Erstellt am: 23. 10. 2016 - 10:50 Uhr
#Vlog16 - 2: The One with the Music
Viennale auf FM4
Das komplette Programm der Viennale 2016 gibt es auf viennale.at zu finden.
Tickets gibt es ab 15. Oktober, 10 Uhr auf viennale.at oder unter 0800 664 016 (10 - 20 Uhr).
Clara lebt alleine in der brasilianischen Großstadt Recife. Sie ist 61 Jahre alt, Witwe, Brustkrebsüberlebende, steht aber trotzdem immer noch mitten im Leben. Als eine Baufirma auftaucht, die das Haus, in dem Clara seit Jahrzehnten lebt, abreisen will, trotzt sie eigensinnig der herannahenden Veränderung und liefert sich einen Kampf mit dem Großunternehmen um ihre Wohnung, ihr Vermächtnis, ihre Erinnerung. "Aquarius" heißt der brasilianische Film, der im Rahmen der Viennale im Gartenbaukino gezeigt wurde. Regie führt Filmemacher Kleber Mendonça Filho, der auch das Skript dazu lieferte.
Viennale
Was anfangs als eher simple Story erscheint, wird vor allem durch Kleinigkeiten spannend. Das Lächeln einer Mutter in Richtung der Tochter, das Festhalten an Erinnerungen, das Spazieren am Strand und die massive Kommode, die sich schon seit Jahrzehnten im Familienbesitz befindet und damit viel mehr repräsentiert als nur ein altes Möbelstück.
Ein für mich besonders spannendes Detail ist der Umgang von "Aquarius" mit dem Thema Musik. Mit der Wichtigkeit nämlich, die diese im Leben der Menschen einnehmen kann. Clara ist pensionierte Musikjournalistin, was ihre gigantische Plattensammlung erklärt, ihre absolute Hingabe zur Musik und ihr Verwenden von Liedern als Kommunikationsmittel (in einer Szene empfiehlt sie ihrem Neffen seiner neuen Freundin einen ganz bestimmten Song vorzuspielen, damit sie weiß, wie intensiv seine Gefühle sind).
Viennale
Musik als Eskapismus
Passieren tut das alles im Film aber nebenbei, es wird nie darüber diskutiert. Wenn in einem Flashback gezeigt wird, dass Clara damals in den 80er Jahren die erste war, die ihren Freunden "Another One Bites The Dust" vorspielte, dann ist das einfach so. Viel geredet muss darüber nicht werden. Trotzdem nimmt die Musik einen besonders zentralen Platz in der Geschichte ein. Immer dann, wenn der Stress über Clara hereinbricht, die Schwere der Welt, die scheinbare Ausweglosigkeit ihrer Situation, dann legt sie eine Platte auf. Dann tanzt sie, singt sie oder bewegt einfach nur ihren Kopf leicht hin und her. Dann ist die Welt in Ordnung und dann passt alles. Wenn auch nur für kurze Zeit.
Eine der schönsten Szenen in "Aquarius" ist komplett dialogfrei. Es ist eine Szene, in der Clara mit ihrem kleinen Neffen in ihrer Wohnung Musik hört. Und das Kleinkind sich interessiert daran versucht, sich im Takt zu bewegen, an den Knöpfen der Anlage herumdreht, aktiv Musik entdeckt. Und damit möglicherweise für immer von diesem Moment beeinflusst bleibt.
Viennale
Musik als Geschichte
Inspiriert von dieser Szene ist das am nächsten Tag auch meine allererste Frage im Interview mit Moon Unit Zappa, der ältesten Tochter von Rocklegende Frank Zappa. Wie das damals war, als Kind, in einem Musikerhaushalt aufzuwachsen, möchte ich wissen. Durch ihr Kindheitshaus war eine Sprechanlage gezogen, erzählt sie mir. Die wurde von Frank Zappa dazu benutzt, um von seinem Studio aus mit dem Rest der Welt zu kommunizieren. Wenn er mal mehr Kaffee oder mehr Cayennepfeffer brauchte. Und durch diese kurzen Durchsagen blitzten dann auch immer Fragmente der Musik durch, an der gerade gearbeitet wurde. Kleine Stücke von Songs aus dem Kontext gerissen.
Je älter sie aber wird, so Moon Zappa, desto mehr verändern sich die Bedeutungen der Lieder ihres Vaters. Lieder, die ihr früher peinlich waren, sind jetzt plötzlich einfach lustig. Der Musik kann neuer Kontext gegeben werden, weil man sich selbst in neuem Kontext wiederfindet.
Was dabei auch hilft, ist "Eat That Question", eine Dokumentation von Thorsten Schütte, die auf der Viennale vorgeführt wird. Dafür ist Moon Zappa, ihres Zeichens Autorin, Schauspielerin, Stand-Up-Comedian und Musikerin auch in Wien. "Frank Zappa in His Own Words" lautet der Untertitel der Doku, der die generelle Richtung des Films erklärt, denn durch Interviewfragmente aus Archivaufnahmen erzählt Frank Zappa selbst aus seinem Leben. Und präsentiert damit die authentischste Version der Zappa-Geschichte, die filmisch erzählt werden kann.
Viennale
Die Erwartungshaltung vor dem Ansehen von "Gimme Danger" ist da schon eine andere. Hier hängt nämlich der Macher des Films genauso stark namentlich dran wie der Protagonist: Jim Jarmusch macht einen Film über Iggy Pop und die Geschichte seiner Stooges. Die Doku entpuppt sich aber überraschend als ein Film, in dem Jarmusch selbst nur einmal kurz zu Beginn zu Wort kommt. Das restliche Spielfeld ist komplett Iggy and the Stooges überlassen.
"Gimme Danger" geht chronologisch durch die Timeline der Gruppe, inkludiert den einen oder anderen amüsanten Schwank und schreckt auch nicht vor Jumpcuts und der einen oder anderen "Terry-Gilliam-trifft-auf-tumblr-Gif-Kultur"-Animation zurück. Ein schöner Film, ein informativer Film, ein kompetenter Film, für den es aber nicht unbedingt einen Filmemacher Jim Jarmusch gebraucht hätte. Zumindest den gleichen Ohrwurm teilt sich das gesamte Publikum beim Verlassen des Gartenbaukinos.
Christoph Sepin / Radio FM4