Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mit ein paar Mausklicks zur eigenen Briefkastenfirma"

Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

4. 4. 2016 - 17:36

Mit ein paar Mausklicks zur eigenen Briefkastenfirma

Ein Interview mit dem Wirtschaftsjournalisten Kaspar Fink, der als Teil des ORF-Teams schon monatelang an den Panama Papers sitzt.

400 Journalisten weltweit haben mit dem großen Datenpaket gearbeitet, sie haben über mehrere Monate recherchiert. Inwiefern war die Größe dieses International Consortium for Investigative Journalists (ICIJ) relevant für die Auswertung der Daten?

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Es geht um insgesamt 2,6 Terabyte an Daten und es ist völlig, unmöglich dass ein einzelnes Medienunternehmen eine derartige Datenmenge alleine aufarbeitet - niemand hat soviel Personal und solche Ressourcen. Und es geht auch nicht um die schiere Datenmenge, die Offshore-Konstruktionen sind auch sehr kompliziert, oft ineinander verschachtelt, da sind mehrere Offshore-Gesellschaften hintereinander gereiht, das heißt, man muss da verschiedene E-Mails, Passkopien, PDF-Dateien und Urkunden erst mal in einen sinnvollen Zusammenhang bringen und dann Schlüsse daraus ziehen - und selbst dann ist immer noch nicht klar, dass man wirklich was in den Händen hält, was tatsächlich einen journalistischen Wert hat - man macht da ziemlich viele leere Meter.

Panama

APA/dpa/Lukas Schulze

Wodurch wird aus dem Datenmaterial ersichtlich, dass es sich bei vielen der Offshore-Firmen in Panama um den Versuch der Verschleierung der wahren Inhaber handelt?

Bei den meisten Offshore-Gesellschaften ist es so, dass der wirtschafltich Berechtigte, also der wahre Eigentümer nirgends aufscheint. In keinem Dokument, in keiner Urkunde. Meistens werden Treuhänder oder auch Mitarbeiter von Mosseck- Fonseca direkt als so gennannte Direktoren eingesetzt und dafür natürlich auch bezahlt. Am Ende sind nur deren Namen tatsächlich öffentlich zugänglich oder einsehbar. Letzlich kann eine solche Konstruktion nur den Sinn haben, dass man die wahren Inhaber verschleiern und im Dunkeln halten will.

Es ist auffällig, dass alle Beteiligten, von der Kanzlei in Panama bis zu den beteiligten österreischischen Verdächtigungen, beteuern, keine illegalen Handlungen durchgeführt zu haben. Naiv gesagt: Ist Steuervermeidung in Österreich oder den Industriestaaten nicht trotzdem ungesetzlich, obwohl es in Samoa oder den Seychellen nicht so ist? Kann hier ein internationales Recht greifen oder ist der Publicityverlust der Betroffenen deren einziger Schaden?

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Das ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Steuervermeidung oder Steueroptimierung ist nicht illegal, nur Steuerhinterziehung ist illegal. Manche Konstruktionen, für Unternehmen etwa, sind sind juristisch zulässig, wobei man sich aber die Frage stellen kann, ob sie auch moralisch vertretbar sind. Das ist eine andere Sache. Eine Faustregel dabei ist jedenfalls - so haben das mehrere Ermittler gesagt und so ist auch die gängige Steuerpraxis in Österreich: Wenn es sich um eine klassische "Briefkastenfirma" handelt, eine Offshore-Gesellschaft ohne Büro oder Angestellte, dann werden die österreichischen Steuerbehörden das kaum anerkennen. Wenn es sich aber um eine echtes Unternehmen handelt, mit Mitarbeitern und mit Mitarbeiterinnen, mit Büro und allem was dazu gehört, dann sieht die Sache schon wieder anders aus. Dann ist es oft tatsächlich legale Steueroptimierung.

Die Software "Nuix" wurde für die Recherche eingesetzt. Sie stellt Querverweise her wie Namen, Firmen, Geldsummen, Emailadressen, IP-Adressen so wie Telefon- und Kreditkartennummern. Der Chef der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, von der die Daten stammen, spricht von einem Hack und von Diebstahl. In den Social Media werden heute teilweise Stimmen laut, die sagen: das ICIJ Konsortium verletzt durch die Weitergabe der Daten unter zahlreichen Medienunternehmen und 400 Journalisten selbst Datenschutzgesetze, es betreibe seine eigene Rasterfahndung. Ist diese Kritik berechtigt?

