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Arthur Einöder

POP: Partys, Obsessionen, Politik. Ich fürchte mich vor dem Weltuntergang, möchte aber zumindest daran beteiligt sein.

25. 5. 2009 - 14:52

Seewiesenfest: Lost and Found

Die Susi, die Johanna und ich waren am Seewiesenfest. Wir haben viel erlebt und ziehen Handelsbilanz.

Ich mach da gar keinen Hehl daraus: in letzter Zeit fühl ich mich häufig verloren. Überhaupt wäre die eigene Habseligkeitsökonomie mitsamt ihrer Handelsbilanz einmal eine tiefsinnigere Überlegung wert.

Du findest, du verlierst, bist im Dispo oder voll der Mäzen. Dieses Wochenende bin ich froh, dass auf unsere Losts and Founds keine Transaktionssteuer steht. Hab ich dem Swoboda noch einmal eins auswischen können. Das ist die Bilanz des Seewiesenfests (nicht verloren, weil gar nie dagewesen: -ival) Numero 16.

Verloren: die Nummerntafel

Numero 16 802 gibts jedenfalls jetzt einmal weniger. Was dazu führt, dass die Freiwillige Feuerwehr, die den Zufahrtsweg bewacht (also doch ein Feuerwehrfest, ich habs ja immer schon gewusst!), mich des Autodiebstahls bezichtigt. Bin ich aber eh gewohnt. Wozu man so ein Blechteil brauchen kann, zeigt sich ein paar Minuten später: Damit wir aufs Gelände dürfen, will der Seewiesenfestchecker am Telefon meine Autonummer wissen. Was haben wir gelacht.

Ein bootssteg mit einer Band drauf

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Meine Handykamera ist nicht so echt am neuesten Stand. Aber die nächsten Fotos kommen alle von Susi Ondrusova, die kann das besser.

Gefunden: die Freude am Sommer

Schließ die Augen und stell dir vor: es ist Sommer, du hast den ganzen Tag Zeit und willst am Abend auf ein schönes Konzert gehen. Dann setzt du dich im Idealfall schon am Nachmittag mit deinen Liebsten zusammen, hast einen Spaß beim Schwimmen oder Chillen oder wie man zu sowas sagt, und ihr geht dann super entspannt auf die Party.

Bei Festivals ist das zwar definitionsgemäß eigentlich eh immer so, dass der Nachmittag für eine coole Zeit gut ist. Aber ehrlich gesagt ist ja die ganze Nachmittagsaction am Flugfeldcampingplatz oder in der Mitte vom Nirgendwo ja immer ein bissi eine Krücke: du machst halt das beste draus, und irgendwo musst du dir ja deinen Sonnenbrand holen, mit dem du den Daheimgebliebenen imponieren kannst.

Am Seewiesenfest gehört das entspannte Abhängen am Bootssteg schon zum Programm dazu. Voll das 2-in-1-Package, he! Aber wehe, das erzählt irgendwer weiter, weil wenn der geilo Kiesstrand bei der Feuerwehrzille dann nächstes Jahr bumm voll ist, werd ich krawutisch.

Clara Luzia: eine Frau mit kurzen Haaren bedient konzentriert ihre Gitarre

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Clara Luzia werden live immer besser. Man beachte: die Halterung für die Bierflasche am Gitarrenhals. Man stelle sich vor: das ganze Zelt lauscht ergriffen.

Getauscht: Hipstermoralkonventionen gegen neue Freunde

Das kommt relativ gut ohne Worte aus. Nur so viel: wurde auch schön langsam Zeit.

Die Fans in der ersten Reihe sind nachmittags noch sehr entspannt.

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Verloren: eine Zecke

Fiva MC ist schon eine imponierende Persönlichkeit. Nicht nur, dass das klug kickende aktuelle Album Rotwild den Fressfeinden Sozialarbeiterhiphop und Blingblingblödsinn geschickt ausweicht. Auch mit Parasiten aller Art muss sich so ein Rothirsch rumschlagen, wie mir die Wikipedia versichert:

Zu den Parasiten, die beim Hirsch zu finden sind, zählen Leberegel, Bandwürmer, Dasselfliegen, Lungenwürmer, Zecken, Hirschläuse und Rachenbremsen wie Cephenomyia rufibarbis und Pharyngomyia picta.

