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Florian Wörgötter

Phonographien. In Wort und Bild.

19. 7. 2016 - 13:21

Pop-Visionäre: "Straight to Hell"

"FM4 Excursions", Episode 2, die Liner Notes: Was haben David Bowie, The Clash und Blondie mit HipHop zu tun? Mehr als ihre Fans glauben würden.

FM4 Excursions

Bunt gemixte Assoziationsketten, die Wurzeln aktueller Sounds und Einflüsse auf die musikalische Jetztzeit. Die Excursion-Themen-Mixtapes gibt es in der Nacht von Montag auf Dienstag ab 0 Uhr und im Anschluss für 7 Tage im FM4 Player.

Good news everyone: Die Liner Notes gehen in Serie. Jede Woche liefere ich hier den Audioguide zu den "FM4 Excursions" von DJ Trishes. Jede Woche beschreibe ich in Worten die Einflüsse von Genres, Epochen, Grooves auf HipHop und Dance Music. Trishes liefert dazu jeden Montag Mitternacht auf FM4 das musikalische Anschauungsmaterial. Die Links der hier genannten Songs führen direkt zu ihrer Position in seinem Mix. Episode 1 widmete sich dem Call and Response von Jazz und HipHop. Episode 2 sichtet nun das musikalische Erbe großer Künstler aus den späten 1970ern und 1980ern - und was Sample-Forscher daraus gemacht haben. Wir wünschen eine gute Reise!

Trishes

Christof Moderbacher

The Clash: Crush us!

Wir starten im Jahr 1982, als E.T. nach Hause telefonierte und der Pumuckl seine ersten Rhymes kickte. Trishes überlässt die Bühne keiner geringeren Band als The Clash und ihrem "Straight To Hell" (1982). Neben den Ramones und den Sex Pistols prägten die Briten den frühen Punk, öffneten sich aber auch Genres wie Folk, Reggae, Ska und Pop. Sänger Joe Strummer beklagt über den Bossa Nova-Groove die allgegenwärtige Armut und soziale Entfremdung.

25 Jahre später greift Produzent Diplo für die britische Rapperin M.I.A. den Anfang ihres Songs auf und bastelt daraus den Remix ihres Hits "Paper Planes" (2007). Im Downtempo der Originalversion lässt M.I.A. die rebellische Haltung des Punks auferstehen. Ihren "weirden" Rapstil in dem Song begründet M.I.A. darin, dass er früh morgens in einem Take aufgenommen wurde und sie keine Zeit hatte, sich die Zähne zu putzen. Ein Vocal-Schnipsel ihres Reims "No one on the corner has swagger like us" schaffte es ein Jahr später sogar in den Allstar-Track "Swagger like Us" (2008) von T.I. feat. Jay-Z, Kanye West und Lil Wayne.

Trishes widmet The Clash noch einen weiteren Song: Das herrliche "Guns of Brixton" (1979) macht ihre Vorliebe für Reggae und Funk hörbar. Mit der Fragestellung dieses Texts im Kopf lesen sich die ersten beiden Zeilen des Chorus wie ein Aufruf an alle Sample-Stoßer, kräftig zuzuschlagen:

"You can crush us,
you can bruise us.
But you'll have to answer
Oh, to the guns of Brixton"

The Clash

The Clash

25 Jahre später folgt DJ Muggs dieser Einladung, als er den markanten Groove ihrer Bassline für den Cypress Hill-Song "What's Your Number?" (2004) einsetzte. Und tatsächlich: Gastsänger Tim Armstrong, Röhre der 90er-Revival-Punks Rancid, orientiert sich im Chorus an der Melodieführung von The Clash-Sänger Paul Simonon. Seine ersten zwei Zeilen scheinen sogar auf das Original zu antworten: "What's your name, what's your number? I'd like to get to know you." Leider entlarven die weiteren Zeilen die seichten Absichten von B-Reals billiger Aufriss-Story: "Can we have a conversation? The night is young, girl give me a chance!" Spoiler-Alarm: Die Nacht endet nicht mit einer Reunion in Brixton, sondern am Rücksitz seines Mercedes Benz.

Trishes liefert mit "Dub Be Good To Me" eine weitere spannende Option, den Bass von The Clashs "Guns of Brixton" auszulegen: Im Jahr 1990 bläht Norman Cook aka Fatboy Slim für sein Projekt Beats International den Bass mit jamaikanischer Frischluft auf. Darüber spielt Ennio Morricones schaurige "C'era una volta il West"-Harmonika den Dub vom Tod. Und Sängerin Lindy Layton covert die S.O.S. Band und ihren Electro-Funk-Jam "Just Be Good To Me" (1983), das Trishes gleich hinterher schickt. Nun wissen wir, was er unter musikalischer Assoziationskette versteht.

