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7. 12. 2016 - 13:46

TiSA: Ein Abkommen für Datenmissbrauch und Zensur

Im Kapitel "Telekommunikation" des geplanten Freihandelsabkommens TiSA zeigt sich: Es ist eine Bedrohung für Datenschutz, IT-Sicherheit und Meinungsfreiheit.

Neue Leaks aus den TiSA-Verhandlungen zeigen, dass durch das geplante Abkommen Grundrechte ausgehebelt werden sollen. Datenschutz, Netzneutralität und IT-Sicherheit sind in Gefahr, die Zensur des Internet wird privatisiert.

In TiSA geht es um den Handel mit Dienstleistungen – also mit allem, was man nicht angreifen oder sich auf den Fuß fallen lassen kann: Energie, Telefonie, Fernsehen und Radio, Finanzsektor und natürlich auch das Internet. Betrachten wir die beiden letzteren, Finanz und Netz: Die USA wünschen sich noch immer, dreieinhalb Jahre nach den NSA-Leaks durch Edward Snowden, dass Bankdaten und Kontostände auf Servern in den USA gespeichert werden sollen.

TiSA ist ein weiteres geplantes Freihandelsabkommen. Im Gegensatz zu TTIP und CETA hört man aber noch wenig über TiSA. Die Abkürzung steht für „Trade in Services Agreement“. Verhandelt wird seit mehreren Jahren zwischen 50 Ländern, darunter die EU-Mitgliedsstaaten und die USA.

TiSA würde die Europäische Datenschutzrichtlinie und den von der Europäischen Kommission hochgelobten „EU Privacy Shield“ von vornherein aushebeln. Laut TiSA-Entwurf dürfen Anbieter unsere Daten überall auf der Welt speichern – egal, ob und wie sie dort geschützt werden. Interne Streitigkeiten haben eine Positionsfindung der EU bisher blockiert. Während Frankreich den Standpunkt vertritt, dass Regelungen zum Datenschutz nichts in TiSA verloren haben, sagte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström am 17. November: „Keine Daten, kein Handel.“ Die Kommission hat in den Verhandlungen gegenüber der US-Forderung nach Aushebelung des Datenschutzes noch gar keine eigene Position eingebracht.

Nicht nur der Datenschutz scheint ein Auslaufmodell für die TiSA-Verhandler und die EU-Kommission zu sein. Auch mit der Netzneutralität scheinen sie wenig anfangen zu können. Im Abkommen steht nämlich, dass „begründetes Netzwerkmanagement“ erlaubt sein soll – das würde Spezialdiensten und bezahlten Überholspuren im Internet den Weg frei machen.

Spam

Die TiSA-Teilnehmer sind sich einig, dass Spam eingedämmt werden muss. Für die meisten soll es auch in Zukunft sowohl die Möglichkeit geben, sich aus Werbeverteilern auszutragen (Opt-Out), als auch Werbung erst nach Zustimmung auf elektronischem Weg zu erhalten (Opt-In). Allerdings haben die USA einen dritten Vorschlag eingebracht: Dieser läuft bloß auf eine „Minimierung“ von Werbemails hin. Ein dehnbarer Begriff, der nichts Gutes erwarten lässt.

Bild: CC BY-SA 2.0 via flickr/MarcelG, Bearbeitung von wetterfrosch

CC BY-SA 2.0

CC BY-SA 2.0 via flickr/MarcelG, Bearbeitung von wetterfrosch

Die beste Übersicht zu den aktuellen Leaks aus den TiSA-Verhandlungen gibt es auf dieser von Greenpeace betriebenen Website.

Behörden soll in Zukunft auch nicht mehr erlaubt sein, den Quellcode systemkritischer Infrastruktur zu lesen – das betrifft die Software von Wasserwerken genauso wie die von Atomkraftwerken. Ein Open-Source-Verbot also - das erleichtert natürlich die Einrichtung verborgenen Hintertüren und Überwachungsschnittstellen für Geheimdienste. Und es passt gut zur Art, wie TiSA verhandelt wird, nämlich wieder einmal im Geheimen.

Zensur

Websites, im Abkommen als „interaktive Computerdienste“ bezeichnet, sollen sich nicht rechtfertigen müssen, welche Inhalte sie löschen oder blockieren – denn dafür müssen sie die Inhalte nur für „schädlich oder anstößig“ befinden. Das bezeichnet die Website netzpolitik.org, die gemeinsam mit der Umwelt-NGO Greenpeace die aktuellen Leaks veröffentlicht und analysiert, als "Privatisierung von Zensur" – eine Chance für Facebook, in Zukunft weiteren Lösch-Diskussionen zu entgehen. Die Website erinnert daran, dass Facebook erst vor kurzem wieder kritisiert wurde, als sie ein berühmtes Foto des nackten „Napalm-Mädchens“ aus dem Vietnamkrieg löschte. Mit TiSA soll diese ausufernde Zensur- und Blockadepraxis international zum Netz-Standard in 50 Staaten erhoben werden.

TiSA sieht wie schon zuvor TTIP, CETA und TTP aus wie ein Abkommen, das für große Konzerne geschrieben wurde. Derzeit stocken die Verhandlungen – einerseits aufgrund der Diskrepanzen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zum Thema Datenschutz, andererseits wegen der Wahl Donald Trumps zum zukünftigen US-Präsidenten. Die nächste Verhandlungsrunde, die Anfang Dezember stattgefunden hätte, wurde abgesagt, weil - so netzpolitik.org - die Verhandlungsbeauftragten der USA nicht wüssten, was sie tun sollen.