Erstellt am: 7. 7. 2016 - 14:00 Uhr
Bitte Hirn, halt an!
Manchmal möchte man das Hirn anhalten, wenn viele bunte Bilder und Eindrücke auf einen hereinprasseln. So kann es einem gehen, wenn man sich die neuesten Musikvideos aus Österreich in Dauerschleife ansieht. Bilder vom Universum und tanzenden Frauen bleiben ebenso hängen, wie Szenen von durchschnittenen Lebensmitteln und einer BH-Kollektion, während in den Ohren der Punk und die Beats klingeln.
Ogris Debris - "Brainfreeze"
"Sie gefallen mir!" Mit diesem Sample und reduzierten Beats eröffnen die Elektromiezekatzen Ogris Debris ihre neue Single "Brainfreeze". Es ist ein wundervoll verträumtes Stück, mit hüpfenden Synthie-Melodien, entspanntem und doch treibendem Rhythmus und verwaschenem Vocoder-Gesang. Ein Song, der sowohl im Auto beim Cruisen durch die Stadt oder Überlandfahrten funktioniert, wie auch auf der Trockeneisnebel verhüllten Tanzfläche im Club deiner Wahl.
Tanzend bewegt sich auch die Hauptfigur im Video zu "Brainfreeze" durch unzählige Zimmer. Regisseur Christoph Kuschnig ist es dabei gelungen, dass die Überblendungen lange Zeit nicht auffallen und so der Eindruck entsteht, als gäbe es keinen Schnitt. Und plötzlich wird die erwachsene Frau zum tanzenden Mädchen, um im nächsten Moment zur alten Frau zu werden. Dazwischen wird in bester Monty Python-Manier ein Abstecher ins Weltall gewagt, von wo aus die außerirdischen Produzenten nicht nur die Beats sondern auch das Schicksal der Tanzenden auf der Erde zu lenken scheinen. Manchmal hilft nur ein brainfreeze, um bei der verqueren und witzigen Geschichte nicht den Halt zu verlieren. Ein paar Lollipops und leckeres Gummizeugs helfen auch.
M.P. - "Noday"
Der Wiener Produzent M.P. hat mich mit seinen Hip Hop-getränkten Elektro-Dance-Pop-Stücken schon immer überzeugt. Auch der neue Track "Noday" ist eine frische Mischung aus schweren Beats, Rapeinlagen, Dance-Flair und electronic slowcore. Obwohl das Arrangement recht klassisch angelegt ist, baut M.P. eine gute Spannung auf, die er selbst wenn das Stück auseinanderzufallen droht halten kann.
Die stimmungsvolle Umsetzung auf visueller Ebene bietet viele Farben, gegengeschnitten mit schönen Detailaufnahmen, VJ-Kunst der feinsten Art. Einerseits recht reduziert, andererseits detailverliebt hinterlässt das Video zu "Nodays" viele bunte Eindrücke auf der Netzhaut. Eine perfekte Symbiose von Klang und Bild.
Famp - "In Love With A Feeling"
Ganz klassisch im guten alten Indierock-Gewand legen es Famp an. Ihre Liebe zu Gitarrensoli und Stadionrock-Vocals kommt in der Single "In Love With A Feeling" gut heraus. Schön produziert, mit viel Energie umgesetzt, auch wenn hier das Neue ein bisschen zu fehlen scheint.
Mit dem Video zu "In love With A Feeling" hingegen hat man viele lustige, spannende Ideen umgesetzt. Alles erinnert an dieses Spiele-App, mit dem man verschiedenes Gemüse und Obst durchschneiden muss - oder so ähnlich. Spannend auf alle Fälle, was die unterschiedlichesten Menschen mit Lebensmitteln anstellen können.
Lime Crush - "Graveyard"
Weitaus subversiver legen es Lime Crush an, das Quartett aus Favoriten, das sich ganz dem räudigen und frechen Lo-Fi-Punkrock verschrieben hat. Es ist schon sehr beachtlich, dass eine Band in nur einer Minute und dreiundvierzig Sekunden alles sagen und musikalisch auf den Punkt bringen kann. Mit dem frisch polternden und charmant kratzenden "Graveyard" ist ihnen das vorzüglich gelungen.
Schnelle Schnitte und assoziative Bilder. Kaufhaustiefkühlabteilung folgt auf BH-Kollektion folgt auf Kochbuch folgt auf U-Bahn-Kartenentwertung. Wie in Hitchcock-Cameos tauchen die Bandmitglieder zwischendurch in den Szenerien auf. Fast unbeabsichtigt und willkürlich wirken die Ausschnitte, als ob sie zufällig vor die Linse gelatscht wären. Selbst wenn die verschiedenen Bilder immer nur sehr kurz auftauchen - manche zum wiederholten Mal - brennen sie sich gleich ins Gedächtnis. So wie der Song. Und nach nicht mal zwei Minuten ist der ganze Spuk auch schon wieder vorbei. Das wird eine laute und einprägsame Party, wenn Lime Crush beim diesjährigen Popfest auftreten.
The Crispies - "Bad Blood"
Heißes, frisches Rockblut fließt durch die Adern von The Crispies. Die vier Jungs aus Wien haben nicht nur die Schulbank zusammen gedrückt, sondern teilen auch die Liebe zum guten alten Rock'n'Roll. Wobei eher in der Ausformung vom 1970es NYC-Punk, als vom Elvis-Hüftschwung. Laut und rotzig darf es sein, direkt und ohne Kompromisse, wie in der Single "Bad Blood", dem Vorboten zum Debüt "Death Row Kids" das im Oktober auf Seayou Records erscheinen wird.
Parties, Liebe, Lust, Auflehnung und Ausschweifung. Die Themen, die sich durch das Video von "Bad Blood" ziehen passen hervorragend zum Song, wobei der Exzess nicht immer todernst zelebriert ist. Hin und wieder ist bei aller Coolness auch ein Anflug von Witz, wenn nicht gar Selbstironie zu sehen. Und sei es nur im lethargischen Blick eines Protagonisten oder durch ein kurzes Lächeln, das unter den weißen Masken hervorblitzt. All das macht große Vorfreude auf die kommenden Songs des Albums.