Erstellt am: 12. 10. 2016 - 13:04 Uhr
Limbo im Limbus
Der Wiener Musiker Gran ist seit Jahren als Musiker und Labelbetreiber in der Wiener Subkultur unterwegs. Seine neue Platte "Nazzle" ist auf dem ambitionieren Wiener Label Reich und Föhn erschienen.
Gran zu Gast bei FM4:
FM4 House of Pain
The Basement Show mit Alex Augustin
12. Oktober, ab 22 Uhr
Oh du unschöne, neue Welt des finsteren Wiener Untergrundes! Was hast du heute wieder ausgespuckt? Geistvolle Gestalten mit Hang zur Introspektion? Gottlose Subjekte mit absonderlicher Freude am Imperfekt?
Menschen auf der Suche nach Zermarterung für das empfindliche Lauschorgan und nach Katharsis für das innere Rauschorgan mögen ihre Freude am Wiener Musiker Gran haben, der wiederum große Freude daran hat, sich des Nächtens in ein satinbezogenes Bett zu legen und sich stundenlang von seinem Herzschlag in den Wahnsinn treiben zu lassen, um die geballte Analyse seines zerbrechlichen Organismus in musikalische Formen zu packen, die sich nun auf der Platte "Nazzle" wiederfinden.
Copyright: David Višnjić
Gran Live
Album Release Show:
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15. Oktober im Wiener Rhiz und am 27. Oktober im Sub in Graz
Mehr Infos:
reichundfoehn.com
PS: Auch die Menschen rund um Reich und Föhn machen schöne Sachen.
Geschichte wird gemacht
Florian Tremmel alias "Gran" war die letzten vier Jahre einer der rauchenden Köpfe des sich mittlerweile im Totenschlaf befindlichen Labels Totally Wired Records und er spielt Musik bei der Art-Punk-Band Dot Dash. Außerdem ist er gemeinsam mit dem zwischen Frank Sinatra, Suicide und The Fall oszillierenden Musiker Bruch unterwegs, in Form des Minimal Synth-Punk-Projekts "Gran/Bruch-Bruch/Gran".
Was diese Menschen rund um Totally Wired für die heimische Szene zu verantworten haben, das wissen die musikinteressierten ZeitgenossInnen: Hier wurde der verschlafenen Post Punk-Tradition wieder Leben eingehaucht, es entstanden Konzertreihen, Tanzabende, Umschlagplätze für Ideen & Kulturgüter wie der Transformer und Kaffee-Schnaps-Meetings, bei denen man die heiße Tasse neben den neuesten schwarzen Vinylschätzen abstellen konnte. Kurz gesagt, ein Think Tank der eingeschworenen Do-It-Yourself-Parallelwelt, mit offenen Armen gegenüber allen geläuterten Seelen, die ihre Gehörorgane neu kalibrieren wollen und eine gesunde Portion Anti-Neo-Biedermeiertum im Herzen tragen.
Wer ist Gran?
Unter dem Namen Gran ist Florian Tremmel der Öffentlichkeit seit 2012 bekannt. Eine EP mit den Namen No Love ist damals erschienen, der erste Langspieler Chair folgte 2014. Nun wurde das dritte Werk "Nazzle" veröffentlicht.
Stilistisch treffen auf dieser Platte sämtliche Dinge aufeinander, die der 29-jährige Musiker bisher wie ein Schwamm aufgesogen hat: Viel Post Punk etwa. Und eine Portion Krautrock, zu dem man sein Beuschel am Betonboden der Schnaps-Höhle an der nächsten Straßenecke reiben darf. An der Bar rauchen Brian Eno und Farin Urlaub eine selbstgedrehte Zigarette. Beide waren Schlüsselfiguren fürs eigene Musikmachen.
"Ich hörte als Teenager diese Platten und dachte mir, aha, der hat das ganz alleine eingespielt! Ok, das funktioniert. Ich muss das auch probieren. Und was hat der für ein Shirt an? Was steht da drauf? Bauhaus? Was ist das?"
My Body is a Battlefield
Die Stücke, die Gran da in Eigenregie in seinem Kämmerchen zusammengeschraubt hat, drehen sich übrigens um den menschlichen, oft fehlerhaften Körper. Das Konzeptalbum ist tot, es lebe das Konzeptalbum.
"Es gibt dieses Körperbewusstsein, das manchmal gut ist, aber manchmal auch nicht. Wenn man in der Nacht nicht einschlafen kann, weil man seinen eigenen Herzschlag so laut hört oder diesen Schwamm im Kopf hat und die Gedanken wild kreisen. Mir kann von diesen Gedanken richtig schlecht werden. Der Körper kann auch manchmal stören".
Limbo im Limbus
Was nicht stört ist die Kompromisslosigkeit, mit der Gran seine Musik erzeugt. "Sein Ding durchziehen" bedeutet wohl die größte Freiheit eines Künstlers. Bloß, wie finanziert man 250 Vinylplatten und das Artwork dazu?
"Dann hat man eben kein Auto und keine große Wohnung. Will ich einen Flachbildfernseher und einen Netflix-Account oder lieber eine Plattensammlung und Musik machen? Da muss man sich entscheiden."
In diesem Sinne: Werfen Sie die Flimmerkiste beim Fenster raus, kaufen Sie sich diese Platte und gönnen Sie sich mal wieder ein Wellnesswochende im Bermuda-Dreieck. Das folgende Video zeigt, wie sich das gestalten könnte.