David Bowie: Sound and Vision

Als David Bowie im Jänner dieses Jahres starb, verlor der Pop-Zirkus einen seiner größten Charakterdarsteller - und HipHop eine Inspirationsquelle. Im Jahr 1983 sehnte sich das Pop-Chamäleon Bowie erneut nach einem Image-Wandel und neuen Fans. Also verschmolz er New Wave und Disco zum Funk-Pop-Hadern "Let´s dance", der bis heute einer seiner erfolgreichsten Hits blieb. Bowies Lyrics interpretieren eingangs frei den dänischen Märchen-Onkel Hans Christian Andersen: "Put on your red shoes and dance the blues, to the song they're playing on the radio." Später erklärte Bowie, seine roten Schuhe symbolisieren das kapitalistische Streben nach ewiger Profitmaximierung, was vor allem ein Leitmotiv der Black Music sei.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sonderbar treffend, dass ausgerechnet "Bad Boy" Puff Daddy, heute als Sean Combs oder P. Diddy unterwegs, Bowies "Let´s dance" für seinen Welthit "Been Around The World" klaute. Mit den Partnern Mase und dem großen Notorious B.I.G. brachte er das Playahatin´ 1997 in Österreichs Dorfdiscos - und belegte Bowies These gleich mehrfach:

"I was in one bedroom, dreaming of a million
Now I'm in beach houses, cream to the ceiling
I was a gentleman living in tenements
Now I'm swimming in all the women that be tens".

Blondie

Blondie

Blondie: Raptures Delight

Die Punk-Parade-Feministin Debbie Harry war eine der Pionierinnen, die das Frauenbild der Popmusik mit Selbstbewusstsein erfüllten. Daher überraschte es kaum, dass ausgerechnet sie und die New-Wave-Legenden Blondie den noch jungen Rap aus dem New Yorker Unterground an die Spitze der US-Billboard-Charts schossen. Im Gegensatz zu den samplebasierten Breakbeats von Kurtis Blow oder The Sugarhill Gang verband ihr Song "Rapture" (1980) erstmalig das instrumentale Fundament einer Popband mit rhythmischem Sprechgesang. Blondies Mischung aus Funk, Disco und HipHop klingt durchaus progressiv und weniger holprig als Debby Harris Sprechgesang. Dem Mythos nach bat Graffiti-Großmeister und später erster MTV-HipHop-VJ Fab 5 Freddy die Sängerin, sie solle doch einen Text über Grandmaster Flash und ihn schreiben - daher auch das offensive Namedropping. Offenbar legte für Harris dieser Kontext nahe, den Angriff eines hungrigen Marsmenschen zu beschwören, der zuerst alle Autos frisst, danach ganze Bars verschlingt und keinen Tänzer übrig lässt. Und plötzlich wusste auch das weiße Amerika, was HipHop ist - und dass er wohl vom Mars kommen muss.

KRS-One

KRS-One

Siebzehn Jahre später greift HipHops Oberlehrer KRS-One auf die Gesangsmelodie von Debbie Harry am Anfang von "Rapture" zurück. In der HipHop-Hymne "Step Into A World (Rapture's Delight)" hallt der mystische Chorus mit neuer Stimme wieder und öffnet abermals das Tor zu einer anderen Welt. Im Falle von Realness-Botschafter KRS-One führen diese Schritte in die heilige Welt des reinen HipHop:

"Step into a world, where hip-hop is me
Where MC's and DJ's
Build up their skills as they play every day
For the, rapture"

Damit bestätigt der "Teacher" indirekt David Bowie und seine Behauptung, Black Music wäre naturgemäß kapitalistisch veranlagt: Das unermüdliche Streben nach Erfolg und die Selbst-Optimierung des eigenen Könnens bilden die Grundfeste der Welt des HipHops. Aber: Nummer 1-Platzierungen, Strandhäuser und willenlose Frauen im Überfluss haben seine Welt nie vollkommen gemacht.

Den vollen Mix von Trishes könnt ihr bis kommenden Montag im FM4 Player anhören. Nächste Woche geht die Reise nach Jamaika.

Hier die Playlist von "Excursions"- Episode 2:

The Clash Straight To Hell
M.I.A. Paper Planes (Diplo Remix)
M.I.A. Paper Planes
T.I. ft. Kanye West, Jay-Z & Lil Wayne Swagger Like Us
The Clash Guns Of Brixton
Cypress Hill What's Your Number?
Beats International Dub Be Good To Me
S.O.S. Band Just Be Good To Me
Nu Shooz I Can't Wait
Your Old Droog 42
Puff Daddy Been Around The World
David Bowie Let's Dance
William Onyeabor Fantastic Man
David Bowie Sound & Vision
De La Soul ft. Sean Paul Shoomp
Tom Tom Club Genius Of Love
Mariah Carey ft. Ol Dirty Bastard Fantasy (Remix)
Blondie Rapture
KRS One Step Into A World (Rapture's Delight)