Erstellt am: 6. 4. 2016 - 14:24 Uhr
In Island ist der Panama-Vulkan ausgebrochen
Panama Papers
Mit ein paar Mausklicks zur eigenen Briefkastenfirma
Ein Interview mit dem Wirtschaftsjournalisten Kaspar Fink, der als Teil des ORF-Teams schon monatelang an den Panama Papers sitzt.
"Politicians will feel the heat"
The biggest leak in history is likely to make the richer and powerful sleep uneasily. But will it usher in real change?
Webtip: The Panama Papers
Want to try to keep track of what's going on? Have a little help from some friends.
Die Enthüllungen der Panama Papers sorgen für Enttäuschung und Wut auf der Vulkaninsel. In der Hauptstadt Reykjavik kam es zur größten Demonstration in der Geschichte Islands.
Davíð Hólm
Noch nie haben so viele Isländer_innen lautstark protestiert
An die 20.000 Menschen versammelten sich vor dem Parlament, hielten Schilder hoch mit Aufschriften wie "Weg mit der Regierung", "Schert Euch zum Teufel" oder "Neuwahlen sofort" und warfen Bananen und Skyr (isländisches Joghurt) auf das Parlament. Nicht einmal in der Finanzkrise, in der viele Bürger_innen ihr eigenes Geld verloren haben, gab es so viele Demonstrant_innen.
"I believe we have reached a new level in icelandic society ever since the protest of 2008, it has become just a normal thing for icelanders to show their political will by protesting." erzählt Demonstrantin Þorgerður Anna Björnsdóttir.
Der zur Zeit trendente Hashtag der Isländer lautet #cashljós- Denn Kastljós heißt die örtliche TV-Show, welche die Panama Papers Aufdeckung ausstrahlt. Kastljós bedeutet "Im Scheinwerferlicht". Somit ist CASHljòs ein gelungenes Wortspiel.
Politische Hygiene versäumt
Der Premierminister Sigmundur Davið Gunnlaugsson hätte, nachdem er vom schwedischen Fernsehsender SVT schon am 11. März vor laufender Kamera mit der Beteiligung an der Briefkastenfirma Wintris konfrontiert wurde, gestehen können. Hingegen verdreht und verschweigt er Tatsachen und bricht das Interview ab, zum Leidwesen der stolzen Isländer_innen. Sie prangern nun das verlogene System an, nicht nur den Premierminister.
"Es ist eigentlich nicht die Kultur der Isländer_innen, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. Dem isländischen Volk wird der einzelne Rücktritt aber nicht reichen, sie wollen, dass der Finanzminister und der Innenminister zurücktreten. Auch der angedachte Nachfolge-Kandidat, der Landwirtschaftsminister, wird als kein glaubwürdiger Kandidat angesehen. Er verteidigte die Geldmachenschaften des Premierminister in der Öffentlichkeit und ist somit nicht vertrauenswürdig", sagt Þórhildur Sunna Ævarsdóttir, die internationale Repräsentatin der isländischen Piraten-Partei im FM4 Interview.
Sind die Piraten die Zukunft der Wikingernachfahren?
Þorgerður Anna Björnsdóttir
Sollte sich die Regierung auflösen und der Präsident Neuwahlen erklären, wird es innerhalb von 45 Tagen zu Neuwahlen kommen. Eigentlich wird alle vier Jahre neu gewählt, die nächste Wahl wäre im April 2017. Zur Zeit hält die Piratenpartei zwei Sitze im Parlament und wäre nun laut Hochrechnung mit 36 Prozent Wählerbeteiligung hoch im Kurs.
"We know now not to trust"
Þorgerður Anna Björnsdóttir, eine der Demonstrantinnen, wünscht sich einen Zusammenschluss der Oppostionsparteien:
"Pirates have been growing a lot in the last year, they might not be ready for elections right now but they have been talking a lot about transparency and actual democracy and internet security. While other opposing parties are a bit fractured. The left-green party has 10% following, others have some leadership problems and decreasing popularity issues. We are lacking of anything strong to replace the current government. It would be great if two of them marry and would be stronger, something like that!
Anna Björnsdóttir erklärt, dass man als Millionär in Island, einem Land, in dem die Währung nicht sonderlich stabil ist und stark schwankt, das Vermögen natürlich lieber in einer Steueroase ablegt. Dort spart man die Steuern und der Wert des Geldes verändert sich kaum. Jedoch ist es illegal und für das Volk unakzeptabel, derart belogen zu werden, von einem eigentlich volksnahen Polit-Shooting-Star.
Denn als es zu Neuwahlen durch die Finanzkrise im Jahr 2008 kam, haben Isländer seinen Wahlversprechen vertraut. Er zeigte sich als Kämpfer gegen soziale Ungerechtigkeit im Schatten der Finanzkrise, nun gilt er als Populist und unehrlicher Phrasendrescher.
Davíð Hólm
Die Hoffnung wählt zuletzt
Es bleibt zu hoffen, dass Island nicht ein weiteres Mal die falsche Regierung wählt, sollte es zu baldigen Neuwahlen kommen. Einem Land, das einst Jón Gnarr, einen bekennenden Anarchist und Comedian zum Bürgermeister wählte, steht die nordische Smartness besser als eine Verwandtschaft zu Korruptionspolitik.
Geht er oder geht er nicht?
Aktuell gibt es Verwirrung über den Rücktritt des Premierministers. Klar ist, er sorgt für politisches Chaos, denn zuallererst kündigte Gunnlaugsson seinen Rücktritt an, einen Tag später ist davon keine Rede mehr. Es bleibt weiterhin fraglich.