Erstellt am: 18. 6. 2016 - 10:06 Uhr
Nada Surf trifft das RSO - ein wunderbarer Konzertabend
On Air
Die FM4 Radio Session mit Nada Surf und dem RSO könnt ihr am 4. Juli 2016 in der FM4 Homebase hören und für 7 Tage im FM4 Player.
Das Video vom Nada-Surf-Konzert gibt es hier.
Zwei Tage lang probten die New Yorker Indierock-'Veteranen' Nada Surf zusammen mit dem Radio-Symphonieorchester Wien für dieses FM4 Radio Session-Konzert. Bei der Vorarbeit halfen Max Knoth, den man vielleicht aus der Band von Sterne-Sänger Frank Spilker kennt, und noch ein Berliner, nämlich Calexico-Trompeter Martin Wenk, der als Producer diesen Abend vorbereitete.
Christian Stipkovits | FM4
Und so sitzen die beiden dann auch glücklich lächelnd mitten im Publikum, als Nada Surf und das RSO miteinander spielen, und zwar miteinander, nicht nebeneinander, oder gar gegeneinander. Nada Surf und das RSO legen gleich einen superschönen Start hin - mit dem Song "Comes A Time" aus dem inzwischen schon elf Jahre alten Album "The Weight Is A Gift". Matthew Caws singt: "Can´t believe how far we have gone." Ein guter Einstieg.
Martin Wenk hatte die Songs ausgewählt, denn Nada Surf waren mitten in den Aufnahmearbeiten zu ihrem neuen Album "You Know Who You Are", als sie die Einladung, eine FM4 Radio Session zusammen mit dem Radio-Orchester zu spielen, erhielten. "Martin ist wie ein Bandmitglied für uns", sagte Matt Caws im FM4-Interview nach dem ersten Probentag, "also baten wir ihn, uns zu helfen."
Wenk suchte also für die Radio Session einige der Songs von Nada Surf aus, wo quasi die Leinwand noch ein bisschen leerer war, wo man noch den einen oder anderen Pinselstrich hinsetzen konnte. "Believe You´re Mine" vom neuen Album ist etwa so ein Stück. Matt Caws sagt es an als einen Song über 'obsessive love'. Das Orchester dreht ordentlich auf, was gut passt zur obsessiven Liebe als Thema. Bassist Daniel Lorca, der Dreadlocks tragende, sinnliche 'Rocker' in der Band, nimmt sich und seinen Bass gekonnt zurück. Er sei 'mesmerised', also 'hypnotisiert' von diesem Erlebnis des Spielens mit einem Orchester, wie Daniel im FM4-Interview vor dem Konzert meinte. Toll auch, wie der Mann am Orchester-Schlagwerk und Nada-Surf-Drummer Ira Elliott zusammenspielen.
Beautiful Beat
"Beautiful Beat" ist der nächste Song, ein Stück aus dem "Lucky"-Album von Nada Surf, vor acht Jahren erschienen. Matt Caws singt 'beautiful beat, lift me up from distress.' Daniel Lorca singt back-up, Martin Wenk nickt zufrieden in seinem Sitz, und das Orchester macht ein super Finish zu diesem Song. Ja, so ist jetzt schon gewiss, es war all die 'Mühe' wert - die Songs in Noten umzuwandeln, das Partiturenschreiben, das Aufeinanderzugehen von Rockband und Orchester. Dirigent Gottfried Rabl ist ein großartig subtiler und feinsinniger Künstler, der bestens kommuniziert mit der Band, und mit dem Orchester sowieso. Dass dieser Mann sehr viel versteht, was Komposition betrifft, ist auch kein Nachteil.
Christian Stipkovits | FM4
Matthew Caws, drahtig und konzentriert, erzählt kurz von den Anfängen der Band in New York. Als er und Daniel Lorca miteinander in eine Klasse gingen und eine Band gründeten, zu der dann etwas später Drummer Ira Elliott stieß. Seit einigen Jahren sind Nada Surf, die vor zwanzig Jahren ihr Debutalbum veröffentlichten, ein Quartett. Doug Gillard - er spielte bei der US-Indierockband Guided By Voices - ist für Matthew Caws ein verlässlicher Leadgitarrist, ein unpretentiöser Mann, der aus der Band nicht mehr wegzudenken ist.
Nada Surf spielen zeitlosen Qualitätspop, und das kommt mit dem Orchester ganz besonders gut rüber, etwa beim schönen "Blizzard Of 77" vom 2002er Album "Let Go". Matt singt: 'in the middle of the night I worry'. Ja, dieser Mann ist keiner der dauer-happy ist, nein, er kämpft mit so manchen Dämonen. Um 'body dismorphia' geht es im nächsten Song, also darum, dass die meisten Menschen etwas an sich finden, das ihnen nicht gefällt, etwa eine schiefe Nase oder krumme Beine. Werden diese Gedanken jedoch zwanghaft, also zu 'body dismorphia', dann ist das gefährlich. Das sind also die Themen, aus denen Nada Surf-Songs gemacht sind. "Rushing" heißt dieser Song, vom neuen Album, und er ist vergleichsweise 'rockend'. Erst sind nur die Bläser vom Orchester zu hören, dann spielen alle mit. 'I feel like I can breathe again', heißt es im Song, der jetzt ordentlich zulangt.
