Erstellt am: 31. 10. 2016 - 16:26 Uhr
#Vlog16 - 5: The One with the Moon Landing
Was wäre, wenn die Mondlandung nie passiert wäre? Wenn die US-Regierung ein gefälschtes Video in Umlauf gebracht hätte, das Neil Armstrong, Buzz Aldrin und den dritten Typen, den niemand kennt, im Weltall zeigt, während sich die drei Astronauten aber irgendwo in einer Militärbasis befinden?
Die Geschichte von der gefakten Mondlandung ist eine der beliebtesten Old-School-Verschwörungstheorien. Vor Jahren habe ich auch mal auf Arte eine hervorragende Mockumentary über Kubricks Beteiligung an dem Projekt gesehen, in der sogar Leute wie Henry Kissinger und Donald Rumsfeld mitspielten. Auch an der Viennale geht der Mythos nicht ganz vorbei: Das Filmfestival zeigt die Komödie "Operation Avalanche" vom kanadischen Filmemacher Matt Johnson.
Viennale
"Operation Avalanche" ist Matt Johnsons zweiter Spielfilm und - wie sein erstes Werk "The Dirties" - ein Film, der Realität und Fiktion gekonnt miteinander vermischt. Das ist es auch, was Matt Johnson besonders am Filmemachen fasziniert: "Damit zu spielen, was echt ist, was eine Lüge ist, was echtes Footage und was gefaktes Footage ist, das liebe ich richtig", erzählt mir der Regisseur im Gespräch. Da ist eine gewisse Spannung, die dadurch entsteht, meint Johnson. Gleichzeitig aber auch ein Weg, um aus den immer gleichen Filmmustern und der gleichen Struktur auszubrechen und so dem Publikum eine neue Experience zu liefern.
Denn das Kinopublikum und die Kritiker im 21. Jahrhundert haben so eine hohe Vorbildung und so viel Wissen, was den Film angeht, dass es fast nicht mehr möglich ist, richtig zu überraschen. Mit seinen Arbeiten versucht Johnson aber genau diese Überraschung wieder zurück in die Kinos zu bringen. Und ist damit ein guter Repräsentant für eine Generation junger Filmemacher und Filmemacherinnen, die das dramaturgische Konzept neu überdenken.
"Wenn man als Filmemacher einfach Regeln neu schreiben will, dann ist es sehr schwierig ein Publikum zu erreichen. Aber wenn man sich ansieht,was ich mache, dann sieht man, dass ich versuche, herausforderndes Filmemachen mit sehr, sehr einfachen Ideen zu verbinden, die jeder kennt." So wie die gefakte Mondlandung eben. Was Matt Johnson damit erreicht, ist, dass er sein Publikum durch die simple Grundstory in die Kinos bringt und dann vorsichtig seine eher komplexen Ideen vorstellt. Und damit die Besucher und Besucherinnen irgendwie austrickst.
In einer Welt nach "Jackass" und "Borat" funktioniert das auch sehr gut. Johnsons Arbeit ist voll mit popkulturellen Referenzen, ist kurzweilig, frisch und zugänglich, aber eben auch total eigensinnig und einzigartig. Trotz der unzähligen Ebenen, die sich in seinen Geschichten verbergen. Wie in "Operation Avalanche", umgesetzt als gefälschte Dokumentation über Leute, die auch im Film eine gefälschte Dokumentation machen. Die in den 60er Jahren spielt, aber trotzdem Szenen inkludiert, in denen echte Menschen in der heutigen NASA freiwillig oder unfreiwillig in die Farce involviert sind.
Viennale
Oder auch der Hauptcharakter von "Operation Avalanche": Der heißt nämlich auch Matt Johnson, wird gespielt von Matt Johnson, der kann aber nicht der selbe sein, weil der Film ja vor fünfzig Jahren spielt. Trotzdem sieht man den Credit "Matt Johnson as Himself" auf der Leinwand, wenn am Ende der Abspann rollt. Und wie der echte Matt Johnson ist auch der im Film ein extrem passionierter Filmemacher voller Energie und Aufregung.
"Jemand hat mal gesagt, dass sich meine Projekte so anfühlen, als ob die Charaktere permanent pitchen, also Ideen vorschlagen", sagt Johnson und bringt seine Filme auf einen zentralen Punkt. Denn mehrere Szenen in seinen Projekten beinhalten jemanden, der mit gezücktem Markerstift vor einem Whiteboard steht und dort Ideen aufschreibt. Für Matt Johnson ist das einfach Teil seines Lebens: Ideen zu haben und die vorzuschlagen und verloren gehen im Pitch an sich. Die Figur Matt Johnson in "Operation Avalanche" hat das auch, ist total aufgeregt, wenn es um die Überlegung geht, die Mondlandung zu fälschen. Verliert dann aber auch irgendwie schnell das Interesse, als er realisiert, wie anstrengend das alles in Wirklichkeit ist.
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Die Serie vor den Filmen
Gemeinsam mit seinem Freund Jay McCarrol erschuf Matt Johnson vor zehn Jahren die Webshow "Nirvanna the band the show", eine Serie über zwei Musiker, die verzweifelt versuchen, ein Konzert in ihrer Lieblingsvenue zu bekommen, aber immer in Absurditäten fallen und von ihrem ursprünglichen Plan abgelenkt werden. Das ist eine Show, die ist so unglaublich vollgestopft mit Referenzen und Verweisen in Richtung Geek-Kultur, Filmklassiker und Musikgeschichte, dass das eine wahre Freude ist, die anzusehen. Für Viceland und ausgesucht von Spike Jonze höchstpersönlich wird die Serie jetzt neu aufgegriffen und mit größerem Budget neu umgesetzt.
Auf der Viennale wurden schon mal drei Folgen der Show gezeigt, eine hervorragende Idee der Festivalleitung. Denn der Sonntagnachmittag, den ich gemeinsam mit Matt und Jay in ihrer bizarren Ode an die Popkultur verbringen darf, ist eine der amüsantesten Filmsessions am Festival bis jetzt. Eine Weihnachtsfolge beginnt mit der Titelmelodie von "Kevin Allein Zu Haus", Matt und Jay streiten sich darum, wer sich zur Premiere von "Star Wars: The Force Awakens" als Han Solo verkleiden darf oder schleichen ihren Amateurfilm beim Sundance Festival ein.
Für Matt Johnson liegt keine besondere Priorität darauf, einfach das Publikum zufrieden zu stellen. Er macht einfach, was er und seine Freunde lustig finden. Und hat damit eine der lustigsten Shows der letzten Jahre geschrieben, eine Mischung aus Serien wie "It's Always Sunny in Philadelphia" und "Flight of the Conchords".
Trotz all dem Fame bleibt Johnson aber weiterhin am Teppich. Über Wien erzählt er mir, dass er gern im Augarten spazieren geht, im Stadtpark herumschaut und Käsekrainer kaufen geht. Warum er soviel über die Stadt weiß will ich wissen. Er sei ja nur ein Filmstudent, sagt Johnson. Der genießt, dass er mal auf Filmfestivals fahren darf und deswegen soviel Information wie möglich aufsaugt. Weil: wer weiß, wie lange das noch so ist. Ich persönlich bin da schon etwas optimistischer.