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22. 11. 2016 - 17:33

Social-Media-Wahlkampf, Fake-Profile und Bots

Der Wahlkampf zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer läuft wieder auf vollen Touren. Auftritte, Fernsehdiskussionen, Plakate - und natürlich auch jede Menge Aktivität im Internet.

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Der Betreiber der Website neuwal.com, Dieter Zirnig, beobachtet den Social-Media-Wahlkampf beider Kandidaten - und hält ihn für intensiver als je zuvor. Auf den wichtigsten beiden Plattformen, Facebook und Twitter, spiele sich "irrsinnig viel ab", so Zirnig. Einen zunächst banal wirkenden Unterschied macht er in der Struktur der Social-Media-Kampagnen aus: "Norbert Hofer hat ein großes Digital Ecosystem hinter sich. Er ist Kandidat einer Partei und kann sich so auf viele Parteikollegen verlassen, die mit ihm kreuz und queer tweeten, facebooken und sharen. Van der Bellen tritt als unabhängiger Kandidat an und zählt auf freiwillige Mithilfe von Sympathisantinnen und Sympathisanten."

Den Unterstützern von Norbert Hofer gelinge es oft, Posts und Tweets zu generieren, die aus der Echo Chamber der FPÖ-Fans heraustreten. Ein Beispiel dafür sei das vor kurzem gepostete Bild mit Van der Bellen und Hitler: "Es war auf einem unbedeutenden Account der FPÖ Kapfenberg gepostet. Indem das Bild zwei Stunden danach ein Pressesprecher der FPÖ getweetet hat, hat es ein viel größeres Publikum erreicht - immer noch innerhalb der FPÖ-Community. Von dort hat es das Bild dann in die Elefantenrunde im Fernsehen geschafft."

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer

APA/HERBERT PFARRHOFER

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer

Bei Alexander Van der Bellen seien in jüngster Zeit Livestreams von Pressekonferenzen und Veranstaltungen zur Social-Media-Strategie hinzugekommen. In den Kommentaren stehe der Dialog im Vordergrund. Kritische Kommentare blieben auf den Social-Media-Sites Van der Bellens stehen und würden rasch beantwortet, bei Norbert Hofer würden sie oft gelöscht, kritische User sogar blockiert. "Ein großer Unterschied ist auch, dass es bei Norbert Hofer viele Falschmeldungen und sogenannte Verschwörungstheorien gibt - weil man weiß, dass man damit viele Klicks und Likes gewinnt und die Quote steigt."

Algorithmen und Fake-Profile

Die Algorithmen von Websites wie Facebook und Twitter bevorzugen Nachrichten, die von vielen Usern angeklickt, gemocht, geteilt oder kommentiert werden. Aus diesem Grund legen Wahlkämpfer oft Fake-Accounts an. "So wie gestern Abend", sagt Dieter Zirnig, "bei der Puls4-Diskussion zwischen Corinna Milborn und Norbert Hofer. Der Mathematiker Erwin Neuwirth hat herausgefunden, dass 23 Twitter-Accounts kurz vor der Sendung angelegt wurden, alle mit weniger als zwei Followern. Die Message dieser 23 Accounts war klar: Die Moderatorin wurde beschimpft und Norbert Hofer wurde hochgelobt. Es ist aber nicht klar, wer diese Accounts registriert hat. Ist das ein Lausbubenstreich oder ist das strategisch? Die irrelevanten Twiiter-Accounts können jedenfalls als Quelle benützt werden, um Inhalte einer größeren Usergruppe zugänglich zu machen."

Social Bots?

Bereits seit den sechziger Jahren sind die sogenannten Chatbots bekannt. Das 1964 bis 1966 am MIT entwickelte Computerprogramm ELIZA war einer der ersten und simulierte - noch nicht alllzu glaubwürdig - anhand vorgegebener Scripts das Gespräch mit einem Psychotherapeuten. Heute sind es Systeme wie Cleverbot, die aufgrund von Milliarden Eingaben der User weltweit selbst lernen, besser zu kommunizieren. Die Ergebnisse der Chatbot-Forschung fließen zunehmend auch ein in die Funktionsweise automatisierter Accounts in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter. Diese sogenannten Social Bots besitzen ein eigenes Profil, sammeln Informationen und sind in der Lage, Beiträge zu posten. Sie sollen den Eindruck von Aktivität erwecken und Meinungen beeinflussen.

Auge sieht Facebook

APA/dpa/Boris Roessler

Im diesjährigen US-Präsidentschaftswahlkampf haben Republikaner und Demokraten so intensiv wie noch nie Bots eingesetzt. Nach einer Studie der Oxford University wurde nach der ersten TV-Debatte am 26. September mehr als jeder dritte Tweet in Unterstützung von Trump von einem Social Bot abgesetzt, bei Hillary Clinton war es jeder fünfte Tweet. In Österreich existieren keine Daten zu Social Bots im Wahlkampf. Auch Dieter Zirnig kann dazu keine Angaben machen. In Deutschland ist zumindest bekannt, dass eine Partei sie als Werkzeug einsetzen will - im Oktober sagte AfD-Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel zum Nachrichtenmagazin Spiegel, man werde "selbstverständlich" auch Social Bots im nächsten Bundestags-Wahlkampf einsetzen.

Social Bots werden üblicherweise zusammen mit Fake-Accounts an Interessierte verkauft. Laut einer Studie der Konrad Adenauer Stiftung liegt der Preis für eine Bot-Armee in der Stärke von 10.000 Profilen bei 500 US-Dollar. Selbstverständlich muss diese von Mitarbeitern der werbenden Fraktion mit Material gefüttert und betreut werden. Am unauffälligsten sind Bot-Accounts, wenn sie unregelmäßig posten, viele verschiedene Themen parat haben und zeitweise auch von richtigen Menschen gesteuert werden. Setzt ein Bot zu regelmäßig Nachrichten mit wenig abwechselnden Inhalten ab, läuft er Gefahr, von Suchalgorithmen des Social Networks erkannt und gesperrt zu werden. Laut Facebook und Twitter werden Accounts, die in Verdacht geraten sind, Bots zu sein, manchmal nicht gesperrt, sondern stattdessen nur noch anderen Bots angezeigt. Sowohl Facebook als auch Twitter geben die Zahl der vermuteten Bot-Accounts in ihren Netzwerken mit je 15 Millionen an. Wieviele davon in Österreich existieren, ist nicht bekannt.