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Burstup

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6. 12. 2016 - 15:27

Uploadfilter fürs Internet

Die EU-Kommission plant verpflichtende Uploadfilter für Websites mit Userbeteiligung. Damit sollen Bilder oder Videos auf Urheberrechtsverstöße geprüft werden, noch bevor ein User sie posten kann.

Stellungnahme des AK Vorrat zum
Urheberrechtspaket der Europäischen Kommission

In Brüssel wird seit einigen Monaten über eine Neufassung der EU-Urheberrechts-Richtlinie debattiert. Deren letzte Fassung ist nämlich 15 Jahre alt und das Internet spielt darin noch kaum eine Rolle. Der große Wurf, den die EU-Kommission angekündigt hat, ist die geplante Richtlinie aber nicht, sagen NGOs – wie z.B. AK Vorrat, jener Verein, der quasi im Alleingang die umstrittene Vorratsdatenspeicherung in Österreich und ganz Europa zu Fall gebracht hat. Genau jener AK Vorrat wurde im Herbst vom Justizministerium eingeladen, um den Entwurf der EU-Urheberrechts-Richtlinie zu begutachten. Seitdem hat sich wenig verändert. Die geplante Richtlinie sei "desaströs", es handle sich um eine "Zensur-Infrastruktur wie in Russland und China".

Mögliche Zensurinfrastruktur

Thomas Lohninger

AK Vorrat

Thomas Lohninger

Die wesentlichste Neuerung in der geplanten neuen Urheberrechtslinie der EU ist ein Uploadfilter: Er soll überall dort zum Einsatz kommen, wo Websites von Usern erstellte Inhalte anbieten. Die Uploads sollen mit einer Datenbank abgeglichen werden, um festzustellen, ob die Inhalte (also Fotos, Musik, Videos usw.) Urheberrechte verletzten. Thomas Lohninger vom AK Vorrat sieht darin die Gefahr, dass ein solcher Uploadfilter auch als Zensurinfrastruktur dienen kann: "Wir hätten dann einen zentralen Akteur in Europa, der über jede kulturelle Produktion und jede Aussage Bescheid weiß und der komplett intransparent, ohne dass es einen Rechtsweg gäbe, mit dem Daumen nach unten zeigt – und dann gibt es diese Aussage eben nicht mehr. Wir glauben, dass das mit den Grundrechten – und mit der Art, wie das Internet funktioniert – nicht vereinbar ist. Eine höhere Wahrscheinlichkeit, manche Urheberrechtsverletzungen vorab zu verhindern, rechtfertigt nicht, die Meinungsfreiheit derart einzuschränken."

Kollateralschaden befürchtet

Dass dem Uploadfilter eine zentrale Datenbank zugrundeliegen müsse, ergebe sich daraus, dass bei einer Überprüfung auf Urheberrechtsverletzungen die hochgeladenen Inhalte ja mit erfassten Werken abgeglichen werden müssten. Bisher überprüfen einige Internetplattformen selbständig Uploads auf Urheberrechtsverletzungen. Sogar dabei käme es bereits zu großen Problemen, so Lohninger: "Das System von Youtube etwa heißt Content ID. Wir sehen dort, dass es viele False Positives gibt. Es werden also Inhalte als urheberrechtlich geschützt markiert, die es gar nicht sind. Oder es werden Inhalte von Künstlern selbst hochgeladen, aber einer der Verwerter, der Rechte daran hält, glaubt sie verbieten zu müssen. Wenn man solche Systeme nun flächendeckend in Europa einsetzt, ist zu befürchten, dass das einen enormen Kollateralschaden produziert."

Kritik übt der AK Vorrat auch daran, dass der Begriff "Plattform" im Entwurf der Richtlinie viel zu weit gefasst sei. In Artikel 13 werden die betroffenen Plattformen als jene Service Provider definiert, die "öffentlichen Zugriff auf große Mengen an Werken" zur Verfügung stellen. "Was genau", fragt Thomas Lohninger, "sind große Mengen? Und ab wann ist etwas keine große Menge mehr? Wieso ist es die Anzahl der Werke und nicht die Anzahl der Urheberrechtsverstöße, die den Geltungsbereich definiert? Man könnte stattdessen beschließen, dass nur Plattformen, die systematisch Urheberrechtsverletzungen begehen, solche Maßnahmen einführen müssen." Der AK Vorrat will allerdings, dass Artikel 13 komplett gestrichen wird. "Man kann über Notice- und Takedown-Systeme sprechen. Doch Upload-Filter sind der falsche Weg."

Keine "Fair Use" Policy

Was im Entwurf der Richtlinie völlig fehlt, sind sogenannte "Schrankenregelungen" (in den USA als "Fair Use Policy" bekannt). Sie seien besonders hinsichtlich der Bildung von Parodien, Zitaten und Remixes relevant, so Lohninger. Ohne verpflichtende, harmonisierte Schrankenregelungen drohe die Gefahr, nicht einmal das Mindestmaß einer Anpassung des Urheberrechts an moderne Lebensrealitäten vorzunehmen. Dadurch drohe die Akzeptanz für das Urheberrecht in der Gesellschaft noch weiter zu sinken und sich von der Alltagsrealität zu entfernen. Letztlich wäre eine Harmonisierung des Europäischen Urheberrechts im Bereich der Schrankenregelungen auch eine längst überfällige Voraussetzung für den digitalen Binnenmarkt.