Erstellt am: 22. 7. 2016 - 21:28 Uhr
"In der Arena gibt's keine Geschenke"
Very Important Platzerl - Die FM4 Draußen Sommerserie
- #1 "Die vielleicht beste Straße Österreichs": Longboard-Downhill im Altausseer Land (Gersin Paya)
- #2 "In der Arena gibt’s keine Geschenke": Klettern in der Arena Mixnitz (Simon Welebil)
- #3 "Wild in den Alpen": Kayaken in Wildalpen (Gersin Paya)
- #4 From Peak To Creek: Mountain biking in Sölden
Für die meisten BesucherInnen, die nach Mixnitz/Pernegg ins Grazer Bergland kommen, ist der Ort Ausgangspunkt für eine Wanderung in die Bärenschützklamm, eine der schönsten Felsklammen Österreichs, die Ende der 1970er Jahre zum Naturdenkmal erklärt wurde. Von der Bedeutung, die die Gegend für den Klettersport in Österreich hat, wissen die wenigsten. Das Denkmal, das sich die KletterInnen hier geschaffen haben, ist für Nichteingeweihte auch schwerer zu erkennen, aber nicht minder schön.
Simon Welebil / FM4
Schon nach ein paar Metern Zustieg, vorbei an kleinen Wasserfällen und verlockenden Gumpen, kann man die "Vordere Arena" sehen, die ersten Felswände des Klettergebiets, das von ihrem Haupterschließer Thomas Hrovat Anfang der 1980er Jahre "Arena der Zärtlichkeit" getauft wurde. Die "Zärtlichkeit" hat sich im Laufe der Jahre aus der Bezeichnung verabschiedet. Sei es, weil der Name einfach zu lang war, oder doch, weil das Gebiet nicht viel Zärtliches zu bieten hat. Die Routen sind durchaus brutal und schwierig.
Thomas Hrovat Bildarchiv
Österreichische Klettergeschichte
Hier in der Arena ist 1984 österreichische Klettergeschichte geschrieben worden. Zum ersten Mal ist hierzulande eine Route mit dem Schwierigkeitsgrad 10-, "Zeitgeist", eingerichtet und geklettert worden. 1984 ist das das Schwierigste, was gerade noch kletterbar scheint. Selbst heutzutage haben KletterInnen immer noch Respekt vor dem, was die Generationen vor ihnen geleistet haben. Und das, obwohl die Schwierigkeitsskala mittlerweile um zwei Grade nach oben verschoben worden ist.
Viele Kletterprofis steuern auch heute noch das Gebiet an. Zu ihnen gehört auch Barbara Raudner, eine der aktuell besten österreichischen Kletterinnen am Fels. Die gebürtige Steirerin hatte die Routen in der Arena schon jahrelang am Schirm und ist jetzt seit ein paar Wochen dabei, sie für ihre Routenliste abzuhaken. Die Routen hier, meint sie, hätten noch immer einen hohen Stellenwert in der Kletterszene und den kühnen Wind der damaligen Zeit könne man immer noch spüren.
Den kühnen Wind, von dem Barbara Raudner spricht, hat Horst Jobstraibitzer selbst miterlebt. Noch bevor die Felsen hier fürs Sportklettern erschlossen worden sind, hat er in ihrem Schatten Indianer gespielt und auch als Klettergebiet ist die Arena seine Heimat geblieben. Wohl niemand hier weiß besser über das Gebiet und seine Geschichte Bescheid. Von fast jeder Begehung hat er etwas zu erzählen, von den Anfängen 1983 in der Vorderen und Oberen Arena, den Meilensteinen mit den ersten 10- Routen, der Erschließung noch schwierigerer Routen oder von einzigartigen Flash-Begehungen von Spitzenkletterern wie Alexander Huber oder Much Mayer.
Der Reiz der großen Linien
Interessante Randnotiz: Kunstflieger Hannes Arch hat sich bei fast allen Routen in der Arena die Zweitbegehung gesichert.
Innerhalb von vier Jahren sind die meisten der ca. 50 Routen hier in der Arena erschlossen worden. Das Gebiet ist relativ überschaubar, von der Vorderen Arena, wo der Fels nur leicht überhängt, die dennoch technisch sehr anspruchsvolle Routen hat, über die Obere Arena, wo die wahren Klassiker des Gebiets, die Routen "Ultracool", "Train und Terror" und "Zeitgeist" zu Hause sind. Bis hin zur Hinteren Arena mit einem weit ausladendem Überhang, der die schwierigsten Routen weit und breit bereit hält. Von der Erschließung her ist das Gebiet schon lange ausgereizt, erzählt Horst, große Linien sind seit dem Ende der 1980er nicht mehr dazu gekommen.
An ihrem Reiz haben diese großen Linien aber seither nichts eingebüßt. Horst träumt noch immer davon, einmal den "Zeitgeist" zu klettern und auch Barbara Raudner tastet sich seit einigen Wochen an genau diese Route heran. "Wenn man ein gewisses Level beim Klettern hat, soll man sich das Ziel setzen, hier den einen oder anderen Klassiker zu klettern", meint sie. Denn es sei wichtig und beeindruckend, diese klassischen Routen zu probieren und zu punkten. Doch selbst für einen Kletterprofi wie sie, stellt "Zeitgeist" noch immer eine Herausforderung dar.
Hannes Raudner-Hiebler
"Zeitgeist" noch immer aktuell
Direkt vor der Route kann man schon erahnen, was auf die KletterInnen zukommt. "Zeitgeist" ist etwa 20 Meter lang, sieben Meter davon sind überhängend. Der Fels ist sehr, sehr glatt, weil er auch schon seit über 30 Jahren geklettert wird. Er hat wenige, kleine Griffe, wenige Tritte, wenig Rastpunkte, weshalb man sehr viel "Fingerstrom" braucht, wie Barbara Raudner meint. Für Frauen ist die Route besonders schwierig, sagt sie, weil sie meist kleiner sind und sich deshalb für viele Passagen andere Lösungen ausdenken müssen. Die erste Schlüsselstelle endet mit einem Dynamo, einem Sprung, was sehr spannend ist, wenn man davor schon etliche Züge gemacht hat. Die zweite Schlüsselstelle mit ganz kleinen Griffen und einem Kreuzzug kommt dann kurz vor dem Ausstieg.
Vom Schwierigkeitsgrad her, ist "Zeitgeist" nicht am Limit von Barbaras Kletterleistung. Sie ist schon 11- Routen geklettert und normalerweise klettert sie Routen im Schwierigkeitsgrad von "Zeitgeist" recht rasch. Doch selbst nach mehreren Versuchen hat Barbara "Zeitgeist" noch nicht Rotpunkt klettern können, also in einem Zug durch. Wenn es nach ihr geht, wird es aber nicht mehr lange dauern, bis sie die Route abhaken kann.
Was sie jetzt schon aus Mixnitz mitnimmt und was wohl auch noch die nächsten Generationen von Kletterinnen und Kletterern lernen müssen, ist, dass die die Bewertungen der Kletterschwierigkeiten hier "ehrlich" und "klassisch" sind. Selbst Kletter-Superstar Adam Ondra, der gern mal Routenbewertungen nach unten korrigiert, hätte hier wohl nichts auszusetzen. Es ist kein Gebiet, wo KletterInnen Selbstvertrauen tanken: "In der Arena gibt's keine Geschenke", soviel steht für Barbara Raudner fest.