Erstellt am: 5. 2. 2017 - 06:10 Uhr
Gelassene Pendelbewegungen
Der Loop des angezerrten Pianos von "Unter Strom" eröffnet die neue Platte der Burgenländer Garish und sofort ist klar, dass sich hier viel verändert hat. Entgegen dem Inhalt der Textzeile "du bist non-stop unter Strom" singt Texter und Mastermind Thomas Jarmer diese Zeile mit einer unglaublichen Gelassenheit.
Der ein bisschen verträumt erscheinende Refrain, der einzig über das hämmernde Piano und entfernt verhallenden Gitarrentönen dahinschwebt, verführt einen sofort in das neue, etwas dunkle Sounduniversum. Und wenn das trockene, präzise Schlagwerk einsetzt, dann ist man schon gefangen in der inneren Welt von "Komm schwarzer Kater", durch deren poröse Oberfläche die blendenden Strahlen des Wahns der heutigen Welt hereindringen.
Andraes Jakwerth
Das Einziehen der Metaebene
Angefangen hat alles gleich nach der letzten Tour zum Album "Trumpf", als sich die Band noch zu fünft an neues Material herangewagt hat. Mit Ausstieg von Gitarrist Christoph Jarmer war dann schnell klar, dass Garish die Reißleine ziehen mussten. Noch einmal mit großteils fertigen Songs ins Studio zu gehen, um den Bandmoment aufzunehmen, das war passé. Vielmehr hat sich das Quartett bei jedem der neuen Stücke auf die Suche nach dem gemacht, was den Song einzigartig werden lässt. Mit dieser veränderten Herangehensweise haben Garish auch ihre gewohnte Umgebung der Cselley Mühle gegen die Tonkombüse in Wien eingetauscht, in der Produzent Stefan Deisenberger die perfekten Rahmenbedingungen für die Aufnahme hergestellt hat.
Garish/Ink Music
Zu jeder Songskizze wurden mit neuen Tasteninstrumenten eine Melodie, ein Riff oder eine Begleitstimme aufgenommen, die dann als Ausgangspunkt der musikalischen Reise, also als Metaebene fungiert hat, um nach experimentellen Soundausflügen zum ursprünglichen Songgerüst wieder zurückzukehren. Das hat den vier Musikern von Garish geholfen, sich von fixen Ideen und konkreten Vorstellungen zunächst einmal zu verabschieden, um wieder neuen Raum entstehen lassen zu können.
Das Ergebnis ist erstaunlich. Schon der Opener "Unter Strom" vollführt eine gelassene Pendelbewegung zwischen innerer, rhythmischer Dringlichkeit und äußerer, gesanglicher Entspanntheit. Der dunkle Unterton korreliert dabei perfekt mit den Sorgen des gegenwärtigen Wohlstandseuropäers. Das Textpendel schlägt dabei zwischen dem Kokettieren mit der Zeitnot und der sich bemerkbar machenden Qual der Überlastung weit nach beiden Seiten aus.
Um die eigene Achse drehen
Die "Komm schwarzer Kater"-Tour von Garish:
- 03.03. Freiraum, St. Pölten
- 04.03. Cselley Mühle, Oslip
- 09.03. Posthof, Linz
- 10.03. Weekender, Innsbrucker
- 11.03. Kulturhofkeller, Villach
- 16.03. ppc, Graz
- 17.03. ARGE Kultur, Salzburg
- 18.03. Spielboden, Dornbirn
- 23.03. Kino im Kesselhaus, Krems
- 24.03. Arena, Wien
- 26.03. Milla, München (D)
"Komm schwarzer Kater" ist ein deutlich abgespecktes Album. Hier ist kein Ton und kein Wort zuviel. Vielleicht entsteht so auch das Grundgefühl, dass Stimme und Instrumente viel mehr Platz haben, als bisher. Das hat aber auch die Thematik des Albums bedingt. Geht es in den meisten Songs nämlich um den Raum zwischen den Extremen. Der Gleichzeitigkeit von dem sich Einschließen in der eigene Blase und dem sich nicht entziehen können der täglichen Informationen, die auf uns einprasseln.
Auch wenn "Komm schwarzer Kater" kein politisches Album ist, hat es doch einen politischen Anlass. Der wird in einem Song wie "Matador" gut transportiert, singt Tom doch von den sich unterschwellig im Bewusstsein einnistenden, populistischen Machthabern, die es geschickt verstehen, jeden Sachverhalt zu vereinfachen und in Schwarz und Weiß aufzuteilen, um diesen als druckfrischen Zeitungssolgan in allen Haushalten zu verbreiten. Musikalisch ist der Song noch am Nähesten an dem bekannten Bandsound anzusiedeln. Wobei das schon erprobte Element des Chorgesangs diesmal in der Strophe zum Einsatz gekommt, während im Refrain die neue Gelassenheit uns entgegenschwingt.
Auch im entspannt dahingroovenden "Den Göttern egal" wird nach den Mächtigen gefragt, die das Schicksal von so vielen Menschen auf unserem globalisierten Planeten lenken. Zwischen Albtraum und Aufschubslethargie pendeln Garish auch hier zwischen extemen Postionen.
Andreas Jakwerth
Dieser Blick auf das große Ganze ist wiederum nur ein Spiegel der inneren Seelenwelt. Der Song "Apollo" verhandelt die Macht- und Musterspiele in den kleinen Welten zwischenmenschlicher Beziehungen. Komplett ins Innenleben zieht sich der halluzinogene Song "Fieber" zurück, in dem zumindest sprachlich mal die Sau rausgelassen wird, während im Kontrast dazu die flirrenden Zieharmonikatöne eine traumähnliche Atmosphäre verbreiten. Überhaupt spielen Garish auf dieser Platte mehr denn je mit musikalischen Kontrapunkten und menschlichen Widersprüchen unserer Zeit. Denn für Thomas machte es genau dann den Reiz aus, "wenn es widersprüchlich wird und trotzdem stimmt."
"Komm schwarzer Kater" ist ein Album, in dem sich der moderne Mensch von heute um die eigene Achse dreht, um herauszufinden, was die auf ihn einwirkende Außenwelt mit seinem Innenleben macht. Die Platte beinhaltet trotz manch düsterer Stimmung die Aufforderung, sich den Dingen des Lebens zu stellen. So steht Thomas' Allergie gegen schwarze Katzen und seine gleichzeitige Liebe zu ihnen als Sinnbild dafür, lieber den Schritt auf das Unglück zu zumachen, als mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Und es wären nicht Garish, wenn am Ende in dem genialen Abschlussstück "Menschenfresserwalzer" nicht die Toleranz gefeiert und sowohl mit dem Glück als auch dem Unglück das Tanzbein geschwungen würde.