Erstellt am: 29. 11. 2016 - 14:15 Uhr
Die FAQ 2016: Wer soll Präsident werden?
#BPW16
Alles zur Präsidentschaftswahl auf fm4.ORF.at
Genau 149 Tage mussten wir ohne Präsidenten auskommen, wenn wir uns am kommenden Sonntag dann endlich einen neuen aussuchen können.
Bekanntlich gab es ja schon ein paar Anläufe: Der erste Wahlgang im April war zwar zumindest gültig, brachte aber für keinen der KandidatInnen die nötige absolute Mehrheit. Die Stichwahl im Mai zwar schon (50,3% für Alexander Van der Bellen), wurde aber vom Verfassungsgerichtshof wegen Schlampigkeiten beim Umgang mit den Briefwahlstimmen aufgehoben. Ein dritter Versuch im Oktober wurde knapp davor wieder abgeblasen, weil die Kuverts der Briefwahlstimmen nicht richtig kleben wollten.
Wir nehmen am Sonntag also einen vierten Anlauf und entscheiden bei der verschobenen Wiederholung der Stichwahl, wer für die kommenden sechs Jahre Bundespräsident werden soll: Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer.
APA/HERBERT PFARRHOFER
Hat eigentlich irgendjemandem etwas gefehlt?
Auf den ersten Blick vermutlich nicht. Das liegt allerdings vor allem daran, dass die Hauptfunktion des Bundespräsidenten keine ist, die man täglich braucht.
In Österreich dient der Bundespräsident vor allem als Fallback. Er bestätigt in einer Art Kontrollfunktion, dass Gesetze formal richtig zustande gekommen sind (Gab es überhaupt eine Abstimmung im Parlament? Darf das Parlament das überhaupt entscheiden?). Er ernennt Regierungen (da gab's in den letzten Monaten auch nicht viel zu tun) und er hat grundsätzlich das Recht, die Regierung zu entlassen oder den Nationalrat aufzulösen und somit Neuwahlen auszulösen. Und auch wenn im Wahlkampf noch so viel darüber gesprochen wurde: vor allem diese beiden Befugnisse sind verständlicherweise eher für Ausnahmefälle gedacht. Der Bundespräsident ist, wenn alle Stricke reißen, eine letzte Instanz, die mit einer Unterschrift das ganze System durcheinander wirbeln kann.
Das sind also Funktionen, bei denen vielleicht ganz gut ist, dass es sie gibt, aber noch besser, wenn sie gar nicht auffallen, weil man sie nicht braucht. Das darf man nicht damit verwechseln, dass man auch gut und gern darauf verzichten könnte.
Was ist neu?
Im Zuge der ganzen Verschiebungen und Anfechtungen und Aufhebungen dieser Wahl gab es auch einige kleine Gesetzesänderungen, die vor allem dazu dienen sollten, die Chance auf einen reibungslosen Ablauf zu erhöhen.
Social Media im Wahlkampf-Finale
Last-Minute-Mobilisierung im Netz. Ein Überblick auf die letzten Tage des Social-Media-Wahlkampfs.
FM4 Auf Laut: Wahlkampf-Finale
Claus Pirschner diskutiert mit der Journalistin und Netzexpertin Ingrid Brodnig und dem Kommunikationsberater Yussi Pick am Dienstag, den 29. November ab 21 Uhr und im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player.
Die sicher wichtigste Änderung: Eine neue Liste an Wahlberechtigten. Eigentlich dürfen bei der Stichwahl nur jene ihre Stimme abgeben, die auch schon im ersten Wahlgang wahlberechtigt waren. Weil seit der Erstellung dieser Liste (Stichtag war im Februar 2016) aber bereits soviel Zeit vergangen ist, wurden neue Listen erstellt. Etwa 45.000 Wahlberechtigte sind inzwischen verstorben und wurden von den Listen gestrichen, dafür kamen am anderen Ende der Alterspyramide viele Jung-WählerInnen (etwa 46.500) neu auf die Liste. Gemeinsam mit über 3.000 inzwischen neu Eingebürgerten und knapp 14.000 neu registrierten AuslandsösterreicherInnen - bei denen das Interesse an der Wahl offenbar deutlich gestiegen ist - ergibt das genau 6.399.572 Wahlberechtigte. Das sind ca. 17.000 Personen mehr als beim ersten Wahlgang im April.
Alles in allem waren also fast 1% der jetzigen Wahlberechtigten beim ersten Wahlgang noch gar nicht um ihre Stimme gefragt worden. Das ist nicht unbedingt viel, allerdings war der Abstand beim Ergebnis der aufgehobenen Stichwahl mit 0,7% noch kleiner.
Die größten weiteren Änderungen betreffen die Form der Briefwahlkuverts (da hat man sich vom offenbar nicht sehr klebefreudigen Modell verabschiedet und setzt nun auf klassischere Kuvertformen) und die heiß diskutierte Frage, wer denn nun das Kuvert in die Urne werfen darf. Das hätte nämlich bisher eigentlich immer der Wahlleiter oder die Wahlleiterin machen müssen. Wie hunderte SpitzenkandidatIn-beim-Wahlkuvert-Einwurf-Fotos in den letzten Jahren beweisen, hat das nie wirklich jemanden gekümmert. Damit aber am Montag nicht wieder alles ungültig erklärt wird, gilt nun offiziell: Du kannst dein Wahlkuvert auch selbst in die Urne werfen.
Was bleibt gleich und ändert sich trotzdem?
