeit zu tun hat, sagt Unterreiner: "Ja, das sehe ich auch so. Ich finde es richtig, wenn man homosexuell wäre, dass man das auch sagt." Aha. Verstehe.
"Jaja, die gibt’s", sagt ÖVP-Jugendsprecherin Silvia Fuhrmann auf die Frage nach den Homosexuellen in ihrer Partei, "wenngleich wir hier auch keine Feldforschung betreiben, und auch niemandem unter die Tuchent sehen, um zu kontrollieren, was jemand in der Freizeit macht oder welche sexuelle Orientierung jemand wie auslebt." Auf meine etwas erstaunte Frage, warum denn sie meine Fragen beantwortet und ob das Thema denn nur der Jugend zugeschoben werde, entgegnet sie: "Also gerade beim Perspektivenprozess (ANM: zur eingetragenen PartnerInnenschaft) da waren schon alle Teilorganisationen unserer Partei darin involviert. Das ist jetzt nicht etwas, was nur Junge diskutieren und was Ältere sich nicht zu diskutieren trauen würden. Ganz im Gegenteil."
Das Private ist scheinbar nicht politisch
Nach all dem stundenlangen Hinterhertelefonieren stehe ich am Ende etwas ratlos da. Weiß ich jetzt mehr? Eigentlich nicht. Außer dass das Private scheinbar doch nicht politisch ist. Und dass Homosexualität für die Parteien rechts der Mitte etwas ist, das schön brav im Geheimen, hinter verschlossenen Türen stattfinden soll, das aber keinen Anspruch auf politische Vertretung hat. Weil das ganze Gerede, dass sie das nicht kümmert, dass das nicht wichtig ist, kauf ich ihnen nicht ab. Denn ich will von ihnen ja nicht wissen, was jemand in seinem Privatleben macht, sondern es geht mir um sichtbare politische Vertretung einer Minderheit, um die Wahrung von Rechten. Aber das scheint noch nicht angekommen zu sein. Von der politischen Sichtbarkeit, die von Lesben und Schwulen seit Ende der Sechziger Jahre gefordert wird, merkt man unter Österreichs PolitikerInnen wenig und die rechtliche Gleichstellung homosexueller PartnerInnenschaften wird seit Jahren hinausgezögert,
Constantin Film
Anders stellt sich die Situation übrigens in Deutschland dar: Dort meinte unlängst der Politologe Lothar Probst, dass PolitikerInnen mit einem Coming-Out nur gewinnen könnten – denn die Homosexualität sei von einer breiten Mehrheit akzeptiert und die BürgerInnen würden die Ehrlichkeit der PolitikerInnen zu schätzen wissen. Und der Film über Harvey Milk, den ersten offenen schwulen Politiker in den USA, ist ja gerade erst erfolgreich in den Kinos gewesen. Eine Situation, von der man hier noch weit entfernt ist. Ein bisschen mehr Stonewall würde der österreichischen Politik also durchaus noch guttun.