Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Born on the Bayou"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

3. 11. 2016 - 18:05

Born on the Bayou

"Mafia 3" spielt Ende der 1960er Jahre in den Südstaaten der USA. Der Protagonist ist ein schwarzer Mobster, der nicht nur Territorienkriegen sondern auch Alltagsrassismus ausgesetzt ist.

Computerspiele spielt man üblicherweise deshalb, weil man überrascht und herausgefordert werden möchte. Sie eignen sich aber auch sehr gut dafür, in eine fremde Rolle zu schlüpfen – frei nach dem Motto walk a mile in my shoes. Leider werden in den meisten Mainstream-Spielen vorzugsweise Machtfantasien erfüllt, und als Superheld oder schwer bewaffnete/r Monsterkiller/in wird man diesbezüglich ja nicht wirklich gefordert.

Ein aktuelles Game geht aber jetzt einen anderen Weg, zumindest ein bisschen. Denn wir schlüpfen in "Mafia 3" in die Rolle eines schwarzen Ex-Soldaten in den US-Südstaaten der späten 1960er Jahre. Kein einfaches Pflaster.

Lincoln Clay aus "Mafia 3"

2K Games / Hangar 13

Abstoßend, aber notwendig

FM4 Hörtipp

Wir sprechen in der aktuellen Ausgabe des FM4 Extraleben über Stereoype und Rassimus in Computerspielen.

Am Donnerstag, den 3. November von 21 bis 22 Uhr, und danach für 7 Tage im FM4 Player.

fm4.ORF.at/extraleben

Lincoln Clay ist gerade erst aus dem Vietnamkrieg zurückgekehrt. Zurück in New Bordeaux, einer fiktiven Variante von New Orleans, besucht er erst mal seinen Untergrund-Ziehvater Sammy, der – wie sich herausstellt – in mehr Probleme verwickelt ist als es zunächst scheint. Wir schlittern mit Lincoln schnell in Mob- und Gangkämpfe hinein, und als sich ehemalige Partner plötzlich als Feinde entpuppen, gibt es für ihn nur noch ein Motto: Rache und Macht. Er will an die Spitze des Untergrundes der Stadt.

"Mafia 3" begrüßt uns zunächst mit einem Disclaimer, wo zu lesen ist, dass die Entwicklerinnen und Entwickler den im Spiel gezeigten Rassismus zwar ekelhaft finden, aber seine Abbildung für die authentische Darstellung der damaligen Zeit notwendig ist. Lincoln wird schon in den Introsequenzen und den ersten Startmissionen oft mit dem N-Wort und diversen herablassenden Begriffen konfrontiert. Weiße Frauen weichen leicht schockiert zurück, wenn Lincoln bloß an ihnen vorbeigeht und ziehen ihre Handtasche zur Seite. Er hofft, dass ihn das nicht stört, fragt ein weißer Kollege an einer Stelle. Kein Problem, meint Lincoln, er sei das ja gewohnt.

Brillantes Setting, maues Spiel

Spielerisch ist "Mafia 3" auf einer Linie mit GTA und Co.: Wir stehlen Autos, fahren wie die gesengte Sau durch eine fantastische, wunderbar detailreich designte Stadt und verwickeln uns in unzählige Kämpfe. Die Schusswechsel und Kampfszenen sind dabei so brutal wie austauschbar. Etwas verstörend ist auch, wie dumm die Gegner sind. Einmal ist ein Polizist bei einem Feuergefecht ohne jede Deckung direkt an mir vorbeigelaufen, um sich dann hinter einer Kiste zu verstecken, die gleich nebenan gestanden ist. Wie bei Sandbox-Spielen vor zehn bis 15 Jahren können wir durch doofe Tricks wie Pfeifen oder einen Gegenstand werfen die Feinde zu unserer aktuellen Position locken – einen nach dem anderen – und sie dann in aller Ruhe beseitigen.

"Mafia 3", entwickelt von Hangar 13, ist im Vertrieb von 2K Games für Playstation 4, Xbox One und Windows erschienen.

Selten hat in letzter Zeit ein Spiel so an ludonarrativer Dissonanz, also dem Auseinanderklaffen von Spiel und Erzählung gelitten wie "Mafia 3". Die dargestellten Figuren, die Dialoge, die Story und die Gesellschaft in New Bordeaux sind außergewöhnlich gestaltet und haben eine bemerkenswerte Glaubhaftigkeit, werden aber durch das austauschbare Gameplay und auch einige technische Probleme weitgehend untergraben. Das Spiel ist von den Aufgaben und Herausforderungen her nicht schlecht, aber auch nicht weiter erwähnenswert - das gab es es alles schon viel zu oft und viel zu ähnlich. Das Open-World-Design steht dem starken Setting somit komplett im Weg und zieht es so runter, dass man sagen muss: "Mafia 3" ist nicht das Spiel, dass sich Lincoln Clay verdient hat.

Unterwegs im Auto in "Mafia 3"

2K Games / Hangar 13

Immerhin macht das Cruisen durch die virtuelle Sandbox-Stadt dank vieler alter Amischlitten und Sixties-Songs viel Spaß. Der Soundtrack und damit die fiktiven Radiostationen sind ganz hervorragend. Die Liste der Künstler/innen umfasst etwa Johnny Cash und die Beach Boys, die Doors und die Kinks oder auch Aretha Franklin und Marvin Gaye.