Erstellt am: 13. 10. 2016 - 14:23 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 13-10-16.
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Also: bislang hat sich die Literatur, in Form der dafür auch irgendwie zuständigen Nobel'schen Kanonisierer dagegen gewehrt, dass ihr die Lyrik, die nicht als reines Wort, sondern mit der zusätzlichen Ebene der Musik, des Sounds versehen ist, auch noch zugerechnet wird. Weil sie dann doch eine andere Kunstform ist. Weil eine musikalische Ebene die Worte um- und neu deuten kann (und muss, sofern sie Qualität besitzen will).
Die Überschneidung, die Schnittmenge, die manifestierte sich in den letzten 10, 15 Jahren in einer Dauer-Diskussion um die Würdigkeit von Bob Dylan, der als Symbol-Figur herhalten musste, als der, der die gehaltvollen Pop-Lyrics erfunden hat. Die Debatte begann sich bereits so stark im eigenen Sud zu verkochen, dass sie bloß noch Running-Gag-Qualitäten hatte. Insofern ist die jetzige Bepreisung überraschend genug. Und auch die Begründung dafür: "für seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Song-Tradition."
Ja, eh. Und warum erst jetzt, zu einem Zeitpunkt, wo die Neuschöpfungen längst ihr Zerfalls-Datum erreicht haben, die amerikanische Song-Tradition in der Beliebigkeit zerfasert ist? Zur musealen Bewahrung? Die Auszeichnung eines 75jährigen als Symbol der Öffnung? Einer Öffnung wohin?
Der Bachmann-Preis hat sich in den letzten Jahren (Rubinovitz, Gomringer, Sargnagel) etwa in Richtung Poetry-Slam oder Social-Media-Poesie geöffnet. Sich nicht aufs Medium Buch festzulegen, sondern andere Ausspielwege einzubeziehen, das ist nachvollziehbar, macht Sinn.
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Bob Dylan, der Literat?
Womit hat der Mann den Nobelpreis eigentlich verdient? Fünf mögliche Heranführungen.
Dylans Kanonisierung im Literaturbetrieb war in der Praxis auch ohne Nobelpreis eh nicht zu verhindern, die Beschäftigung mit dem größten Song-Poeten aller Zeiten bekommt so im Nachhinein halt ein akademisches Hakerl. Danke, Herr Lehrer. Der nächste Lit-Nobelpreis wird trotzdem nicht an Bruce oder Kanye gehen können - der Gehalt des symbolpolitischen Akts Dylan als pars pro toto auszuzeichnen, quasi die Popkultur in die Hochkultur aufzunehmen, kommt zum einen Jahrzehnte zu spät und interessiert in seiner Überflüssigkeit auch niemanden mehr - die Hochkultur selber vielleicht ausgenommen.
Ich kann heute nicht sagen, was das größere Ärgernis ist/wäre: wenn Dylan den Nobelpreis trotz 20 Jahre Getuschel nicht bekommen hätte, oder dass er ihn jetzt tatsächlich bekommen hat. Dazu schwingt jetzt immer noch zu viel Betulichkeit und Fehlverständnis Dylans Arbeit gegenüber mit.