Erstellt am: 21. 1. 2016 - 06:00 Uhr
Wenn ein Album passiert
Paaarty!
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"Eigentlich waren nur vier Songs geplant. Dann ist ein Album daraus geworden. Das ist uns einfach so passiert"
Was Bassist Martin Knobloch hier beiläufig erwähnt, ist kein Klischee. "All That Glitters Is Not Gold" ist dem Wiener Quintett A Life A Song A Cigarette wirklich passiert. Denn schon nach den ersten Minuten des Titelsongs, der das Album eröffnet, wird klar: Hier klingt eine frische, neue Magie durch rückwärts abgespieltes Schlagzeug, Gitarren und Cello durch die Platte, die nichts von dem herzzerreißenden Sehnsuchtsgefühl der früheren Werke verloren hat.
Aber wie kommt es, dass sich die Austrian-Americana-Band nach vier Jahren mit einem sensationellen Werk zurückmeldet? Wie ist es möglich, sich nach über zehn Jahren Bandgeschichte neu zu erfinden und gleichzeitig die musikalische Identität zu bewahren?
Das Album im Stream
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Durchbreche alte Gewohnheiten
Ein wesentlicher Faktor war, dass sich A Life A Song A Cigarette mit leeren Köpfen und vollen Herzen in ihr eigenes Studio zurückgezogen haben. Zu Beginn standen zwei kurze Sessions unter liebevoller Beobachtung von Produzent und Musiker Stefan Deisenberger (unter anderem Keyboarder bei Naked Lunch). Mit seiner Erfahrung und seinem guten Gespür für Popsongs hat er der Wiener Band den Studioraum neu eröffnet und Platz geschaffen, sodass Melodien, Akkordfolgen und Arrangementfragmente sich zu epischen und dichten Hymnen entwickeln konnten. Das Rezept der Sessions geht zwei Jahre später auf. Die cinemascope-artigen Songs von "All That Glitters Is Not Gold" sind gespickt mit ausgeklügelten Details, ohne die große, emotionale Geste überzubetonen.
Andreas Jakwerth
Ein gutes Beispiel dafür ist die Single "Blindhearted" dem bis dato vielleicht perfektesten Popsong der Band. Das hämmernde Klavier in den reduzierten Strophen, der verzückend aufgehende Refrain mit einem gut dosierten Schuss Traurigkeit, die sich stetig verbreiternde Soundlandschaft. Das alles hat auch deswegen entstehen können, weil die fünf Musiker teils bewusst, teils aus aufnahmetechnischen Gründen ihre Rollen innerhalb der Band gewechselt haben. Alles zusammengehalten hat Stefan Deisenberger, der den Entstehungsprozess über zwei Jahre begleitet und gelenkt hat. Wie man es schafft, jemanden so lange an ein Projekt zu binden? Ganz einfach: Man baut ihm ein kleines Kämmerchen im eigenen Studio, in das er sich mit seiner Sammlung an analogen Instrumenten hineinquetschen kann. Sind er und sein gesamtes Equipment erst einmal drinnen, führt wegen Platzmangel kein Weg mehr heraus.
Entdecke deine Frauenstimme
Was beim ersten Durchhören von "All that Glitters Is Not Gold" sofort auffällt, ist Stephan Stanzels Gesang. Er leidet sich nicht mehr durch die Songs. Der Ausdruck seelischer Qual ist einem geerdeten, entspannten Timbre gewichen. Schon bei den Aufnahmen mit seinem anderen Musikprojekt Nowhere Train entgegnet er auf die Aufforderung, emotionaler zu singen: "Das bin ich nicht mehr."
Um eine neue - oder vielleicht sogar ursprüngliche - Sängeridentität zu finden, haben die beiden Stefans alleine im geschüzten Studioraum probieren und experimentieren können, während die restliche Band zum Wirten ums Eck geschickt worden ist. Selbst der anfängliche Widerstand gegen den Vorschlag des Produzenten, extrem hoch zu singen, hat sich in der intimen Atmosphäre aufgelöst. Gerade diese "Frauenstimme", wie sie Stephan liebevoll bezeichnet, ist nach einer ersten Abwehrreaktion zum Markenzeichen des Albums geworden.
