Erstellt am: 29. 8. 2016 - 14:46 Uhr
De La Soul: Zurück in die Anonymität
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Die HipHop-Freigeister De La Soul kehren mit ihrem achten Studioalbum "… and the Anonymous Nobody" zurück. Ihr Debüt "3 Feet High and Rising" kitzelte den Gangster-Rap der späten 1980er mit Flower Power. Seitdem gelingt den Rappern David "Dave" Jolicoeur (47), Kelvin "Plug Won" Mercer (47) und DJ Vincent "Maseo" Mason (46), was nur wenige ihrer HipHop-Kollegen schaffen: eine Karriere lang hochwertige Musik zu produzieren. Im Gespräch erklärt Rapper Dave, wie das neue Album zustande kam, dass HipHop die Politik direkt beeinflussen sollte und was passiert, wenn Donald Trump sein Präsident wäre.
Patrick Wally
Eure Fans haben das achte Studioalbum "…and the Anonymous Nobody" über die Online-Plattform Kickstarter finanziert. Kriegen De La Soul keinen anständigen Plattendeal mehr?
Wir hätten uns Labels aussuchen können, aber wollten die Kontrolle behalten. Ein Plattenlabel leiht uns Geld, damit sie mit uns verdienen können. Dafür schauen sie uns auf die Finger und bestimmen, was geht und was nicht. Außerdem trauen wir unseren Fans mehr als jeder Plattenfirma.
Euer Ziel waren 110.000 US-Dollar. Die Fans haben sagenhafte 600.000 US-Dollar gegeben. Wurde deshalb die Gästeliste so spektakulär?
Nein. Hätten wir nur 50.000 Dollar erzielt, hätten wir auch alles unternommen, dass Leute wie Talking Heads-Sänger David Byrne dabei sind. Es war gut zu wissen, dass die Musik von De La Soul so viele Leute inspiriert, dass sie dabei sein wollen.
Snoop Dogg, Jill Scott, Damon Albarn, Usher sind ebenfalls am Album. Wollten alle Geld für ihre Stimme?
Ich sage nicht, wer Geld bekommen hat und wer nicht. Doch manchmal muss man bezahlen, um zu bekommen, was man will.
Wer ist "the Anonymous Nobody"?
Ich nutze den Namen, wenn ich Geld an Schulen oder Events wie Cancer Walk spende. Am Zettel steht: "Donation by the Anonymous Nobody".
Was ist das Album-Konzept von "… and the Anonymous Nobody"?
Es geht darum, als Mensch sein Bestes einem größeren Ganzen unterzuordnen. Dass du der Star der Show bist, aber keinen Applaus verlangst. Denn: "anonymously you are no one."
Bezogen auf die Musik heißt das …
… dass verschiedenste großartige Musiker ihr Instrument, ihr Talent, ihre Kunst miteinander teilen, indem sie gemeinsam jammen.
Und aus den Aufnahmen habt ihr die Loops für eure Beats gesampelt.
Wir haben 2012 die Aufnahmen mit der Band "The Riddim Roots Allstars" aus L.A. gestartet. Am Beginn erklärten wir der Band, wie jeder einzelne Song klingen soll. Wir haben aber schnell erkannt, dass ein Nachahmen unserer Ideen nicht funktionierte.
Patrick Wally
Was fehlte?
Die Musik fühlte sich zu konstruiert an. Also ließen wir die Band drauf los jammen. Manchmal spielten alle, manchmal nur Drummer und Bassist. Wenn später ein Pianist ins Studio kam, spielte er eine Melodie zur Aufnahme. Das passierte jeden Tag ohne Vorgaben, außer dem Tempo. Wir wollten den Vibe einfangen, der zwischen den Musikern entstand. Erst als alles im Kasten war, entschieden wir die musikalische Richtung des Albums.
Das erleichtert das Sample-Clearing.
Wir haben trotzdem fünf Platten gesampelt, aber nur die Stimmen, etwa von James Brown und den Beastie Boys.
Die Musik auf dem Album wurde im musikalischen Weitwinkel aufgenommen. Ihr jazzt, ihr funkt und vor allem ihr rockt. Was für ein Statement setzt ihr mit eurer stilistischen Offenheit?
Die Frage ist: Wo fühlst du dich wohl? Wir fühlen uns in jedem Genre daheim. Natürlich ist "… and the Anonymous Nobody" ein HipHop-Album und wir sind eine HipHop-Band. Aber: Wir sind auch Musikliebhaber. Wir wollen nicht in Street-Bangern oder Trap-Beats stecken bleiben oder nur James Brown und Funkadelic sampeln. Wir sampelten schon immer Rock, Klassik, Country oder wie in der Single "Royalty Capes" orchestrale Marschmusik. Wenn es sich gut anfühlt, reimen wir darüber.
