Erstellt am: 25. 3. 2009 - 14:09 Uhr
How to score
Hallelujah. I've seen this film and I've heard this score, das muss nicht sein. Danke, nein, die zigste Coverversion von Leonard Cohens Freudengesang muss ich ich in keinem weiteren Spielfilm hören. Denn österreichische Filmemacher greifen verstärkt auf heimische Musik zurück.
Nichts vermag die Emotion der Zuschauer vehementer voranzutreiben und in eine bestimmte Richtung zu lenken, wie Musik. Michael Haneke verweist gerne auf die manipulative Kraft der Töne; Filmmusik setzt er so gut wie nie ein. Zum Glück treiben Sigur Ros die Euphorie nur im Trailer zu "Slumdog Millionaire" voran, im Soundtrack lässt M.I.A. ihre Papierflugzeuge los. Zu dumm, wenn Filmmusik bereits mit eigenen Bildern besetzt ist.
Umso erfreulicher, dass mich die Sofa Surfers durch die Hände-hoch-und-vor-die-Augen-Szenen des "Knochenmanns" tragen. Dass Olga Neuwirths Score "Das Vaterspiel" verdichtet und auch Spielfilmdebüts wie Marco Antoniazzis "Kleine Fische" Wert auf eine eigene Musik legen.
Ebenso erfreulich, dass es noch eine Spur radikaler geht:
Timo Novotny und seine Kollegen von den Sofa Surfers legen die Tonspuren so dicht wie Naked Lunch an die bewegten Bilder. Und bringen Film und Musik beinahe ebenbürtig ins Spiel.
Off the beaten track
Es rattert gewaltig. Die Kamera rast mit einem Subway-Zug durch das nächtliche Tokyo, Schlagzeuger und Keyboarder dreschen auf das Schlagzeug ein, die bunten beleuchteten Reklametafeln lösen sich in ein phantastisches punktuelles Flimmern auf, es wird leise. In "Universalove" geht die Musik eine enge symbiotische Beziehung mit den Bildern ein - "Universalove" ist ein Film "von Thomas Woschitz und Naked Lunch".
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Universalove wird von 18. bis 29. April im Gartenbaukino, Wien, laufen. Am 17. April vertonen Naked Lunch den Film von Thomas Woschitz live.
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Come closer where we are
Allein die Exotik der Schauplätze macht den Reiz von Universalove nicht aus (- zumal ich mich frage, warum Japaner nicht auch einmal ohne ihren Freund, den Computer, am Rand zum Otaku-Dasein gezeigt werden könnten und Männer aus Benelux-Staaten bevorzugt schwul dargestellt werden). Bild und Ton bewegen sich und auch Zeit und Stille zu lachen gibt es. Beispielsweise, wenn den Telenovela-Fan in Rio de Janeiro das Schicksal überrollt. Die Liebe mischt sich in Marseille, Belgrad, Luxemburg, Tokyo, New York und Rio de Janeiro unter die Menschen, die Episoden fließen ineinander und Zeitebenen drehen sich achtzig Minuten.
Zu Thomas Woschitz' Epidsodenfilm Sperrstunde spielten Naked Lunch 20005 bereits live, hinter der Leinwand.
"The triple score of private eye Brenner" von und mit den Sofa Surfers ist noch zwei Mal zu erleben:
26.3., ARGEkultur, Salzburg
27.3., Conrad Sohm, Dornbirn.
Die Sofa Surfers nehmen die Bilder in ihre Mitte wie ein weiteres Bandmitglied. Alle drei bisherigen Verfilmungen der Wolf Haas-Krimis um den Privatdetektiv Simon Brenner haben sie mit eigenen Musiken versehen.
Triple score
Für "The triple score of private eye Brenner" hatten die Sofa Surfers dreimal neunzig Minuten Spielfilm, jeweils in der letzten Schnittfassung, zur Verfügung. Wir mussten Zeitlupen ausarbeiten. Und vom Knochenmann dürfen wir nicht zuviel verraten. Wir wollen nicht die Spannung vorweg nehmen.
Für ihren Musikfilm aus den Filmen "Komm, süßer Tod" (2000), "Silentium" (2004) und "Der Knochenmann" schaufelten die Sofa Surfers das Material sehr oft hin und her: Denn geschnitten werden Ton und Bild.
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Einen sehr cinematischen Ansatz hatten wir als Band von Anfang an. Unser erstes Projekt war, einen Cyberpunk-Film zu vertonen, sagt Timo Novotny. Es ist schön, wenn wir Content auf einer anderen Ebene liefern können.
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Für Timo Novotny war die doppelte Herangehensweise nichts Neues: Bei Life in Loops hatte er vierzig Stunden Rohmaterial von Michael Glawoggers Dokumentarfilm "Megacities" zur Verfügung. Novotnys "Life in Loops" ist eine Art Neuschnitt, ein Remix aus Bildern, neuem Filmmaterial und erweitert um einen Score der Sofa Surfers.
Michael Glawogger übertrug sehr bereitwillig die Rechte an seinem Filmmaterial für dieses Projekt.
Bloß keine Teppiche
Auch die Weglassung von Musik ist wesentlich. Ich will nicht, dass die Geigen dudeln, wenn etwas traurig ist, sagt Michael Glawogger. Samstag wurde der vielseitige Regisseur für seine Verfilmung des Romans "Das Vaterspiel" von Josef Haslinger mit dem Großen Preis der Diagonale für den besten Spielfilm ausgezeichnet. Keine Streicher schwingen sich zu dramatischen Sätzen auf, um zu signalisieren: jetzt geht es ans Eingemachte, und drängen die Wahrnehmung. Dialoge bleiben ohne musikalischen "Teppich". Als die Hauptfigur durch Schnee- und Gefühlssturm im Auto fährt, nimmt sich die Musik ihren Raum.