Das mit der Hochrechnung. Die Wahllokale schließen in Österreich bekanntlich nicht alle gleichzeitig. Während das in großen Staaten wie den USA mit Zeitzonen ganz gut zu begründen ist, liegt es hierzulande vor allem an den vielen Kleingemeinden, wo es offenbar reicht, die Wahllokale nur für ein paar Stunden offen zu halten. In einigen Gemeinden ist deshalb der Spaß zu Mittag auch schon wieder vorbei, alle Stimmen sind abgegeben und werden gezählt. Bis die letzten Wahllokale in den großen Städten schließen, sind deshalb schon viele Stimmen gezählt.
Daran wird sich grundsätzlich auch diesmal nichts ändern. Neu ist allerdings, dass diese Zahlen diesmal nicht schon vor 17 Uhr an die beiden Hochrechnungsinstitute (SORA und ARGE Wahlen) weitergegeben werden. Das war seit Jahren gängige Praxis und ermöglichte denen (und damit auch den Nachrichtenagenturen und dem ORF), schon um Punkt 17 Uhr die berühmten Balken über den Fernsehschirm laufen zu lassen.
Bei dieser Wahl werden die Daten nun erstmals erst um 17 Uhr weitergegeben. Das heißt, den StatistikerInnen fehlt diese Zeit zum Vorarbeiten. Die brauchen sie nicht nur zum Rechnen (das wäre, Computern sei Dank, gar nicht mal die große Hexerei), sondern vor allem, um aus verschiedenen Modellen das richtige auszuwählen.
Was das bedeutet? Vereinfacht gesagt: Bekomme ich als HochrechnerIn nach und nach neue Zahlen, kann ich mit den 12-Uhr-Ergebnissen versuchen, die 15-Uhr-Ergebnisse abzuschätzen. Das teste ich mit verschieden Modellen und kann so sehen, welches davon bei dieser Wahl dem Ergebnis am nächsten kommt. Ich entscheide mich also um 15 Uhr z.B. für Rechenvariante B, überprüfe die Entscheidung um 16 Uhr nochmal anhand der neuen Ergebnisse und kann um 17 Uhr eine bereits sehr zuverlässige Hochrechnung abliefern.
Die schlechte Nachricht für alle StatistikerInnen: Dafür bleibt diesmal wenig Zeit. Die gute: Mit nur zwei Kandidaten und einer nahezu perfekten Vergleichswahl (der aufgehobenen Stichwahl nämlich) ist die Ausgangslage für eine Hochrechnung diesmal eine extrem entspannte. Bei den nächsten Nationalratswahlen mit vielleicht ganz neuen oder inzwischen zerbröselten Parteien und einer viel größeren Veränderung der Wahlberechtigten wird das ungleich schwieriger.
Eine "richtige" Hochrechnung, die also auf gezählten Stimmen und nicht auf Umfragen basiert, wird es am Sonntag etwa um 17:10 Uhr geben. Der Zeitverlust hält sich also durchaus in aushaltbaren Grenzen. Die ersten Sprengel-Ergebnisse aus den dann auch geschlossenen Wahllokalen in Graz und Wien können dann gegen 18 Uhr miteingerechnet werden. Und dann könnte auch der Sieger dieser etwas in die Länge gezogenen Präsidentschaftswahl schon feststehen. Könnte? Ja, könnte. Denn wenn das Ergebnis zu dieser Zeit immer noch knapp ist, dann entscheiden auch diesmal die Briefwahlstimmen.
In Sachen Wahlprognosen im Vorfeld hat sich die Meinungsforschung übrigens inzwischen nobel verabschiedet. Too close to call, alles sehr knapp, man weiß es einfach nicht.
APA/GEORG HOCHMUTH
Briefwahl wieder Zünglein an der Waage?
Wer den Wahltag nicht an seinem Hauptwohnsitz verbringt, kann sich auch bei dieser Wahl eine Wahlkarte besorgen, mit der er oder sie dann entweder per Post oder auch einfach in einem anderen Wahllokal wählen kann. Die muss am Hauptwohnsitz beantragt werden (das geht immer noch, z.B. mit diesem Formular), wenn die Stimme per Post abgegeben werden soll, muss das Kuvert allerdings bis Sonntag 17 Uhr bei der entsprechenden Wahlbehörde eintreffen. Also im Zweifel lieber früher als später abschicken!
Etwa 750.000 Stimmen wurden bei der aufgehobenen Stichwahl über Wahlkarten (per Post oder in einem fremden Wahllokal) abgegeben. Weil Alexander Van der Bellen bei diesen Stimmen wie erwartet deutlich vor seinem Kontrahenten Norbert Hofer lag, konnte er ihn nach Auszählung dieser Stimmen noch überholen.
Etwa 175.000 Stimmen betrug Van der Bellens Vorsprung bei den WahlkartenwählerInnen. Liegt Norbert Hofer nach Auszählung aller Stimmen am Sonntag Abend in etwa diesem Bereich vor Alexander Van der Bellen, dann kann sich keiner der beiden als Sieger fühlen, denn dann kommt es tatsächlich wieder auf die Wahlkarten an. Und die einzelnen Wahlkommissionen werden es dieses Mal mit allen Formalitäten vermutlich sehr genau nehmen und entsprechend lange bei der Auszählung brauchen. Es ist also nicht unrealistisch, dass erst am Dienstag feststeht, wer diese Wahl gewonnen hat. Das wäre dann unser 151. Tag ohne Bundespräsidenten (und es werden auch noch einige folgen, die Angelobung des neuen Präsidenten soll am 26. Jänner stattfinden).
Der Wahlabend auf FM4
Wir informieren am Sonntag ab 17 Uhr natürlich ausführlich on air und online über den Ausgang der Wahl, berichten aus den Wahlkampfzentralen von Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer und analysieren das Ergebnis.