Erstellt am: 7. 2. 2016 - 02:00 Uhr
Tricky Decisions
Windy City. Und damit ist diesmal nicht Chicago, sondern Innsbruck gemeint. Der Fön bläst stark vom Brenner herunter und so ist die 22. Ausgabe des Air+Style gleich einmal auf Hold. Schon um 14:30, nachdem die ersten acht Snowboarder über die Rampe gegangen sind, beschließen die Rider kollektiv, dass es nicht mehr sicher genug ist, bei starkem Seitenwind den Big-Air Kicker in der Olympiaworld zu springen und besser bis zum Abend zu warten.
Simon Welebil
Air+Style Festival
Dass so eine Unterbrechung überhaupt möglich wird, ist zwei Umständen zu verdanken: Dass heuer mit der zweiten Konzertbühne mehr als genug Musik-Acts die Zeit füllen und dass die komplette erste Runde des Contests kurzfristig vorgezogen wurde. Die Wetterprognosen haben den Wind schon vorhergesehen und die 24 geladenen Rider mussten so schon am Freitag Abend wettkampfmäßig von der 42 Meter hohen Stahlrampe über den Kicker. Praktisch ohne Publikumsunterstützung, abgesehen von den paar Dutzend SnowboardinsiderInnen und NachtschwärmerInnen, die vom Licht der Rampe angezogen wurden, ohne Musik und ohne Moderatoren.
Simon Welebil
Für die zwei planmäßigen heimischen Vertreter Werni Stock und Mathias Weißenbacher hatte diese Entscheidung einen bitteren Beigeschmack, denn sie mussten sich bei schwierigen Bedingungen schon am Freitag aus dem Contest verabschieden, ohne dass ihre Namen auch nur einmal durch die Boxen geschallt sind. Wie ihnen ist es auch einigen Favoriten auf den Contestsieg nicht gut gegangen. Der Japaner Yuki Kadono, letztes Jahr noch Gewinner des Air+Style in Los Angeles, musste auch schon in der ersten Runde die Segel streichen.
Als Debütant ins Spitzenfeld
Der einzige österreichische Rider, der am Freitag Abend ein dickes Grinsen im Gesicht stehen hatte, war Clemens Millauer. Als Ersatzfahrer eingeteilt, hatte er sich nach dem Training eigentlich schon die Boots ausgezogen, als sich ein anderer Rider verletzte und er plötzlich im Hauptfeld stand. Und im Gegensatz zu vielen anderen Fahrern hatte er keine Probleme, im tiefen Schnee seine Tricks zu stehen und qualifizierte sich gleich im ersten Antreten beim Air+Style für die Runde der letzten 16.
Simon Welebil
Und am Samstag macht Clemens Millauer genau dort weiter, wo er am Tag zuvor aufgehört hat. Er landet alle seine drei Tricks sicher, während sein ihm zugeloster Duellgegner, Antoine Truchon, zweimal im Schnee landete und damit das beste Big-Air Ergebnis von Clemens Millauers Karriere bestätigte.
Traditionelles Format oder Sicherheitsvariante?
Während des Nachmittags galt es noch öfter, tricky decisions zu treffen. Fürs Publikum war das schon bei der Veröffentlichung des Programms klar, da die Musikacts in der zweiten Bühne, drinnen in der Olympiahalle, zeitgleich mit den Contest-Durchgängen angesetzt waren, und sie sich zwischen Konzert oder Kicker entscheiden müssen. Für die Rider wurde es noch schwieriger. Wollen sie das ursprüngliche Format des Contests mit den Head-to-Head Duellen durchziehen oder lieber auf die von den Veranstaltern bevorzugte Sicherheitsvariante eines 16-er Finales fahren? Sie bestehen auf die Duellvariante, die den Air+Style so besonders macht. Mutig, bei dem Wind, der über die Schanze bläst und nur langsam nachlässt.
Air+Style Company
Doch die Entscheidung scheint sich auszuzahlen. Trotz Wind geht die zweite Runde der Duelle planmäßig über die Bühne, und spannender als hier können die Duelle kaum mehr sein. Quali-Sieger der Norweger Torgeir Bergrem muss gegen Mark McMorris in der Form seines Lebens ran und kann sich trotzdem durchsetzen. Soweit das lachende Auge. Das weinende schielt von der Schanze rüber zur großen Konzertbühne, wo Sido schon begonnen hat zu spielen und Teile des 17.000 Personen starken Publikums abzieht. Das ist die Realität des neuen Air+Style. Es ist Festival, nicht Contest.
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Air+Style World Tour
Nach Sidos Konzert kapert dann erstmals Shaun White, seit Kurzem ja Besitzer des Air+Style, die Aufmerksamkeit des Publikums, indem er verkündet, dass er die Air+Style Tour, die bisher aus drei Big-Air Contests bestand, auf eine komplette World Tour ausdehnen will, bestehend aus neun Contests in sechs Städten (eine Ankündigung, die einer eigenen Geschichte bedarf). Zusätzlich zu den Big Air Contests in Innsbruck, Peking und Los Angeles wird es Slopestyle und Halfpipe Bewerbe in Laax, Mammoth Mountain – in den sich Shaun White kürzlich eingekauft hat – und im chinesischen Skiressort Secret Garden geben. Dem Snowboard-Publikum in Innsbruck scheint's egal zu sein, die Snowboard-Insider und -medien müssen das erst einmal verdauen.
Simon Welebil
Windlotterie
Doch auch nachdem Sido und Shaun White alle Blicke auf sich gezogen haben, bekommen die Snowboarder nicht mehr die Aufmerksamkeit, die ihnen bei einem Contest dieser Größenordnung zustehen würde, doch diesmal trägt kein Snowboard-Celebrity oder Musicact daran Schuld. Der Föhn zieht noch einmal gewaltig auf und lässt Rider und Publikum zuerst lange warten, bis schlussendlich das Finale des Snowboardcontests abgesagt wird.
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Die Scores der zweiten Contestrunde werden schließlich als Gesamtergebnis herangezogen, was nicht unumstritten ist, sind doch einige Rider bloß taktisch gefahren, um ihre Head-to-Head Duelle zu gewinnen. Vorjahressieger Stale Sandbech ist so etwa ebenfalls um die Chance gebracht worden, den Contest zu gewinnen, wie der Schwede Sven Thorgren oder der souveräne Quali-Sieger Torgeir Bergrem.
Simon Welebil
Schlussendlich akzeptieren aber alle den Punktbesten der zweiten Runde als Sieger, den Kanadier Sebastian Toutant. Er hat in seinem Viertelfinal-Duell volles Risiko gehen müssen und zwei Triple-Corks perfekt gelandet, was ihn zum glücklichen und irgendwie doch verdienten Sieger des 22. Air+Style Contests macht.
Simon Welebil