Erstellt am: 26. 12. 2015 - 12:55 Uhr
Ein verrücktes Leben im Plauderton
An der Seite der Geto Boys hat der junge Brad Jordan alias Scarface aus Houston in den späten 80er Jahren seine ersten Schritte im Rap-Geschäft gemacht. Mit seinem ehrlichen Umgang mit mentaler Krankheit und den guten wie schlechten Seiten des Gangsta-Lebensstils machte sich der Mann aus Houston bald einen Namen.
Nach dem Ende der Gruppe startete er solo eine noch beeindruckendere Karriere und wurde oft als Botschafter des Südstaaten-HipHop angesehen. Gute 25 Jahre später ist Scarface immer noch der Lieblingsrapper deines Lieblingsrappers und hat neben Golf-Privatstunden für Fans und einem im Herbst erschienenen neuen Album (der FM4 HipHop-Lesekreis hat berichtet) auch seine Memoiren aufgeschrieben - gemeinsam mit Ko-Autor Benjamin Meadows Ingram.
My life happened so fast. One minute, I’m in the hospital depressed, and the next minute I’m at James Prince’s ranch recording an album with a bunch of motherfuckers I hardly know. One minute, I ain’t got a dime in my pocket; the next minute I’m buying houses and cars on fucking credit cards.
Weiterlesen
KünstlerInnen und ihre Biografien
- "Sugar Man" von Stephen 'Sugar' Segerman und Craig Bartholomew Strydom über den Folk-Soul-Sänger Sixto Rodriguez
- "Diary of a Madman: The Geto Boys, Life, Death, and the Roots of Southern Rap" über den US-Rapper Brad Jordan alias Scarface
So rasant und pointiert wie Diary Of A Madman anfängt, liest es sich eigentlich über die ganze Strecke. Scarface legt sehr ehrlich seine schwierige Kindheit und Jugend offen, in der er viel mit Depressionen zu kämpfen hatte. Davor, dass er an der berüchtigten Südseite von Houston, Texas ins Drogengeschäft abrutschte, bewahrte ihn eigentlich nur die HipHop-Musik.
Der wortgewaltige Rap-Erzähler Scarface hatte auch nach dem Ende der sehr erfolgreichen, aber auch wild zusammen gecasteten und teilweise verrückten Geto Boys kein Problem, Anschluss an die Rap-Spitze zu finden. Er arbeitete mit Jay-Z oder Gang Starr in New York, mit jedem, der im Süden irgendetwas galt, und war in Kalifornien mit 2Pac oder auch mit Dr. Dre und Ice Cube unterwegs.
All das und mehr erzählt Scarface in seinem Buch in großteils recht lockerem und von vielen curse words durchzogenem Plauderton. Fast möchte man meinen, der Ko-Autor hätte einfach mehrere stundenlange Interviews abgetippt. Auch wenn es richtig dramatisch wird, als Scarface zum Beispiel 1993 angeschossen und einer seiner Freunde ermordet wird, hört man die Stimme des Erzählers fast schon im Kopf.
Scarface
As soon as I got hit, I yelled out, I’m hit! I’m hit! And one of the guys we’re with grabs me and pulls me inside to make sure I was straight. But once that shot went off, the place lit up. Motherfuckers were shooting in the parking lot, shooting inside the building, all sorts of shit. Bullets were everywhere.
Genauso aufrichtig und reflektiert wie über die Musikgeschichten und das Kriminelle spricht Scarface auch über die geschäftliche Seite seiner Karriere. Vom früheren Plattenboss Jay Prince fühlte er sich ziemlich ausgenutzt, trotz mehrerer Gold- und Platin-Platten blieb ihm finanziell recht wenig übrig. In wenigen Jahren als Plattenfirmenangestellter bei Def Jam Anfang der 2000er verdiente er jedenfalls laut eigenen Angaben weit mehr. Aber wie schon die Schwierigkeiten zuvor hat ihn auch das nicht davon abhalten können, weiter Musik zu machen - und das ist gut so!