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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 10. 2016 - 14:53

The daily Blumenau. Extra Edition, 13-10-16.

Bob Dylan, der Literat? Womit hat der Mann den Nobelpreis eigentlich verdient? Fünf mögliche Heranführungen.

Wenn es ein einzelnes Stück Lyrik gibt, mit dem Dylan den Preis verdient hätte, dann das: It's Alright, Ma (I'm Only Bleeding).
Ein wuchtiges in-yer-face, das in jeder Zeile ganze Wagenladungen an dunklen Metaphern und lautmalerischen Wortspielen enthält, mit bewusst gebrochenen Reimen und Artikulation und Betonung arbeitet, als wär's ein Lautgedicht von Hugo Ball.

Als wär's ein Lautgedicht von Jandl oder Ball...

Der Lagerfeuer-Klassiker - A Hard Rain'A-s Gonna Fall, hier in einer Live-Version von 1963, mit dieser so alt und wissend klingenden, damals aber doch so jungen Dylan-Folk-Stimme, anlassig, forsch, unerbittlich, anklagend und selbstreflektiert zugleich. Und wieder ist jede Zeile Ausgangspunkt für einen eigenen Song, ein eigenes Gedicht.

Und jede einzelne Zeile trägt den Keim für einen neuen Song in sich...

Das schönst Liebeslied aller Zeiten: Love minus zero (no limit), Dylan pendelt zwischen dem Ausdruck unendlicher Bewunderung und massiver Verstörung, setzt sich und seine fragil getupften Worte der Rezeption aus wie der Rabe mit dem gebrochenem Flügel in der letzten Zeile.

Dazu kommt das heute noch gewitzt anmutende Beatnik-Umfeld - Donovan ist zu Gast in der Garderobe bei Dylans 65er oder 66er-Tour durch England, raucht eine mit und hört zu, wie ein Schulbub. Denn Dylan setzt seine bis dorthin so nie gehörten Worte & Reime
so nebenbei-lässig wie nur möglich.

Manchmal ist Bob Dylan dann auch Thomas Bernhard

Manchmal ist es roher und unmittelbarerer Hass, der aus ihm sprudelt. Wie in Idiot Wind. Die softe Outtake-Version dieser Wut und Hohn-Geschichte eines Flüchtigen ist angenehm runtergebrochen auf das, was das Stück auch ist: in die Ecke gedrängte Verletzlichkeit.

Bis zum Erbrechen überfrachtet

Und dann noch ein ganz wunderbares Beispiel für den von der Wissenschaft fast zu Tode sezierten Dylan: ein kurzes, leises Poem wie (das grandiose und hochpräzise) All Along the Watchtower wird Wort für Wort zerlegt, kontextualisiert und auch mit einigem an Bedeutung überfrachtet. Dylan ist seit den 80ern "Opfer" intensiver akademischer Analyse, das wird nach dem Preis nicht abreißen, sondern noch zunehmen.