Daniel Lorcas Hände - samt dunklem Nagellack an den Fingern - gleiten über die Basssaiten. Freude bei der Band und Freude im Publikum. Auch wenn der nächste Song wieder keinen Ladida-Inhalt hat: Das Fernsehen nimmt sich Matt Caws vor in "The Fox", wieder einem Song vom "Lucky"-Album. Die Gitarren klingen toll, der Bass auch, und Schlagwerk und Drums ebenso, dann kommen die Bläser hinzu, und schließlich die Streicher. Tolle Dynamik. Doug Gillards Gitarrenarbeit strahlt, und Dirigent Rabl ist in Höchstform.
Let Go
"Es ist eine Ehre", meint Bassist Daniel Lorca, "dass wir mit solchen Musikern und Musikerinnen spielen dürfen." Besagte Herrschaften geben das Kompliment umgehend zurück, indem sie beim nächsten Song, "Blonde On Blonde" von "Let Go", mit dem vielleicht schönsten Intro ever aufwarten. Das Atmosphärische, das Cineastische, von dem Matt Caws im Vorfeld zu diesem Konzert sprach, bekommt nun so richtig seinen Raum. 'I´ve got no time I wanna lose with people, who´ve got something to prove', singt Matt Caws. Die Harfe wird gezupft, und Christoph Ellinghaus vom City Slang Plattenlabel in Berlin, wo Nada Surf in Europa ihre Platten veröffentlichen, scheint gerade der glücklichste Mensch der Welt zu sein. Er ist ist extra nach Wien gekommen und sitzt im Publikum. Auch die Band lächelt jetzt. Der Druck ob dieses ganz besonderen Auftritts ist von ihren Schultern gefallen.
Es folgt "80 Windows" vom zweiten Album der Band, dem Ende der 90er Jahre erschienenen "Proximity Effect". Matt Caws sagt es als Song an, der inspiriert ist von einem Aufenthalt in Stockholm, wo er verschlafen hatte, und kein Tageslicht sah. Matt singt wunderschön, und das Orchester spielt getragen, bis es dann 'volle Kanne' einsetzt.
Inside Of Love
Auch den nächsten Song sagt Matt Caws, der nie jovialer Entertainer wie manch anderer US-Musiker ist, an. Den Nada Surf-Klassiker "Inside Of Love" - wieder ein Song von "Let Go" - der damals eine etwas 'schwere Geburt' war. Im Park in Brooklyn wusste Matt Caws plötzlich, wie der Song klingen sollte, rannte also nach Hause und fixierte die Ideen. "Inside Of Love" macht das sensible Zusammenwirken von Band und Orchester hier sehr schön deutlich. Dann kommt ein Song vom neuen Album, "Animal", der irgendwie etwas von Lou Reed an sich hat. Und wieder eine kleine New York Story: Matt Caws teilte mit seiner Schwester einst ein Kinderzimmer. Die Schwester stand extrafrüh auf, um sich auf die Schule vorzubereiten. Der kleine Bruder wollte das auch, aber er war ein Träumer, der dann zwar das Aufstehen schaffte, aber statt zu lernen, durch das Fenster im Hochhaus den Morgen bestaunte: Nada Surf spielen das berührende "When I Was Young" von ihrem 2012er Album "The Stars Are Indifferent To Astronomy". Matt an der semiakustischen Gitarre, der Bass pausiert erst, die Bläser sind zart. Dann volle Band- und Orchester-Power.
Out Of The Dark
Zwei Songs stehen noch an - "Out Of The Dark" vom neuen Album, ein Song, so Matt Caws, über das Bauchgefühl: 'following your heart, do what you feel, but maybe you don´t know'. Und noch einmal legt Matthew Caws sein Herz offen, mit "Are You Lightning" vom "Lucky"-Album. Matt reimt 'frightening' auf 'lightening'. Matt Caws ist ein prächtiger Songwriter, immer und immer wieder. Das wird einem bei dieser Songauswahl wieder einmal so richtig bewusst.
Ein wirklich schöner Konzertabend neigt sich unvermeidbar seinem Ende zu. Aber eine Zugabe gibt es dann. 'Wir sind wie eine neue Band, wir haben nur zehn Lieder', scherzt Matt Caws und erzählt davon, wie die legendäre britische Band The Mekons einmal einen Song vier Mal spielte. Nada Surf spielen jetzt nocheinmal "The Fox" - eine extra-dynamische Version. Einmal noch der Gitarre von Doug Gillard lauschen, einmal noch Ira Elliott und den Orchester-Mann Doppel-Trommeln hören, einmal noch das Bass-Herz von Daniel Lorca spüren, einmal noch in die leuchtenden Augen von Matt Caws sehen, und ja, einmal noch den Dirigenten die Faust ballen lassen. Gut ist´s gegangen, nix ist passiert. Aber bitte, das war natürlich viel mehr, nämlich das bisher beste Konzert im Rahmen der FM4 Radio-Sessions zusammen mit dem Radio-Symphonieorchester.
Playlist
Comes A Time |
Believe You´re Mine |
Beautiful Beat |
Blizzard Of 77 |
Rushing |
The Fox |
Blonde On Blonde |
80 Windows |
Inside Of Love |
Animal |
When I Was Young |
Out Of The Dark |
Are You Lightning |
The Fox |