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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

26. 4. 2009 - 06:00

Der Song zum Sonntag: Bob Dylan

Weisheit und Wanderschaft: "If You Ever Go To Houston"

Nachdem die letzte SzS Rubrik eine veritable Replik provoziert hatte, in der ich (zwar ausgenommen, aber gemeint) missverständlicherweise in eine rockistische Echtheitsverehrungs- Ecke gestellt wurde - in einer Debatte, die seit den achtziger Jahren etwa gleichlautend geführt wird und in der es die mir zugeteilte Position des stilverächtenden Antipostmodernen so gar nicht mehr gibt - wird es jetzt noch schlimmer: Hier kommt ein "Werk".

Dylan

Schuld daran ist der geschätzte Kollege Thomas Kramar, wie viele Menschen (oder Männer?) meines Alters ziemlicher Dylanologe, der die neue Dylan in den Händen hielt und sich wohl nicht ohne eine Besprechung derselben ins Wochenende zurückziehen wollte. Mich selbst hat Dylan nie besonders erreicht. Für meine 68er Eltern war er der Gott alles Zeitgenössischen und die Stimme der Befreiung, auch für die meisten Bands, die ich so lieben gelernt habe, ist er der Hauptreferenzpunkt. Seine großartige Gesangsstimme, ohne die es vielleicht alle anderen Popsänger nicht gäbe, seine mäandernde musikalische Entwicklung, seine Verstellungs- und Täuschungsstrategien bei gleichzeitigem Beharren auf künstlerischer Sturheit und Integität - alles sehr interessant.

Selber aufgelegt hab' ich mir höchstens "Nashville Skyline" (wg. Country) oder "Bob Dylan's Greatest Hits" (wg. Greatest Hits eben). Vielleicht ändert sich das jetzt, da ich 15 Dylan Alben geerbt habe - seiner Karriere zu folgen, wie tausende Exegten weltweit, war mir bisher aber immer zu anstrengend. Wenn der Mann möchte, dass er (dem Foucaultschen Wort entsprechend) immer da steht, wo man ihn nicht vermutet - für mich o.k., folgen wollte ich ihm nie.

baltimoremagazine.net

Daher kann ich recht unvoreingenommen an seine neue Platte rangehen, Thomas Kramar hat für mich (seinen) Lieblingssong "If you ever go to Houston" augesucht.

Together

Zwei Menschen, die mit Dylan an seinem, von der Plattenfirma wegen des Erfolgs von New Morning und seiner Tour sehnsüchtig erwarteten neuen Album "Together Through Life" gearbeitet haben, sind von sich aus interessant.

Der eine, David Hidalgo, hatte mit seiner kalifornischen Band Los Lobos die Wiederentdeckung einer interessanten Musik mitbefördert: Des Cajun/ Tex Mex/ Zydeco, des an der östlichen Genze zwischen Mexico und den USA entstandenen Hybrids aus deutscher, polnischer, tschechischer und französischer Polka, mexikanischer Folklore und Rock'n'Roll. Für dessen Bewahrung waren neben den Lobos vor allem der ewige Musikologe Ry Cooder, als auch die Famile von dessen Akkordeonspieler Flaco Jimenez verantwortlich. Hidalgos Akkordeon bestimmt den Sound von "Together Through Life" stark mit.

Der andere, Robert Hunter, war der lebenslang nie im Line Up in Erscheinung getretene Texter der mit Dylan befreundeten, vielleicht größten Hippieband aller Zeiten, der Grateful Dead. Hunter ist die einzige nicht musizierende Person in der Rock'n'Roll Hall of Fame und meines Wissens auch der einzige Co-Texter von Dylan auf Albumlänge.

Houston

Dylan hatte immer viele verschiedene Stimmen, Ankläger, Kommentator, Witzbold, Schmeichler, Erzähl- Opa, und jedes Mal klang seine Stimme auch dementsprechend anders. Diesmal ist er rauher, kehliger als zuletzt und dem entspricht wohl auch wieder eine Persona, nämlich die des weltgewandten und weit rumgekommenen Drifters und Hobos, der von der Welt nichts Gutes hofft, weil er schon alles Schlechte gesehen hat.

"If You ever go to Houston" knüpft an zwei sehr alte Blues Traditionen an, man könnte sie Männerphantasien nennen, die man schon in Dylans berühmtem Aufzählungssong "Wanted Man" finden konnte:

Einerseits spricht hier der besagte Hobo, der Wanderer, der schon überall war (Houston, San Antonio, Austin, El Paso, Dallas - überall heisst natürlich überall in Texas), der hier im mexikanischen Krieg fast getötet worden war.

Der "Song Zum Sonntag" ist eine Kooperation zwischen FM4 und der "Presse am Sonntag" und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
Die Presse

Er kann uns nicht so weit Rumgekommene nur warnen, die Hände in der Hosentasche zu lassen und vor den Männern mit dem Stern, denn hier gibt es genug Schwierigkeiten, denen ein Mann so begegnen kann.
Andererseits gibt hier der Lover an, der in jeder Stadt ein gebrochenes Herz zurückgelassen hat. Mary Ann, Lucy (die Schwester), Betsy (die andere Schwester, hier hört man ihn lachen), er bittet sogar die Polizei, ihm bei der Suche nach seinem Girl zu helfen, dann könnten sie sogar Kumpels werden. Er hat sie zurückgelassen, denn er hat ein so unruhiges Herz und muss dauernd weiterziehen.

Monoton wird diese Weisheit vorgetragen, dazu treibt Hidalgos Akkordeon wie früher die Orgel von Al Kooper und kleine, süße mexikanische Gitarrenlicks untermalen den dunklen Gesang des ewig einsamen Wandernden.