Erstellt am: 28. 4. 2016 - 17:41 Uhr
FM4 Extraleben: Alles ist politisch!
"Es ist doch nur ein Spiel!" - Das ist ein Satz, den ich immer schon absurd gefunden habe. Denn während ich ein Spiel spiele, macht es doch keinen Sinn, wenn ich mich nicht darauf einlasse und so tue, als es wäre es in diesem Moment unwichtig.
Der zitierte Satz ist aber noch in einer anderen Hinsicht problematisch, denn er impliziert, dass man nicht weiter über Darstellung und Inhalte eines Spieles nachdenken müsse. Denn es ist ja nur ein Spiel, was soll denn schon sein? - Nein! Das antworten darauf Conny Lee, Rainer Sigl und ich in der aktuellen Ausgabe des Computerspielkränzchens FM4 Extraleben und skandieren: Alles ist politisch!
Die Utopie des Apolitischen
FM4 Extraleben: Alles ist politisch!
Wir sprechen über Computerspiele. Diesmal übers Erzählen von Geschichten in Games.
Am Donnerstag, den 28. April von 21 bis 22 Uhr, und danach für 7 Tage im FM4 Player.
Computerspiele sind Kulturprodukte und damit ist ihre Entstehung mehr oder weniger immer auch ein Ausdruck einer bestimmten Ideologie oder eines bestimmten Kulturkreises. Das lässt sich minimieren, indem man ein größeres, internationales Team zusammenstellt, das gemeinsam an einem Game arbeitet. Aber auch dann ist es eben nie möglich, dass sich die Präsentation, die individuellen Szenen und Situationen in einem Spiel und seine interaktiven Möglichkeiten von jeder politischen Darstellung distanzieren. Was man in einem Spiel wie machen kann, ist politisch relevant. Noch entlarvender ist oft, was man in einem Spiel nicht machen kann. Das bedeutet nicht, dass man beim Spielen politische Implikationen nicht außen vor lassen kann oder man den Hersteller_innen bestimmte Agenden unterstellt. Doch Spiele wirken immer, in unterschiedlicher Weise. Auch dann, wenn ihre Entwickler_innen keinerlei Botschaften streuen wollen.
Lucas Pope
Anfang der 90er Jahre waren vor allem die ersten visuell heftigen First-Person-Shooter "Wolfenstein 3D" und "Doom" stark in Verruf - wegen der Gewaltdarstellungen und der vielen Hakenkreuze, die vor allem im erstgenannten Spiel verstreut sind. Die beiden Games waren eine gute Möglichkeit, um als Jugendlicher seine Eltern und die Gesellschaft zu provozieren - aber der politische Faktor von "Wolfenstein 3D" ist trotz des politisch brisanten Settings enden wollend. Vor allem, weil er so aufdringlich inszeniert wird: Ein einzelner US-amerikanischer Überkämpfer gegen hunderte Nazischergen. Andererseits bedient jeder Shooter - ob Fantasy- oder Militärsetting - eine klare Formel: Der Triggerfinger und ein paar gezielte Schüsse sind einfache Antworten in einer komplexen Welt.
Ebenfalls einen näheren Blick wert sind Aufbauspiele der Marke "Civilization": Die meisten der Spielziele sind dabei sehr westlich bzw. US-amerikanisch geprägt: die ganze Welt mit dem eigenen Kulturkreis überziehen, das Space Race gewinnen oder einfach wichtigste militärische Macht werden. Wäre etwa Weltfrieden nicht ein mehr ehrbares Ziel?
Tabula Rasa dank Weltuntergang
Games'n'Politics
Der junge deutsche Forscher Michael Schulze von Glasser beschäftigt sich in seinen Texten und Videos eindringlich mit dem Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten.
"Wenn die Welt doch endlich unterginge!" - Sofern dieser Satz nicht als Provokation oder als Ausdruck von aufgestautem Frust aus einem heraus kommt, würde das kein Mensch einfach mal so vor sich hinsagen. Und doch ist der latente Wunsch nach einem düsteren Befreiungsschlag in vielen Menschen oft stärker vorhanden als man annehmen würde. Unser Alltag ist gespickt von Regeln und Regulierungen, von Formularen und Verpflichtungen. Wenn die Apokalypse kommt oder irgendeine Form von außergewöhnlicher Ausnahmesituation eintreten würde, wären all diese Hürden vergessen und man müsste leben, zusammenleben und überleben neu - und wahrscheinlich wesentlicher archaischer - denken.
Solche Ausnahmesituationen kommen in Spielen oft vor, denn sie ermöglichen es, dass man etwa als Einzelkämpfer die Lizenz zum Töten bekommt - wie etwa im vor kurzem erschienenen Online-Shooter "The Division", der politisch einigermaßen suggestiv ist und deshalb entsprechend kritisiert wurde.
Molleindustria
Zombiepolitik
Passend zum Weltuntergang füttert natürlich auch das beliebte Zombie-Genre die Sehnsucht nach einer bequem vom Sofasessel aus erlebbaren Ausnahmesituation. Wenn die Untoten alles überrennen, ist jedes Mittel Recht, um zu überleben. Da darf man auch mal richtig grausam sein, ohne moralische Bedenken haben zu müssen. Wenn man einem Zombie von nächster Nähe aus ins Gesicht schießt oder mit einem Baseballschläger den Kopf zertrümmert, tut man ihm doch einen Gefallen. Oder?
Empathie für das Arschloch
Politkgame-Tipps vom Extraleben-Team:
- Molleindustria-Spiele ("Unmanned", "Oiligarchy", "Phone Story", "McDonald's Game", usw.)
- "Papers, Please"
- "Cart Life"
- "1979 Revolution Black Friday"
- "Valiant Hearts"
- "Burn The Boards"
Obwohl alles politisch ist: Manche Spiele sind politisch relevanter als andere - vor allem solche, die bewusst kritisch Stellung beziehen und uns als Spielende in heikle gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Lager hinein versetzen. Da kommt man dann etwa drauf, dass es oft keine guten Entscheidungsmöglichkeiten gibt oder man das eigene finanzielle Überleben oft bestimmten Idealen unterordnen muss. Wie ist es, als Straßenverkäufer überleben oder als Konzernleiter zwischen lukrativen Aufträgen und Umweltschutz abwägen zu müssen?
Leider gibt es verhältnismäßig immer noch wenige explizit politische Spiele. Doch je weiter sich das Feld der Gameskultur auch für technische Laien öffnet, desto mehr darf man sich auf politische Kommentare, Aufarbeitungen, Biografien und Dokumentationen freuen.
FM4 Extraleben: Alles ist politisch!
Conny Lee, Rainer Sigl und ich sprechen am Donnerstag, den 28. April, über Politik in Computerspielen. Von 21 bis 22 Uhr, und danach für 7 Tage im FM4 Player.
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