Ich bin kein Jurist, aber ich glaube nicht, dass das ICIJ hier Datenschutzgesetze verletzt. Die Daten sind ja erst in den Redaktionen und noch nicht in der Öffentlichkeit und letztlich kommt es darauf an was veröffentlicht wird, was von öffentlichem Interesse ist, da sehe ich kein Problem. Generell kann man schon sagen, dass ein derartiger Datensatz eine ziemlich heikle Angelegenheit ist. Natürlich sind hier auch relativ viele private Informationen zu finden. Zum Beispiel nutzen manche Menschen Offfshore-Konstrukte, um bei einer Scheidung die eigenen Vermögensverhältnisse zu verschleiern, um nach der Scheidung dem Ex- Partner oder der Partnerin weniger zahlen zu müssen. Letzlich geht es aber schon darum, dass die teilnehmenden Medien mit so einem solchen Leak verantwortungsvoll umgehen und dann auch nur das publizieren, was tatsächlich öffentlichen Mehrwert bringt.

Es mag wundern, warum in den Schlagzeilen der großen Medien heute ausgerechnet der russische Cellist Sergej Roldugin oder Lionel Messi auftauchen … und weniger von den 27 Forbes-Milliardären, die auf der Liste aufscheinen. Der ehemalige Britische Botschafter Craig Murray begründet dies damit, dass das ICIJ vom amerikanischen Center for Public Integrity unterstützt wird, das unter anderm von der Kellogg Foundation oder dem Rockefeller Family Fund, oder Georges Soros Open Society Foundation finanziert wird.
Die Verschwörungstheorien könnten wohl auch dadurch gespeist werden, dass nur wenige Medien (nicht die schlechtesten, zugegeben ORF, Falter, Guardian, BBC) Einsicht haben: Ist das nur Verschwörungstheorie oder müssen wir annehmen, dass die
Öffentlichkeit nicht aller Daten ansichtig werden wird?

Die Öffentlichkeit wird tatsächlich nicht alle Daten zu Gesicht bekommen, eben auch weil ein großer Teil dieser Daten nicht von öffentlichem Interesse sind. Alles andere halte ich tatsächlich für eine Verschwörungstheorie: Alle teilnehmenden Medien waren völlig frei darin, sich ihre eigenen Geschichten zu suchen und die dann auch zu publizieren und sie auch so zu publizieren, wie sie sie eben publizieren wollen. Und ich halte es eigentlich für ziemlich ausgeschlossen, dass sich über 100 Medienorganisationen - darunter die besten überhaupt - irgendwelche Vorgaben machen lassen. Zudem betrifft der Datensatz ja nur die Firma Mossack-Fonseca, und die sind nur einer von vielen Anbietern, das ist nur ein sehr kleiner Teil des ganzen Offshore-Business, in den wir da hinein schauen können, da gibt es noch deutlich mehr.

Nach Wikileaks und Snowden tritt hier wieder ein Fall zu Tage, in dem die vierte Gewalt der Demokratie, die Medien, ihre gesellschaftliche Aufgabe erfüllen dürfen - teilweise Aufgaben, denen Jusitz, Politik und Polizei nicht oder zu wenig nachgegangen sind. Erfüllt dich dies als Journalist mit Stolz oder macht es dir eher Angst?

Weder noch. Die Offshore-Industrie globalisiert und digitalisiert sich. Man kann online, wenn man das will, mit ein paar Mausklicks, überspitzt formuliert, eine Briefkastenfirma kaufen und Offshore gehen. Nationale Behörden müssen sich da zwangsläufig schwer tun, das geht gar nicht anders. Natürlich wäre es wünschenswert wenn die internationale Kooperation größer werde, in erster Linie auf EU- Ebene. Im Journalismus kann man derartigen Auswüchsen tatsächlich nur begegnen, wenn man zusammen arbeitet. Und das ist gar nicht immer so leicht, weil natürlich jedes Medium, jede Zeitung, jede Fernsehstation die Geschichte am Ende exklusiv haben will. Umso bemerkenswerter finde ich bei diesem Projekt, das sich ja schon über sehr viele Monate hingezogen hat, dass sich am Ende tatsächlich alle an den Veröffentlichungstermin gestern 20 Uhr gehalten haben.