Filmmusik als Untermalungsmusik bereitet Glawogger ein Unbehagen. "Bei Olga Neuwirth wusste ich, es wird keine Untermalung, sondern ein kraftvolles Werk", sagt er über die Filmmusik von Das Vaterspiel.
Lotus Film
Heute ist es ja üblich, soundgenerierte Musikteppiche zu machen. Hier ist es eine mit Noten komponierte und von Musikern mit Instrumenten gespielte Musik. Bereits jene, die für die Tonmischung zuständig waren, stellten fest: Das ist eine eigenartige Musik.
Überrascht von der Anfrage, die Filmmusik zu machen, war anfangs Olga Neuwirth selbst. Ich habe mir gedacht: Oh, es fragt jemand eine Komponistin von zeitgenössischer Musik, erzählte Neuwirth bei der Berlinale diesen Winter. Ich habe Michael Glawogger dann wirklich gelöchert, ob er sich da wirklich sicher ist, weil ich es zuerst nicht glauben konnte. Beim Lesen des Drehbuchs hatte sie bereits sehr viele Musiken im Kopf, eine Oper hätte es werden können. Als sie einen ersten Rohschnitt sah, schränkte sie sich sehr ein.
I am chicken and you are Ei
Kostengründe allein sieht Michael Glawogger nicht als bestimmend dafür, ob eigens komponierte Filmmusik eingesetzt wird oder nicht. Es sei eine Frage des Verhältnisses, wofür man Geld ausgibt, und jeder Film erfordert etwas anderes. Für den Soundtrack zu Contact High wurden die Rechte zu Songs von Devendra Banhart, Calexico über Get Well Soon, Tiefschwarz zu Cornus "Youpi" eingekauft. Das Budget für den Soundtrack war nicht gering. Selbst die Hauptdarsteller Michael Ostrowski und Raimund Wallisch singen ein Lied. I am chicken, and you are Ei. Und ich muss mir sofort Steak for chicken anhören.
Ein ganz anderer, doch auch entrückter Film läuft mit "The Golden Foretaste of Heaven" ab. Bei der Projektion auf der Diagonale kam ich mir vor, als wäre ich in ein Zeitgeist-Magazin gekippt. Die Animationen alles andere als unaufwändig, die Mädchen schön und fertig und Trümmerfrauen einer Zukunft mimend, aufgenommen in der verführerischen Ästhetik von Werbefotografie ist The Golden Foretaste of Heaven so sehr Pop, dass er amüsiert. Intakt sind nur noch die Reklameschilder an den hohen Gebäuden, als Robert Stadlober in einem Panzer durch ein menschenverlassenes Berlin rollt - stets begleitet von der elektronischen Kulisse Alec Empires.
Richard Wilhelmer
1000 Fotos hat Wilhelmer in ein zwanzigminütiges Musikvideo gepackt. Irgendwo im Geröll verloren ging der Anflug einer Handlung, den Blick konnte ich dennoch nicht abwenden. Ein Kurzfilm wie ein Showreel für den amerikanischen Markt. Richard Wilhelmer ließ sich von Alec Empires gleichnamigem Album zu "The Golden Foretaste of Heaven" hinreißen. Im Laufe der Arbeiten am Kurzfilm entstand ein eigener Soundtrack von Alec Empire und Nic Endo.
"In der Disco : Tekno"
Eigene Filmmusik spielt auch in österreichischen Dokumentarfilmen in den letzten Jahren zunehmend eine besondere Rolle.
Karuan arbeitet seit "Die Souvenirs des Herrn X." mit dem Filmemacher Arash T. Riahi zusammen. Sein wunderbarer Track Dunya ging einem nach "Exile Family Movie" tagelang nicht aus dem Kopf. Die Filmmusik zu Arash T. Riahis Spielfilmdebüt Ein Augenblick Freiheit kommt ebenfalls von Karuan Marouf. Auch den Dokumentarfilm Flieger über Amazonien von Herbert Brödl, der sich mit zwei Piloten als Protagonisten in die gewaltigste Flusslandschaft der Welt begibt, hat der Musiker untermalt.
Garish haben für Tintenfischalarm einen eigenen Soundtrack aufgenommen, der Trompeter Franz Hautzinger hat den Score zu The End of the Neubacher Project geschrieben und die Berliner Band Les Hommes Sauvages war für den Soundtrack zu Mein Halbes Leben von Marko Doringer verantwortlich.
KINOKI
In Gangster Girls kommen ausschließlich Insassinnen der Justizanstalt Schwarzau, des einzigen Frauengefängnisses Österreichs, zu Wort. In der Musik im Film setzt sich diese Erzählperspektive fort: Die Musik ist so, wie die Frauen sie haben wollten, sagt Regisseurin Tina Leisch.
Eva Jantschitsch hat die Musik zum Theaterstück "Medea bloß zum Trotz" komponiert, das den Ausschlag zur Dokumentation gab. Gemeinsam mit den Darstellerinnen hat Jantschitsch zwei Songs entwickelt. Es gibt die Techno - und die Hip Hop-Fraktion in Schwarzau, und Techno ist gar nicht Evas Sache, erzählt Leisch schmunzelnd. Und die inhaftierten Hauptdarstellerinnen einigten sich auf R'n'B-Nummern. Abseits der Songs wird Musik äußerst sparsam eingesetzt – ein paar Sekunden Technobeats ertönen nach Aussagen, die Luft brauchen.
"Gangster Girls" läuft am 27. März an - und ich hoffe auf einen baldigen regulären Kinostart von Liebe und andere Verbrechen. Die Filmmusik kommt von Naked Lunch und Anica Dobra würde ich zu gern noch einmal durch Belgrader Plattenbauten begleiten.