Das Ergebnis ist umso erstaunlicher und berührender, wenn sich bei der langsamen Winterballade "Snow" der engelsgleiche Backgroundgesang des Refrains ganz in Shoegaze-Manier in die sphärischen Klänge des Songs einbettet.
ALASAC/Wohnzimmer Records
Dass Stephan Stanzel auf diesem vierten Album "so hoch oben und so weit unten wie noch nie" war, beweist auch die eigenwillige, schleppende und düstere Nummer "Poisoned By The News". Nach der grummelnden Strophe erhebt sich der Gesang unisono mit einer verhallten, verzerrten Gitarrenlinie in gebieterische Höhen. Synthie-Flächen flirren und wabern immer wieder dezent im Hintergrund, während uns die Tragik der medialen Vergiftung eindringlich zu Gehör gebracht wird. Auch beim Ohrwurm "Take Me Back", einer Nummer, bei der die Beatles-Referenzen voll durchschlagen, könnte man meinen, im entfernten Klangraum einen Frauenchor zu hören.
"Kumm amol owa"
Und noch ein Mantra von Produzent Stefan Deisenberger hat das Quintett immer wieder zu Gelassenheit ermahnt: "Kumm amol owa." Damit ist nicht nur gemeint, hin und wieder aus der emotionalen Achterbahnfahrt auszusteigen, sondern auch beim Musiktempo den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. "Langsamer" und in weiterer Folge "noch langsamer und reduzierter" haben Schlagzeuger Daniel Grailach und seine Mitmusiker öfter zu hören bekommen. Manifestiert hat sich das in dem entzückend funkelnden Popstück "If Love", bei dem das Schlagzeug fast "wegreduziert" worden ist und Platz geschaffen hat für einen keck hüpfenden Elektronikbeat, der sich so in den federleichten Song schummeln hat können.
Andreas Jakwerth
A Life A Song A Cigarette live in Österreich:
- 23.01. FM4 Geburtstagsfest, Wien (AUSVERKAUFT)
- 12.02. Vinzenz Pauli, St. Poelten
- 25.02. Cinezone, Krems
- 04.03. Red Box, Moedling
- 11.03. Theater Akzent, Wien (Releaseshow mit John Howard and The Nightmail)
Gleichzeitig ist auf "All That Glitters Is Not Gold" auch der Mut zum Experiment und der Spaß am Moment gefördert worden. Wie sonst hätte wohl ein instrumentales, achtzehnminütiges Soundkino wie "To Axion Esti" entstehen können, das mit wenigen, ergreifenden Klavierakkorden, gefühlvollen Feedbackschleifen und vereinzelten Percussions eine derartige Spannung und hypnotische Wirkung aufbaut.
Vielleicht ist auch den bandinternen Befürchtungen, solch ein experimenteller Ausritt könnte potentielle HörerInnen vergraulen, "Lord" Deisenberger mit seinem lapidaren "kumm amol owa" entgegengetreten und hat sie damit zerstreut. Da passt es auch ganz gut, dass "To Axion Esti" eine Reminiszenz an das gleichnamige Werk des griechischen Dichters Odysseas Elytis ist. Schließlich haben sich A Life A Song A Cigarette mit ihrem vierten Werk auf eine musikalische Odyssee begeben, auf eine Art "Inselhoppen", anstatt einen Pauschalurlaub im gewohnten Aufnahmeressort zu buchen, wie der graecophile Sänger Stephan Stanzel meint.
Vielleicht hat es auch die mehr als zehn Jahre Bandgeschichte gebraucht, um loslassen zu können und zu neuen Ufern aufzubrechen. Das Shakespeare-Zitat "All That Glitters Is Not Gold", das für den Titel verwendet wurde, ist dabei wie ein Wegweiser bei dieser Reise zum inneren Kern. In diesem Fall zum Herzen einer Band. Und das glitzert nicht nur, sondern erstrahlt in vollem, hellem, neuem Glanz.