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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

23. 2. 2017 - 18:45

FM4 Extraleben: Lernen

Für das Leben und die Spiele lernen wir. Das ludische Trio diskutiert übers Lernen mit und in Games.

FM4 Extraleben: Lernen

Am Donnerstag, 23. Jänner, von 21 bis 22 Uhr, und danach für 7 Tage im FM4 Player.

fm4.ORF.at/extraleben

"Man kann nicht nicht kommunizieren", das ist einer der bekanntesten Sätze des österreichischen Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick. Abgewandelt könnte man auch sagen: Man kann nicht nicht lernen. Denn egal, was wir tun, ständig erfahren wir Neues und entwickeln uns weiter. Das passiert natürlich auch beim Spielen und da oft vor allem in jenen Momenten, in denen wir es bewusst am wenigsten wahrnehmen.

Fozzie Bear erklärt "Pac-Man"

CC BY 2.0 flickr.com, User jdhancock

Let me explain: Wacka, wacka! (CC BY 2.0)

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Alles ist Lernen

Spielen führt gewissermaßen automatisch zum Lernen. Die Frage ist jetzt, was man genau lernt und wie sehr die Gesellschaft von uns vielleicht sogar verlangt, dass wir bestimmte Dinge beim Spielen lernen sollen. Diesbezüglich ist es natürlich auch wichtig zu sagen: Spiele sind in erster Linie Selbstzweck.

In der Vergangenheit hat die gesellschaftliche Unsicherheit viele Computerspielende aber dazu veranlasst, über diesen Selbstzweck hinaus Lernerfolge zu behaupten, die von Games ausgehen würden. Gerne vorgebrachte Behauptungen sind etwa, dass man durch Adventure-Games Englisch lernen würde und dank First-Person-Shooter eine bessere Hand-Augen-Koordination hätte als Nichtspieler/innen. Stimmt vielleicht, muss aber nicht stimmen. Auch heutige Topmanager, die vor ihrer Karriere einige Jahre als Couch surfender, Cola und Chips konsumierender Raid-Leader in "World of Warcraft" verbracht haben, sind bisher noch nicht ausfindig gemacht worden. Aber Spaß beiseite: Dass wir beim Spielen grundsätzlich lernen, steht außer Frage.

Fakten versus Systeme

Es gibt immer noch eine große Diskrepanz zwischen jenen klassischen Lerninhalten, die in der Schule vermittelt werden und der Lebenspraxis außerhalb des Klassenzimmers. Dabei ist es gar nicht nur eine Frage von Theorie versus Praxis, sondern auch eine in Bezug auf Motivation beim Lernen. Je frontaler und trockener Lerninhalte daherkommen, desto mehr sträuben wir uns dagegen und desto ineffizienter wird die ganze Angelegenheit. Andererseits ist es natürlich schwer, Inhalte strukturiert aufzubereiten, wenn die Lernmethode - etwa ein Computerspiel - zu individuell ist.

So wird klassische Bildung weiterhin hauptsächlich über Fakten und wenig über Kontexte und Kreativität geliefert. Computerspiele sind hingegen praxisorientiert. Sie sind perfekt darin, Settings und Themen in Systeme einzubetten und ihnen so Kontext und Anwendbarkeit zu verpassen. Andererseits ist reine Faktenvermittlung in Games schwierig. Außer, man hält sich etwa bei einer historischen Erzählung akribisch an die jeweiligen Geschehnisse, was oft spielerisch langweilig oder sperrig wäre und den Designer/innen keinen Gestaltungsspielraum ließe.

Lasset uns scheitern!

Noch etwas, das Spiele uns besser lehren als die Schule, ist das Scheitern. Klar, auch in der Schule wird niemand verdammt oder fliegt sofort durch, wenn sie oder er einmal etwas nicht weiß. Doch es ist zumindest unangenehm und hat Konsequenzen - mal nur ein grimmiger Kommentar des Lehrers, ein anderes Mal eine (zu) schlechte Schulnote.

Im Spiel hingegen wird durch Scheitern gelernt. Es ist die klassische wissenschaftliche Methode: Probiere A. Klappt nicht? Dann probiere B. Klappt auch nicht? Dann ist es vielleicht doch Methode C, die zum Erfolg führt. Meine Mutter hat das während meiner Oberstufenzeit bereits instinktiv richtig erkannt, wenn ich das eine oder andere Mal eine negative Schularbeit nach Hause gebracht habe: Ich sei Versuch und Irrtum aus Computerspielen gewohnt, aber in der Schule geht das eben üblicherweise nicht. Es gibt dort nur wenige Chancen, sein Können zu zeigen – danach ist Game Over.

Das Leben mit Spielmechanik würzen



Das erfolgreiche Lernspiel "Ludwig", 2011 von der Wiener Games- und Webentwicklerfirma ovos gestaltet, ist eine Mischung aus Jump'n'Run und Puzzlespiel und basiert darauf, dass wir Physik-Grundlagen anhand von Texten, Bildern und Animationen erklärt bekommen und sie dann im Game bei der Lösung von Rätseln anwenden müssen. Relevant ist dabei, dass das Spiel an sich unterhaltsam ist und die Verwebung der Lerninhalte nicht allzu vordergründig passiert. Denn nur Fakten in langweilige Spiele verpacken, das funktioniert - wie bereits oben erwähnt - selten bis nie.

Natürlich ist die sogenannte Gamification nicht der große Heilsbringer, als die sie noch vor ein paar Jahren von einigen Forscher/innen beschrieben worden ist. Dennoch kann man didaktisch von Spielen einiges lernen. Wenn zum Beispiel Schülerinnen und Schülern ermöglicht wird, dass sie untereinander Punkte für erledigte Aufgaben verteilen oder selbst im Unterricht hochleveln können. Das wandelt den Frontalunterricht zu einer Art gemeinschaftlichen Seminar.

Was Spiele selbst beim Beibringen falsch machen

"Final Fantasy"-Handbuch

flickr.com, User bochalla

F*cking manual (CC BY-SA 2.0)

Alles sollte man sich aber nicht von Computerspielen abschauen. Games sind in den 45 Jahren ihres Bestehens ziemlich komplex geworden und ein Satz oder ein Knopf genügt als Erklärung längst nicht mehr, um ein Spiel zu erlernen. Zur Zeit von C64 und Co. hat es teilweise sehr ausführliche Handbücher zu Computerspielen gegeben. Die sind Ende der Neunziger Jahre aber immer kleineren Heftchen gewichen. Kein Wunder, denn mal ehrlich: Who reads the f*cking manual?

Das Schlimmste ist aber das Tutorial, wo uns anhand von diversen Vorführungen und Beispielen die jeweilige Spielmechanik erklärt wird und wir es nachmachen müssen. Eine Art Trockentraining quasi, allerdings nicht das beste. Denn ein Tutorial ist der Frontalvortrag der Spielkultur, der oft Triviales mit Kompliziertem vermischt und wenig Freiheit zum Ausprobieren lässt. Wie wäre es stattdessen mit einem Einstufungstest anhand einer künstlichen Intelligenz? Der FM4 Extraleben-Thinktank empfiehlt: Spielerin und Spieler sollten einen bei jedem Spiel mal einen Ersttest absolvieren. Je nach Abschneiden wird dann mehr oder weniger viel erklärt. Gern geschehen, liebe Gamedesigner/innen!

FM4 Extraleben über Lernen

Conny Lee, Rainer Sigl und Robert Glashüttner sprechen über Lernen in und mit Spielen. Am Donnerstag, 23. Februar, von 21 bis 22 Uhr.