Das mit der Zecke hat Fiva am Seewiesenvortag am eigenen Leib erleben dürfen. Aber immerhin ist der Zeck inzwischen weg, und Fiva mit Lokalmatador Phekt besten Mutes. Der hat als Besucher schon eine beeindruckende Seewiesenfestkarriere hinter sich, und steht jetzt erstmals selbst auf der Bühne. Die oberösterreichisch-Münchner Freiheit, beziehungsweise Freundschaft, legt die Latte für die kommenden Bands jedenfalls hoch.

radi ofm4

Fiva legt mit Freestyle los. Danach kommen die aktuellen Rotwild-Tracks. Sehr sympathisch: Fiva spielt die Zugabe, ohne vorher die Bühne zu verlassen.

Gefunden: eine Bombe

Am Nachmittag waren wir mit Malajube im Wasser plantschen. Okay, genau genommen nicht "mit" sondern "neben", aber wir arbeiten ja an unserem Adabei-Mythos. Was eigentlich aber auch gar nicht notwendig wäre. Schließlich will ich auf etwas viel Cooleres hinaus: wir haben eine Schrapnellgranatenbombe gefunden!! Oder so. Ganz genau wissen wirs natürlich nicht, aber Kochtopf ist es definitiv keiner.

Ein rostiges Ding so groß wie ein Kochtopf.

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Die Bombe haben wir aus den Fluten geborgen. Steht Kleinreifling eh noch?

Ob wir die Bombe nicht zu unseren Freunden von der Feuerwehr mitnehmen sollten, haben wir noch kurz beraten, aber dann hat Susi Ondrusova den Kampf gegen das 12 Grad kalte Wasser angetreten.

(Die ist nicht nur die härtere Sau, was das Baden betrifft, sondern hat auch das Konzert gesehen und kapert entsprechend jetzt den Erlebnisaufsatz:)

Dann lieber doch auf das Malajube-Konzert warten und das Handtuch am Fluss-Rand liegen lassen, damit es später bei Dunkelheit als WC-Matte für die Freilufttoiletten dienen kann. In diesem Sinne: Sauberkeit verloren.

Nicht verloren aber in den Ruhezustand geschickt, hat Malajube-Sänger Julien Mineau seine Sprechstimme. Dem Zusatz neben einmal "Guten Tag" und einmal "Hallo" habe er das Konzert über geschwiegen und sich auf das Singen und die Stimmungen und Übergänge konzentriert, entgegnet er, tausend mal "Merci" gesagt zu haben.

Das Konzert tight und trotz brennender Sonne auf dem Festivalzeltdach mitreissend. Malajube haben noch "one more week to go" und dieser Ort Kleinreifling wird ihnen wohl in Erinnerung bleiben - vielleicht wegen der Schnapsverkostung, vielleicht wegen den Kanadiern, die sich am Seewiesenfest in die erste Reihe gezwängt haben, vielleicht weil wir ihnen den Ortsnamen mit Little Tire Town übersetzt haben. Einfacher gehts nur noch auf dem offiziellen SWF-Anstecker: Seewiese is my dahome

Ein Sänger mit Kapuzenpulli singt energisch ins Mikro. Links ein konzentrierter Keyboarder, rechts ein in sich versunkener Bassist.

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Das sind Malajube live auf der Bühne. Jetzt sagt der Sänger gleich "Merci".

Verloren und gleich wieder gefunden und dann noch einmal verloren: eine Sonnenbrille

So ein Festival stellt einen vor Tausende Herausforderungen. Und die Entscheidung, Seebab oder Grillwürschtel, ist da noch das geringste. Die Garderobe macht da schon eher Stress. Ich mein, was tust du mit der nassen Badehose? Und warum wird so eine Sonnenbrille immer irgendwann obsolet? Zumindest gegen letzteres Problem hat sich das Seewiesenfest ins Zeug geworfen, und Metronomy auf die Bühne gestellt. Da wird keiner mit sunglasses at night blöd angeschaut. Schließlich sind einem die Augenringe selbst dann peinlich, wenn der Tausch von oben (das mit den neuen Freunden) schon vollzogen ist.

