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Markus Zachbauer

Bildung und Einbildung, die Herrscher der Welt. Lifelong Learning in der FM4 Internet-Redaktion.

25. 6. 2009 - 12:35

40 Jahre Stonewall

Die Nacht vom 27. auf 28. Juni 1969 gilt als Wendepunkt im Selbstverständnis Homosexueller. Erstmals drückten sich die Gäste eines New Yorker Homo-Lokales damals nach einer Razzia nicht verstohlen davon, sondern machten richtig Stunk.

Für Schwule und Lesben ist das New York in den späten 1960er ein - verglichen mit anderen US-Bundesstaaten - verhältnismäßig liberales Pflaster. In manchen Bundesstaaten war Geschlechtsverkehr zwischen zwei Männern oder zwei Frauen immerhin bis vor wenigen Jahren eine Straftat.

Das Stonewall Inn, aufgenommen im September 1969

New York Public Library

Die ersten Homosexuellen-Organisationen waren die Jahre zuvor gegründet worden und feiern einige bescheidene Erfolge: Lokale riskieren nicht mehr ihre Schanklizenz, wenn sie an sich küssende Männer Alkohol ausschenken und Polizisten dürfen nicht mehr undercover auf Homosexuellen-Jagd gehen (sprich: sich als Schwuler ausgeben und dann, wenn das Gegenüber Interesse zeigt, die Handschellen klicken lassen). Es entwickelt sich so etwas wie eine schwule und lesbische Szene, und auch die gesellschaftliche Akzeptanz - zumindest im Schmelztiegel New York - steigt. Langsam.

Aber die Schikanen bleiben. Razzien stehen weiterhin an der Tagesordnung. Die lange kriminalisierte Szene siedelt sich dementsprechend nicht gerade an den ersten Adressen der Stadt an, man bleibt im Zwielicht. Wenn die Polizei auftaucht sucht man das Weite. Wer nicht gesehen wird, kann sich keinen Ärger einhandeln. Noch kurz zuvor wurden die bei Razzien aufgenommenen Namen gerne der Presse zugespielt. Die Angst vor einem Zwangs-Outing außerhalb der Szene sitzt nach wie vor tief.

In der besagten Nacht wird das alles anders. Am 28. Juni 1969, um halb zwei Uhr morgens, startet eine Razzia im Stonewall Inn in der Christopher Street. Den Betreibern wird vorgeworfen, ohne Lizenz Alkohol ausgeschenkt zu haben. Sie werden festgenommen, das Lokal geschlossen, die Gäste vor die Tür gesetzt. Statt sich, wie sonst, langsam zu verdrücken bleiben sie aber, provozieren die Polizei, bis die schließlich auch einige der Gäste mit einem Wagen abtransportiert.

Stonewall Riots

New York Daily News

War Judy Garland schuld?

In der Stonewall-Legendenbildung hält sich hartnäckig der Hinweis auf das Begräbnis der Schwulen-Ikone Judy Garland, das am Tag vor den Unruhen stattfand. Die Idee dahinter: Die Homosexuellen seien entsprechend aufgewühlt gewesen. Tatsächlich ist diese Theorie den Stonewall-Riots aber erst mit den Jahren übergestülpt worden, 1969 war davon noch nicht die Rede.

Die Lage eskaliert, die Polizisten verschanzen sich im Lokal, die Gäste versuchen, die Türen aufzubrechen. Die Nachricht von den eingesperrten Polizisten verbreitet sich schnell im Hafenviertel von New York. Und bald sind es nicht nur die Gäste des Stonewall Inn selbst, die auf der Straße stehen, sondern auch Besucher umliegender Bars und AnwohnerInnen. Auch die Polizei erhält Unterstützung. Durch Spezialeinheiten, die vor allem in der Auflösung von Anti-Vietnam-Demos geschult sind. Es entwickelt sich eine Straßenschlacht, an deren Ende 13 Festnahmen und jede Menge verletzte Polizisten und DemonstrantInnen stehen. Niemand hatte damit gerechnet, dass sich die einfache Razzia zu einer Straßenschlacht mit 2500 Beteiligten entwickeln würde.

Die Situation beruhigt sich erst in den frühen Morgenstunden. Und auch nur bis zum nächsten Abend. Da kommen sie wieder, die Homosexuellen, die Drag Queens und die Polizisten. Das Spiel geht von vorne los. Sechs weitere Verhaftungen. Erst nach fünf Tagen kommt die Gegend rund um das Stonewall Inn zur Ruhe.

An der Stadt geht das alles aber nicht spurlos vorbei. "Homo Nest Raided, Queen Bees Are Stinging Mad", schreibt etwa die New York Daily Times. Die versteckten Schwulen und Drag Queens der Stadt haben ihren großen Auftritt außerhalb des Hafenviertels. Sie lassen nicht mehr alles mit sich machen, fordern ihre Rechte. Sie sind plötzlich da, und seitdem nicht mehr verschwunden.

Christopher Street Day

In Erinnerung an die Straßenkämpfe in der Christopher Street, rund um das Stonewall Inn, feiern Schwule und Lesben bis heute ihren Christopher Street Day, gehen bei CSD-Paraden wie der Wiener Regenbogenparade auf die Straße und zeigen vor allem eines: Dass sie da sind.

Der erste Christopher Street Day, New York 1970

Diana Davies/Bethel Agency

1. Christopher Street Liberation Day. New York, 1970

FM4 zu 40 Jahre Stonewall

Themenschwerpunkt: 40 Jahre Stonewall

  • am Donnerstag, 25. Juni, ab 19 Uhr in der FM4 Homebase

In einen Themenschwerpunkt widmet sich auch Radio FM4 dem 40. Jahrestag der Stonewall Riots. Da geht es dann zum Beispiel um die Frage, wo in Österreich eigentlich die homosexuellen PolitikerInnen zu finden sind, warum die Paraden in Osteuropa soviel politische und soziale Sprengkraft besitzen und was sich in den 40 Jahren nach Stonewall eigentlich an der Situation der Homosexuellen in den USA geändert hat.

Zum Nachhören

Die Beiträge und Interviews zum Schwerpunkt 40 Jahre Stonewall gibt es auch zum Nachhören: