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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 10. 2016 - 16:06

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 19-10-16.

1970 Euro; oder: die künftige Welt der Arbeit, wie Evgeny Morozov sie sieht.

#demokratiepolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Dieser Text ist dem von der BR-Zündfunk-Redaktion entwickelten Münchner Netzkongresses zu verdanken - den Input gab Evgeny Morozov mit seiner Keynote.

ES geschieht gar nicht so oft, dass die gefühlte Wirklichkeit von den Fakten bestätigt wird. Die aktuelle Konsum-Erhebung der Statistik Austria ist so eine Ausnahme.

DIE bestätigt das Gefühl und zeigt, dass die durchschnittliche Summe, die allen ÖsterreicherInnen zur Verfügung steht, kaum gestiegen und inflationsbereinigt, also auf die Kaufkraft umgerechnet, sogar gesunken ist. Und dass trotz Steuerreform und Bevölkerungswachstum der Inlandskonsum noch schwächelt, was wiederum mit steigenden Wohn- und Energiekosten und einem Rückgang für Verkehrs- und Ernährungs-Ausgaben zu tun hat - Details dazu hier.

ES wurde also weniger fürs Essen ausgegeben. Das wird medial überwiegend mit "einer Veränderung der Lebensgewohnheiten" begründet, was sich entweder in Hinsicht einer bewussteren, reduzierten Ernährung oder im Motto "Geiz ist geil" interpretieren lässt.

MICH erinnert es fatal an ein Detail im fatalistischen Vortrag, den Evgeny Morozov beim Netzkongress des Zündfunks am Wochenende gehalten hat. Morozov, der wohl global bedeutendste Kritiker des Silicon Valley, hatte dabei seine These vom neuen Feudalismus erläutert, den er als Endpunkt einer von den Internet-Giganten angestoßenen und kaum noch aufhaltbaren Entwicklung sieht.

Evgeny Morozov

CC BY 2.0, flickr.com, User: Chatham House

CC BY 2.0; Evgeny Morozov

DIE globale Ökonomie ist dabei zu kollabieren und setzt zunehmend auf Camouflage, sagt Morozov und erklärt es mit dem sogenannten Wal-Mart-Effekt. Wal-Mart wurde (durch die Abwesenheit von Regulierung) ein Quasi-Monopol zugestanden, der zu einer Verbilligung führt, die seinen Kunden aus Unter- und unterer Mittelschicht das subjektive Gefühl gibt, sich mehr leisten zu können. Obwohl Löhne und Kaufkraft objektiv gesunken sind.

WEIL das zunehmend auch die Mittelschicht betrifft, öffnen Sharing-Economy-Firmen wie Uber oder Airbnb neue Räume einer subjektiven Verbesserung der Lebensumstände, indem wir Leistungen oder Besitztum monetarisieren. Was in letzter Konsequenz zum Sellout des Körpers (egal ob es sich um Prostitution oder dem Verkauf einer Niere handelt) führt.

DIE Silicon Valley-Giganten, die - sagt Morizov - die einzigen sein werden, die den globalen ökonomischen Kollaps überstehen werden, weil sie es sind, die mittels ihrer Big Data-Macht alle Branchen kannibalisieren werden, seien deshalb (ganz antikapitalistisch) für ein Grundeinkommen, weil sie die Masse der Menschen (die sie selber durch aggressive Disruption arbeitslos gemacht haben) als ausbeutbare Kleinsteinkommensbezieher, als freiberufliche Sklaven für die nächsten Ubers und Airbnbs braucht. Und so das neofeudalistische System der Weltherrschaft der Tech-Giganten wie Microsoft, Alphabet und Co zu stützen. Voraussetzung dafür ist natürlich der freie Datenverkehr und Handel, der durch Verträge wie TTIP oder CETA forciert wird.

ARBEIT, die sich lohnt, so Morozov, wird jenseits einer schmalen Elite nicht möglich sein, die Masse wird mit der in eine preisdrückend-disruptive sharing economy imprägnierte Vermietung von Arbeitsleistung und Besitz abgefunden. Diese Entwicklung, sagt Morozov, wird den aktuell noch nicht betroffenen deutschen Sprachraum eher später als früher erwischen - nachdem er aber keinerlei politischen oder gesellschaftlichen Widerstand erkennen kann, sei die Entwicklung aber bereits so gut wie unumkehrbar.

DASS die nächste Statistik Austria Untersuchung in fünf Jahren die 2000er-Grenze schafft, darf also eher bezweifelt werden.