Mit A Tribe Called Quest und den Jungle Brothers habt ihr als Native Tongues diese Offenheit und positiven Spirit in den HipHop gebracht, als Ende der 1980er Gangster-Rap aufkam. Musstet Ihr damals Eure Hippie-Attitude rechtfertigen?
Ja, wir mussten dafür kämpfen, "happy" zu sein (lacht). Die Leute wollten sehen, wie Kool Moe Dee gegen LL Cool J battelt oder KRS-One mit MC Shan Beef hat. Die Artists aus der Community respektierten uns, KRS-One und LL Cool J liebten, was wir machten. Der Widerstand kam von Fans, die too tough to smile waren, die nicht einmal während dem Wäschewaschen über ihren Alltag reden können. Heute ist das anders, heute muss jeder seinen eigenen Style entwickeln. Wir sind froh, dass wir diese Tür öffnen konnten, dass jeder HipHop auf seine Art und Weise machen kann.
Was hat sich für Euch am drastischsten verändert, seit Ihr vor knapp dreißig Jahren mit HipHop begonnen habt?
Das Beste: In Zeiten des Internets hat jeder Musiker die Kontrolle über sein Schicksal und braucht keine Mittelsmänner mehr. Jeder kann eine Platte aufnehmen, ein Video nach eigenen Vorstellungen drehen, auf der eigenen Webseite veröffentlichen, mit seinen Fans kommunizieren, ein eigenes Bank-Konto eröffnen. All das hatten wir damals nicht.
Das Album schweigt über die grassierende Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA. Warum?
Wir diskutieren darüber im privaten Kreis, wie wir in unserem Alltag damit fertig werden. Jemand zu sein, der jeden Tag zur Zielscheibe werden kann, ist unheimlich und frustrierend. Und wir reden in Interviews darüber.
Was ist das wahre Problem?
Es geht nicht nur um weiße Cops und schwarze Kids auf der Straße. Wir müssen eine Lösung finden, indem wir einen ehrlichen Blick auf die Menschen werfen, die Fehler machen. Es muss ein größeres Anliegen werden, dass lokale Politiker ebenso verantwortungsvoll handeln wie die die Bürger in der Nachbarschaft und die Polizei.
APA/AFP/KENA BETANCUR
Reagieren Musiker öffentlich vehement genug auf diese Themen?
Die Diskussion findet statt. Unsere Generation sollte versuchen, die Politik direkt zu beeinflussen, anstatt Lieder darüber zu schreiben. Musik ist kein Heilmittel, aber wir können damit viele Menschen erreichen. Das Ziel muss sein, auf größeren Plattformen Position zu beziehen.
Wie soll das gehen?
Etwa wenn einflussreiche HipHop-Stars wie Jay-Z, P-Diddy oder Labelchef Russell Simmons ihre Macht konzentrieren, um mit anderen Künstlern eine Bühne für einen Diskurs zu schaffen.
Der Erfolg des Rappers Kendrick Lamarr beweist, dass politischer Rap in den USA auf offene Ohren stößt.
Lamarr ist eine große, kritische Stimme für die jungen Amerikaner, aber er steht relativ allein da. Deshalb sollten wir uns von jemandem wie ihm nicht allzu viel erwarten.
Was kann der noch amtierende Präsident Barack Obama tun?
Man könnte meinen, ein schwarzer Präsident sollte fähig sein, alle Probleme der schwarzen Bevölkerung der USA zu lindern. Selbst wenn er es wollte, kann er es nicht, weil ihm die machtvollen Allianzen dafür fehlen. Die brauchen wir auch in der Musik.
Was wäre, wenn Donald Trump neuer Präsident wird?
Das wäre der endgültige Beweis, dass Amerikaner Idioten sind. Natürlich müssten wir abwarten, wie er als Präsident handeln wird. Er scheint aber ohnehin kaum Chancen zu haben. Ich vertraue auf die smarte Bevölkerung Amerikas.
Was sagen Sie einem Trump-Wähler?
Wer Trump aus Überzeugung wählt, ist zu dumm, um sich anzuhören, warum er ihn nicht wählen soll. Viel wichtiger ist es, die Nicht-Wähler zu mobilisieren. Vielen Amerikanern ist Politik egal oder sie wissen nicht, wie einfach es ist, sich für die Wahl zu registrieren. Diesen Leuten würde ich sagen: Geht wählen, damit wir Trump verhindern.