Aus den Sonnenbrillen ergibt sich ein weiteres Drama, das ich aber persönlich auflösen kann. Wer nämlich durch den Raybanschleier nicht auf die Bühne gesehen hat, hat wohl auch nicht mitgekriegt, dass Metronomy vom Trio zum Quartett angewachsen ist. Weil auch die poppenden poppigen Dancebriten haben getauscht. Gabriel raus (der kümmert sich jetzt um seine neue Band Your Twenties), dafür haben sich Joseph und Oscar mit Anna und Mbenga gleich zwei Substitutes gecheckt. Als Resultat klingen die Nights Out live jetzt noch liver.

Der supere Seewiesenfest-Backstage-Checker Matthias hat mir meine beim Tanzen verlorene Sonnenbrille zurückgebracht - dankeschön! Dafür vermisst Susi jetzt ihre. Verflucht.

Die Band Metronomy. Viel zu erkennen ist da nicht, weil das Licht sehr dunkelrot ist.

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Anna an den Drums hat früher beim Lightspeed Champion gespielt. Mbenga am Bass war beim Fototermin gerade nicht da.
Mann in Sportjacke, mit Zigarette, lacht mit geschlossenen Augen ins FM4-Mikrofon

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Sänger Joseph hört gern Pixies, bevor er auf die Bühne geht. Sagt er zumindest im Interview.

Gefunden: Gott

Haha, das ist natürlich gelogener als eine Österreich-Schlagzeile. Weil der uns hierzulande bekannte Gott hat mit der Seewiese nicht viel zu tun. Dafür führt Ebony Bones einen neuen Begriff in die popkulturelle Metaphysik ein.

Ihr Akronym GOD steht jedenfalls für Gold-Oil-Drugs und ihre fabelhafte Improvisationstheatergruppe from outer space führt uns das Drama "In GOD We Trust" auf.

In den Hauptrollen: eine entfesselt zuckende Ebony Bones mit einem beeindruckenden Bienenkorb am Kopf, bei dessen Anblick Amy Winehouse vor Neid (erblassen wär da vermutlich falsch) clean werden würde; ein indianisch Gewandeter Asiate mit Tonnen Mascara an der Gitarre, der das Ebony Bones Raumschiff im Stil eines Mr. Sulu durch die Prärie treibt; zwei Backgroundsängerinnen, die das Wort Hintergrund äußerst, äh, hintergründig (?) interpretieren, und sich mit Klatschen und Stampfen in den, naja, Vordergrund spielen.

Die Requisite kann auch eine ganze Menge. Tequilaflaschen als Percussions, viel (fremdes) Federkleid am Gewandstoff drapiert, ungefähr zehn Weltläden aus zehn Londoner Bezirken mussten für die Garderobe dran glauben.

Eine Österreichpremiere, wie sie beeindruckender kaum sein könnte. Tanz- und Schambein sagen danke.

BONUS:
DAS EBONY BONES VERKLEIDUNGSSPIEL! Schneide diese Fototeile aus, und setze die Bestandteile neu zusammen! Voll lustig!!

artists die am seewiesenfest aufgetreten sind

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Verloren: nichts

Nichts verloren in dieser Aufzählung haben die Buben vom Nowhere Train. Die haben zwar kurzerhand Bundesheerzelt (a.k.a. kleine Bühne) gegen den Anlegesteg getauscht, haben aber hier ihre ganz eigene Zeitrechnung laufen.

Gefunden: ?

War sonst noch was, was wir verpasst haben? Hat wer einen Neuen gefunden? Die Unschuld verloren? Oder sonst irgendwas? (Sätze, die mit Ich finde... beginnen, gibts ja eh ohne Ende.)