Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Deichkind-Mastermind ist tot"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

24. 2. 2009 - 11:33

Deichkind-Mastermind ist tot

Sebastian "Sebi" Hackert, Produzent und musikalisches Mastermind von Deichkind, ist völlig überraschend verstorben.

Mehr zu Deichkind

Was wie ein Gerücht geklungen hatte, ist jetzt bestätigt: Sebastian "Sebi" Hackert, Produzent der Hamburger Band Deichkind ist vergangenen Samstag im Alter von nur 32 Jahren in Hamburg gestorben. Über die näheren Umstände des Todes kann bislang nur spekuliert werden, da von Seiten der Band und des Managements noch keine offizielle Stellungnahme eingelangt ist.

Sebastian Hackert war den Deichkind Fans nicht als aktiver Teil der Exzesse bekannt, für die die Band auf der Bühne und darüber hinaus berüchtigt war. Vielmehr war er maßgeblich an Sound und Konzept hinter der einzigartigen Truppe beteiligt und hat sich als eine Art "graue Eminenz" stets im Hintergrund gehalten. Bei den extrem anstrengenden Touren der Band war er als Studio- und Live - Mischer allerdings immer beteiligt.

Deichkind

Mirjam Unger

Deichkind hatten sich im Jahr 2000, mitten im beginnenden großen Hype um deutschen HipHop, als eine der Überraschungen aus Hamburg etabliert. Ihr Hit "Bon Voyage" schien, ebenso wie zuvor Fettes Brot, Tobi und das Bo und die Absoluten Beginner, geeignet, die Szenegrenzen zu überschreiten und ein eigenständiges, von US Vorbildern emanzipiertes, massentaugliches deutsches Genre zu begründen. Die Hamburger hatten in dieser Gründerzeit des deutschen HipHop wohl die Rolle der Spaßmacher und Prolldarsteller ausgefasst und füllten sie mit gelungenen spontanen Witzen, anarchistischen Collagen und bizarren Kooperationen - etwa mit dem Geiger der deutschen Karnevals- Countryband Truck Stop oder - später – mit dem Technoproll- Poeten HP Baxxter von Scooter. Mit ihren provokanten, selbstironischen Texten und einer fetten Produktion, für die Sebi Hackert dem Vernehmen nach zu großen Teilen verantwortlich war, hatte Deichkind dem deutschen HipHop - vielleicht der elektronischen Musikszene in Deutschland überhaupt - einen schönen Schubs nach vorne versetzt.

Irgendwann wollten die Jungs wohl nicht mehr. Der deutsche HipHop hatte sich in eine Richtung entwickelt, in der die fan-orientierten, crediblen Acts immer mehr von der Aggro- Berlin Fraktion überrundet wurden und außer dem Fetten Brot, die es mit "Emanuela" in die Playlists der Ballermann Spaßfraktion schafften, war der Bewegung wohl die Luft ausgegangen. Deichkind pfeift damals darauf und erfindet - praktisch im Alleingang - die an Punk und Techno orientierte Mischung aus Tanzmusik und Anarchismus, die seither in Egotronic, der Tante Renate oder Räuberhöhle so viele Nachahmer gefunden hat, dass man schon wieder von einem eigenen Genre sprechen kann. Kongenial verstärkt um den geläuterten Prollrapper Ferris MC begeisterte die Truppe vor allem live und hatte mit "Remmidemmi" einen genreübergreifenden Hit von Wuppertal bis Bozen, von Komasaufexzess bis linker Studentenparty.

Für diesen Umbau von Deichkind, für diese Erfindung eines intelligenten neuen deutschen Genres war der dicke, minimale und eindringliche Sound von Sebastian Hackert maßgeblich mitverantwortlich. Wie es jetzt mit Deichkind weitergeht, lässt sich nur mutmaßen, aber angesichts eines solchen Verlusts, wird es wohl schwierig werden, das Niveau an Unbekümmertheit und Spaßwillen zu halten, das die Band auf ihren Touren seit Jahren vorgibt.

Von unserer Seite bleibt uns nur, der Band und der Familie von Sebastian Hackert unser Beileid auszudrücken und uns für all die schöne und innovative Musik zu bedanken, die uns der Verstorbene hinterlassen hat.