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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

13. 2. 2014 - 11:48

Burgenländischer Triumph

Das neue Garish-Album "Trumpf" ist ein reduzierter, tiefgründiger und düsterer Geniestreich.

Sich selbst überlisten, ohne dabei sich selbst zu verleugnen - eine schwierige Aufgabe, gerade als Künstler oder Musiker, die gerne davon sprechen, sich selbst "neu erfunden" zu haben. Was in den meisten Fällen eine hohle Phrase bleibt, ist im Fall der Band Garish zum unumstößlichen und unausweichlichen Arbeitsprozess geworden: Selbst wenn die Musiker um Sänger und Texter Thomas Jarmer es anders wollen, es geht halt nicht. Und so ist auch "Trumpf" nach vier Jahren Pause ein Werk geworden, das die Band in einem neuen Licht zeigt. Wobei das eigentlich im Wortsinn nicht stimmt, denn so düster wie dieses sechste Studioalbum war eine Langspielplatte der Burgenländer noch nie.

bandfoto Garish

Julia Grandegger

Schwarz ist Trumpf

Es gehört schon eine Portion Mut oder vielleicht doch nur besagter Drang, sich und sein Schaffen selbst zu kontrastieren, dazu, ein erstes musikalisches Lebenszeichen mit einer einsamen, akustischen Gitarre zu beginnen. In gewohnt kunstvoll gespielten Akkordzerlegungen erzeugen Jarmers Text und Stimme in "Auf den Dächern" eine intime und irgendwie unheimliche Stimmung.

Sofort entstehen Bilder im Kopf, die von Filmregisseur Christoph Kuschnig in einem Video meisterlich umgesetzt worden sind. Es verstärkt die bedrückende Annahme, die Nummer drehe sich um gescheiterte Existenzen, für die der Alltag zum immer wiederkehrenden Überlebenskampf geworden ist, permanent an der Kippe zum Durchdrehen oder den letzten Befreiungsschlag auszuführen, der sie vom irdischen Dasein erlöst.

Garish live in Österreich

  • 3. April: Salzburg, ARGE Kultur
  • 4. April: Ebensee, Kino
  • 5. April: Klagenfurt, Ballhaus
  • 9. April: Graz, PPC
  • 10. April: Wien, WUK

Neben der erwähnten Akustikgitarre sind bei "Auf den Dächern" nur schwermütige Klavierakkorde zu hören, die sich mit einem seltsam metallischen Klopfen vermischen: eine Atmosphäre, die etwas Trostloses und auch irgendwie etwas Fieses hat. Es sei laut Schlagzeuger Max Perner eine sehr bewusste Entscheidung gewesen, diesen Song als erste Single zu wählen. Gerade in Zeiten, in denen sich Bands und Künstler mit großem Knall zurückmelden, generieren Garish durch Reduktion auf leise Töne Aufmerksamkeit. Es ist auch ein Kontrapunkt zu dem Knalleffekt der letzten Platte "Wenn dir das meine Liebe nicht beweist" und der anschließenden Tour, die dem Quintett viel Anerkennung und Lob eingebracht hat.

Plattencover "Trumpf" von Garish

Garish/Schönwetter Schallplatten

Konzept um des Konzepts willen ist diese neue Richtung jedoch nicht. Eigentlich wollten Garish an die Energie und den Sound von "Liebe" - wie das letzte Album liebevoll in Kurzform genannt wird - anschließen. Und sie sind daran großartig gescheitert. Großartig deshalb, weil "Trumpf" sonst nicht so ein intensives, unangenehm schürfendes und zugleich berührendes Album geworden wäre.

Selbst die zweite, etwas beschwingtere Single "Ganz Paris" beschwört nicht die Geister der Stadt der Liebe herauf, sondern vermittelt das panikartige Gefühl des Brodelns unter der Oberfläche, das einem die Luftröhre zuschnüren kann. Auch "Die Schaltzentrale", eine leise, wunderschön melancholische Komposition, erzählt von Resignation in Beziehungen, wenn nichts klappt und einem das Glück wieder einmal nicht hold ist. Und das nervös zuckende Stück "Wissen wir alle" vermittelt mit genialer Rhythmussektion, treibendem Klavier und knöcherner Produktion den Existenzkampf unseres modernen, getriebenen Lebens.

Humor ist Trumpf

Bei all dieser Dunkelheit haben Garish zwar ein schonungsloses, aber nicht hoffnungsloses Werk erschaffen. Denn Jarmer flicht bei fast allen Stücken Witz und Humor in seine Texte ein, die einen schmunzeln lassen und sich selbst auch der Lächerlichkeit preisgeben. Die Stelle "Wer Bogart falsch zitiert, hat das verdient ..." in dem Song "Auf den Dächern" ist bei all seinem fiesen Unterton auch ein Denkmal für eines der Bandmitglieder, das es mit der Wiedergabe fremder Worte nicht sehr genau nimmt. Und die textlich resignative Stimmung in "Die Schaltzentrale" wird durch fröhliches Pfeifen konterkariert.

Insgesamt nehmen sich Garish trotz visueller Schwarz-Weiß-Malerei nicht "bierernst", wie Jarmer mit verschmitztem Lächeln meint. Sie lieben es nur, auf doppelten Böden zu wandeln, musikalische und poetische Vexierspiele einzubauen, die nicht nur uns oftmals täuschen, sondern auch die Band selbst auf ungeahnte Fährten schicken. Wie die musikalische Reise von "Alte Bekannte", dem Song, der als erster des neuen Albums entstanden ist und von der Anmutung her noch am ehesten an das letzte Album anschließt, der aber im Laufe der Produktion noch einmal aufgenommen werden musste, damit er sich in das klangliche Spektrum der neuen Platte einfügt - und das, obwohl dieses Stück am Anfang die Stoßrichtung des Albums vorgegeben hatte.

Bei "Einmal noch das Echo hören" wurde aus lediglich zwei Akkorden eine der spannendsten und schönsten Stücke der Platte. Es ist ein dahinrollendes Mantra, das mit viel Weisheit und Ironie die Grundlage des Erfolgs von Garish auf den Punkt zu bringen scheint. Schließlich singen die fünf Freunde darin: "Nur der Zufall, nur der Zufall hat die Antwort auf das Öde, immer wieder, immer wieder, immer wieder ..." Seinen Geist und sein Wesen immer wieder zu öffnen, alte Muster hinter sich zu lassen und neue Dinge zuzulassen - selbst wenn sie "nur" zufällig passieren -, ist der große Verdienst dieses starken Beziehungsgeflechts, das mit all seiner Erfahrung reift und jedes Mal ein Stück mehr über sich hinauswächst. Somit ist Garish im österreichischen Musikkartenquartett auch 2014 wieder Trumpf.